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„Museum“ über WerkstattHennefer sammelt seit mehr als 70 Jahren Motorräder aus den 50er Jahren

Lesezeit 5 Minuten
Philipp Stöcker (rechts) und sein Freund Ralf Schmidt auf seiner Zündapp.

Philipp Stöcker (rechts) und sein Freund Ralf Schmidt auf seiner Zündapp.

Philipp Stöcker sammelt Motorräder seit den 1950ern. Viele seiner Maschinen stammen aus dieser Zeit. Er hat uns seine Sammlung gezeigt.

Die Regale in Philipp Stöckers Werkstätten und Werkräumen sind prall gefüllt mit allerhand Gerätschaften und Sammlerstücken: Ersatzteile für Motorräder, verschiedene Motoren – unter anderem für Kräne –, Kurbelwinden, Nähmaschinen, Reifen, Speichen, Getriebe, Radios, Rahmen, Zünder und noch vieles mehr.

Und die Regale sind auch prall gefüllt mit Erinnerungen: Zu jedem Teil, jedem Regalbrett, jeder Maschine und jeder geöffneten Schublade kann Philipp Stöcker eine Geschichte erzählen. Der 90-Jährige geht am Stock, zeigt mal hierhin, mal dorthin, langsam, aber behände, und er ist ohne Zweifel rüstig. Das Basteln an seinen zahlreichen Projekten kann und will er nicht aufgeben. „Ich hab' es mit dem Pragmatischen“, sagt er verschmitzt.

Hennefer will mit „grünem Elefant“ an 91. Geburtstag durchs Dorf fahren

Philipp Stöcker wohnt seit seiner Geburt in Hennef, seit 1951 beschäftigt er sich mit Motorrädern. An diesem Sonntag, 4. Mai, feiert er seinen 91. Geburtstag und will auf einem historischen Motorrad aus den 1950er Jahren durch den Ort fahren. Die Maschine hat er natürlich selbst restauriert.

Es handelt sich um eine Zündapp KS601, Spitzname „Der grüne Elefant“, von der zwischen 1950 und 1957 knapp 5000 Exemplaren gebaut wurden. Sie wurde oft mit einem Seitenwagen gefahren, und so hält es auch Philipp Stöcker. Die Maschine habe er seit 40 Jahren, sagt er, als er sie aus der Garage rollt. „Der Beiwagen ist neuer“, ergänzt der Motorradfan. „Die Farbe ist leider etwas anders als die vom Motorrad.“

Philipp Stöcker (rechts) und sein Freund Ralf Schmidt auf seiner Zündapp.

Philipp Stöcker sitzt auf seiner Zündapp vor der Garage.

Das dürfte vor allem eingefleischten Fans direkt auffallen. Erst auf den zweiten Blick und bei ausreichend Licht ist für das ungeübte Auge der leichte Farbunterschied zu erkennen. Den Spitznamen „grüner Elefant“ trägt die Maschine, weil sie vorwiegend grün lackiert war. Auch Stöckers Zündapp ist grün, allerdings, weil er sie hat umspritzen lassen. Im Original war sie schwarz.

Die Stoßstange an seinem Beiwagen habe er selbst bearbeitet und befestigt, erzählt Philipp Stöcker. „Der Beiwagen hatte keine Bremse, also habe ich ihn umgebaut, mit einem anderen Rad und die Bremse gebaut. Das funktioniert jetzt alles hervorragend.“

Bei seiner Tour an seinem Geburtstag sollen ihn seine beiden Brüder, 93 und 87 Jahre, begleiten. Er als Fahrer, der jüngere Bruder Frank als Sozius und der ältere Bruder Heinz im Beiwagen. „Das sieht man ja nicht oft, dass wir in unserem Alter so etwas noch machen“, sagt Stöcker und lacht. 

Philipp Stöcker sammelt Motorräder, Nähmaschinen, Ersatzteile

Er und seine Geschwister seien insgesamt zu acht gewesen, vier Jungen und vier Mädchen. Er selbst hat vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, und Enkelkinder. Seine Liebe für Motorräder nutzt er nicht nur für sich selbst. Er restauriert, baut und bastelt auch an Maschinen für seine Familie oder sammelt Nähmaschinen vom Schrottplatz ein und verschenkt sie an Freunde, von denen er weiß, dass sie ihnen gefallen.

