Eine 79-Jährige bangt um ihr Wochenendhaus in Hennef-Bülgenauel. Die Stadt strebt vor Gericht einen Abriss der „Wohlfühloase“ an. Es gibt noch weitere Betroffene.
RechtsstreitStadt Hennef will Wochenendhaus von Rentnerin abreißen lassen

Für den 1968 gebauten Bungalow im Wochenendhausgebiet Bülgenauel gibt es eine Abrissverfügung.
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Als „Wohlfühloase“ preist die Immobilienabteilung einer Bank das „Ferienhaus in idyllischer Lage“ an. Der 79 Jahre alten Eigentümerin, die verkaufen will, ist jedoch gar nicht wohl zumute, wenn sie an ihr Anwesen im Bülgenaueler Unterdorf denkt. Die Stadt Hennef verlangt seit Februar 2020 von der Rentnerin, dass sie den Bungalow abreißt. Es droht ein Zwangsgeld von 2000 Euro.
Mitte Oktober schien sich das Problem erledigt zu haben. Das Verwaltungsgericht Köln entsprach ihrer Klage: „Die Ordnungsverfügung des Bürgermeisters wird aufgehoben“, lautet das Urteil. Doch die Stadt strebt die Berufung an.
Eitorferin leidet unter dem Druck der Stadt Hennef
„Diese psychische Belastung geht jetzt weiter, der Druck ist unvorstellbar“, sagt Wilhelm Krath, der im Kreis Düren wohnende Sohn der 79-Jährigen. „Meine Mutter ist mit den Nerven am Ende.“ Das 66 Quadratmeter große Haus hinter dem Siegdamm sei ihre Altersvorsorge. Sie habe gar nicht das Geld für einen Abbruch und die Entsorgung des Bauschutts.

Verärgert sind Wilhelm Krath (l.), Sohn der Eigentümerin, und Mieter Christoph Hoffmeister.
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Die verwitwete Seniorin, die mittlerweile in Eitorf wohnt, steht nicht allein da. Wie berichtet, wurden auch andere Eigentümer in der Wochenendhaussiedlung in Bülgenauel per Ordnungsverfügung aufgefordert, ihre Immobilien zu entfernen. Vor der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts wurden sechs Klagen gegen die Stadt verhandelt.
In zwei Fällen entschieden die Richter zu Gunsten der Kommune. In den vier Fällen, in denen sie unterlag, hat die Stadt die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster beantragt. „Weil wir unsere Argumente weiterhin als richtig ansehen“, hieß es auf Nachfrage der Redaktion.
Stadt Hennef argumentiert mit Bestandsschutz und Hochwasser
Die Häuser im Unterdorf wurden einst als Wochenenddomizile genehmigt. Strittig ist, wie sich die nicht erlaubte Nutzung als alleiniger Wohnsitz auswirkt. „Ja, sicher ist hier ein Erstwohnsitz möglich“, habe es beim Hennefer Einwohnermeldeamt geheißen, als seine Eltern 2001 den Bungalow erwarben, um dort dauerhaft zu wohnen, erinnert sich Wilhelm Krath. „Sonst hätten die das Haus nie gekauft.“
Die Stadt vertritt die Ansicht, dass sämtlicher Bestandsschutz für das Gebäude mit der nachweislich auf Dauer ausgelegten Wohnnutzung untergegangen sei. Daran ändere die Rückkehr zur Wochenendnutzung seit fast drei Jahren nichts. Zudem liege das Grundstück im Überschwemmungsgebiet der Sieg.
Das Verwaltungsgericht hält die Abrissverfügung für „ermessensfehlerhaft“ und widerspricht den Annahmen der Stadt zum „materiellen Bestandsschutz“. So habe die Dauerwohnnutzung im Fall Krath bis zur Ausweisung des Überschwemmungsgebiets durch die Bezirksregierung im Jahr 2013 „über einen längeren Zeitraum mit materiellem Baurecht in Einklang“ gestanden und Bestandsschutz erworben, der nicht nachträglich entfallen sei.
Richter am Amtsgericht monieren Untätigkeit der Stadt Hennef
Zudem halten die Richter der Stadt vor, dass sie die ungenehmigten Dauerwohnnutzungen und Fehlentwicklungen in dem Gebiet lange Zeit geduldet habe. „Daraus war bei objektiver Betrachtung zu schließen, dass sich die Beklagte (Stadt Hennef, d. Red.) mit den Zuständen abgefunden hatte.“
Bei Christoph Hoffmeister löst die Argumentation aus dem Rathaus Kopfschütteln aus. „Das Hochwasser kann kein Argument sein, die Häuser links und rechts dürfen ja stehenbleiben“, sagt der 36-jährige Bonner, der das Haus der Kraths gemietet hat – und gern kaufen würde, stünde nicht die Abrissverfügung im Raum. Der Renovierungsstau habe den gleichen Grund, sagt Wilhelm Krath.
In seinem Fall moniert die Stadt auch, dass auf dem 600 Quadratmeter großen Grundstück ohne Genehmigung ein Gartenhäuschen und ein Abstellgebäude errichtet worden seien. Illegal sei ebenso die 3 mal 2,10 Meter messende Überdachung der Terrasse. Für ein 2005 genehmigtes Carport indes gelte die Abrissverfügung nicht, wurde vor Gericht klargestellt.
Hennefer Wochenendgebiet ist inzwischen als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesen
Im Flächennutzungsplan ist das Wochenendgebiet inzwischen als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen. Die Stadt widerspricht den Anwälten der Klagenden, dass dieses Nutzungsziel durch den Abbruch nur einiger Gebäude nicht erreichbar sei. „Derzeit gehe ich davon aus, dass der Großteil der Gebäude abgerissen werden muss“, schrieb der Erste Beigeordnete Michael Walter im Juni 2020 in der Klageerwiderung.
Auf Nachfrage dieser Zeitung, ob diese Annahme fortbestehe, äußerte sich die Stadt so: „Da das Urteil sich mit der planungsrechtlichen Situation des Gebietes insgesamt befasst, können wir diese Frage erst beantworten, wenn die Aussagen des Verwaltungsgerichtes durch das OVG geprüft worden sind.“