Im ausverkauften Saal des denkmalgeschützten Kinos an der Königstraße erfuhr das Publikum so manch Einzigartiges und Einmaliges.
Hennefer SofaDrei Beseelte erzählten im Kur-Theater von der Industriegeschichte Hennefs

Freerk Baumann (l.) und Ralf Rohrmoser-von Glasow (r.) empfingen auf dem Hennefer Sofa ihre Talkgäste. Manfred Winterscheid hat 45 Jahre im Chronos-Werk gearbeitet.
Copyright: Ingo Teusch
Einzigartig und einmalig, die Industrie- und Technikgeschichte der Stadt - das versprachen die beiden Moderatoren Freerk Baumann und Ralf Rohrmoser-von Glasow bei der Talkshow „Hennefer Sofa“ im ausverkauften Saal des Kur-Theaters. Dazu hatten sie sich drei ausgewiesene Kenner des Metiers eingeladen, die im denkmalgeschützten Kino leidenschaftlich von automatischen eichfähigen Waagen, auslaufsicheren Füllfederhaltern und Schmalspurbahnen erzählten.
Den Auftakt aber machte eine Henneferin. Bianca Schüller hat früher bei der kölschen Frauenband „Funky Marys“ gesungen, bevor sie sich 2023 solo auf den Weg machte. Sie begab sich auf eine Zeitreise - von ihren Anfängen als Hochzeitssängerin bis zu ihren selbst produzierten Nummern „Sing. Spring. Danz“ und „Blitzverliebt“ zeigte sie ihre Stärken in Schlager- und Karnevalsmusik.

Bianca Schüller, früher Funky Mary, war live dabei, sie ist jetzt solo unterwegs.
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Erster Gast, der sich auf dem Sofa niederließ, war Folkert Hemmen, der im Vorstand des Vereins „Museum der Rhein-Sieg-Eisenbahn Asbach“ sitzt. Der 62-Jährige demonstrierte den gebannt lauschenden Menschen im ausverkauften Saal, was ein Beseelter ist. Er widmet sich komplett der ehemaligen Bröltalbahn, „die älteste Schmalspurbahn Deutschlands“.
Doch er blieb nicht bei der einfachen Faszination für Loks, Waggons und Gleise. Er setzte sie auch in den Zusammenhang mit der industriellen Revolution, die ab den 70er- und 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts in der Stadt an der Sieg Einzug hielt. Die Züge waren ein wichtiger Faktor für den Transport von Mensch und Material zu den zahlreichen Fabriken. Am 13. und 14. September lädt er zum 25-jährigen Bestehen „seines“ Vereins nach Asbach ein.

Folkert Hemmen (M.) ist Spezialist für die Bröltalbahn.
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Abgezeichnet hatte sich diese Leidenschaft schon in seiner Jugend. Die Modelleisenbahn seines Vaters hatte es ihm angetan, bis er endlich selbst eingreifen durfte und die Tischtennisplatte der Familie zur Schienenlandschaft umbaute. Erst vor zwei Jahren kam der Luftfahrt-Hydraulik-Mechaniker, der inzwischen Leiter einer Schule für zerstörungsfreie Werkstoffkunde und deren Prüfverfahren ist, zu seiner aktuellen Passion.
Manfred Winterscheid war bis zum bitteren Ende von Chronos dabei
Manfred Winterscheid hat 1958 seine Lehre als Bauschlosser bei den Chronos-Werken begonnen. Bis zum bitteren Ende des Unternehmens blieb er den Waagen treu. Humorvoll erzählte er von seinen Montage-Einsätzen, versiert erklärte er die Funktionsweise der ersten automatischen, eichfähigen Waage, die in Hennef erfunden wurde.
Interessant waren die Aussagen eines Zeitzeugen der noch jungen Bundesrepublik zu der Situation der Auszubildenden. Eines Tages hatte er sich geprügelt. Sein Lehrmeister trug ihm daraufhin auf, 100-mal zu schreiben, dass er sich auch außerhalb des Betriebes anständig zu benehmen habe und nicht wie im Wilden Westen an jeder Ecke eine Prügelei anfangen solle. Nicht minder interessant war die Geschichte der Entwicklung eines großen Werkes bis zu seiner Insolvenz 2005. Noch heute trifft Winterscheid einmal im Jahr Chronos-Veteranen.

Carl Coenen ist exzellenter Kenner der Hennefer Industrie- und Technikgeschichte.
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Einen breiten Überblick über die Industrieentwicklung Hennefs lieferte anschließend Carl Coenen, der bei Geilenkirchen in der Landwirtschaft aufgewachsen ist. Schon früh interessierte er sich für alte Maschinen und Traktoren. Schnell stieß er dabei auf Hennef. Deutz-Fahr-Traktoren etwa sind gebaut mit Gussteilen, auf denen JH prangt - Jacobi aus Hennef. Das große Werk des Fritz Jacobi belieferte unter anderem Klöckner-Humboldt-Deutz, wo der heute 72-Jährige in jungen Jahren eine Lehre machte.
Später studierte er Landmaschinentechnik, kam zu GKN-Walterscheid nach Lohmar. Er wollte Gelenkwellen sicherer machen, verlor sein Vater doch die Funktionstüchtigkeit seines rechten Arms in einer eben solchen. Coenen lebte viele Jahre in Hennef und tauchte ein in die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts im Siegtal.
Coenen wünscht sich ein Museum für die Industriegeschichte Hennefs
Meys, Löhe, Reisert, Reuther, Jacobi, Steimel, Wolff, Räuchle - diese Namen stehen für mutige Pioniere, die die Industrie in der Stadt aufbauten. Die Folge waren solch einmalige Patente wie der auslaufsichere Füllfederhalter bei Räuchle. Coenen plädierte für eine museale Einrichtung, um diese Historie lebendig zu halten. Nebenbei lief der Klingelbeutel durch die Reihen, die Jugendfeuerwehr durfte sich über eine Spende in Höhe von 1190 Euro freuen. (red)