Im Keller einer seiner zwei Werkstätten steht ein Dürkopp-Motorrad, das er seiner Enkelin Anne geschenkt hat. Daneben und darum herum finden sich Regale mit Metallteilen aller Art: Motoren, Räder, Kabel – alles geordnet eingeräumt. Stöcker weiß bei jedem Teil, wo er es finden kann.

Werkstätten, Ersatzteile, Werkbänke und weitere Maschinen, zu denen Philipp Stöcker sämtlich zahlreiche Geschichten erzählen kann.

Werkstätten, Ersatzteile und weitere Maschinen, zu denen Philipp Stöcker sämtlich zahlreiche Geschichten erzählen kann.

Den Keller habe er selbst ausgehoben, erzählt der 90-Jährige. „170 Kubikmeter hab’ ich 1976 selbst gescheffelt. Das Gebäude stand schon darüber. Nach zwei Monaten war ich fertig.“ Das Gebäude darüber, das ist Stöckers Schreinerwerkstatt – er ist ausgebildeter Geselle in dem Handwerk –, und auch dort sind zahlreiche Arbeitsmaschinen zu finden.

Im Obergeschoss der Eisenwerkstatt wartet das „Motorrad-Museum“

Fräsen, Bandsägen, eine Zugmaschine, um Motorräder und Teile in den Keller und heraus zu befördern. Aber auch eine große Teigrührmaschine aus einer Bäckerei und seine alte Werkbank. „Die Werkbank stammt aus der Zeit, als ich Geselle wurde“, sagt Stöcker und gibt dem massiven Holz einen Klaps. Die Rührmaschine habe er gekauft, einfach weil er sie spannend gefunden habe.

Werkstätten, Ersatzteile, Werkbänke und weitere Maschinen, zu denen Philipp Stöcker sämtlich zahlreiche Geschichten erzählen kann.

Die Werkbank ist so alt wie Stöckers Gesellentitel.

Seine Lehre hatte Philipp Stöcker im Jahr 1948 angefangen. Da war er gerade 14 geworden. Jahrelang lief er zu seiner Lehrstelle rund anderthalb Stunden zu Fuß von seinem Heim nahe Stadt Blankenberg nach Hanfmühle. Später habe er aber mit dem Fahrrad fahren können.

Die zweite Werkstatt ist allem aus Eisen vorbehalten. Hier arbeitet er hauptsächlich an seinen Motorrädern. Dort hat er unter anderem eine Standbohrmaschine und eine 40-Tonnen-Presse. Auch hier gibt es eine Zugmaschine, um Maschinen ins Obergeschoss zu heben. Denn dort befindet sich Philipp Stöckers „Museum“.

Motorräder in Philipp Stöckers Museum

Motorräder in Philipp Stöckers „Museum“.

„Philipp’s Motorrad Ranch“ steht auf einem Holzschild über der Tür im Dachgeschoss der Eisenwerkstatt. Darunter ist eine Ardie-Maschine abgebildet. Alte deutschen Marken haben es Philipp Stöcker besonders angetan: Ardie, Dürrkopp, Zündapp. Die meisten seiner Maschinen stammen aus den 1950er Jahren. Gut zehn Stück stehen über seiner Eisenwerkstatt. Mit einer davon fuhr er jahrzehntelang selbst durch die Gegend. „Das ist eine Dürkopp, die habe ich nach 70 Jahren schließlich abgemeldet“, sagt Stöcker.

Er könnte seine Maschinen auch sicherlich noch verkaufen, sagt Stöcker. „Ich kann mich aber nicht gut von ihnen trennen.“ Das wäre wohl so, als würde er sich auch von seinen zahlreichen Erinnerungen trennen, die er mit den Motorrädern, Sammlerstücken und Maschinen verbindet. Jetzt aber kommt zu seinem 91. Geburtstag erstmal eine neue Erinnerung hinzu, wenn er mit seinen Brüdern auf dem Motorrad durch den Ort saust - wie früher.