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Einzigartiges TonarchivModerator Wicky Junggeburth sammelte 5800 Stunden Kölner Karneval

Lesezeit 4 Minuten
Wicky Junggeburth mit Ehefrau Catherine.

Wicky Junggeburth mit seiner Frau Catherine. Diese unterstützt ihn tatkräftig als Managerin und Tontechnikerin bei seinen Nostalgie-Sitzungen.

Seit er zehn Jahre alt war, sammelt Moderator Wicky Junggeburth aus Lohmar Klänge des Kölner Karnevals.

Dass sein Lied „Emol Prinz zu sin“ so lange Bestand haben wird, wie es den Kölner Karneval geben mag, ist keine gewagte Prognose. 1993 hatte sich Wilfried „Wicky“ Junggeburth als Kölner Prinz Wilfried I. mit dem hymnischen Lied, das seitdem zu Prinzen-Proklamationen, -einzügen und -auftritten gehört wie der Dom zo Kölle, in die Herzen der Jecken gesungen.

„Ich habe einfach aus meinen Gefühlen ein Lied gemacht“, berichtet der 71-Jährige bei einem Gespräch in seinem Haus in Honrath, einem Stadtteil von Lohmar. Für einen waschechten, dazu einen Steinwurf von der geschichtsträchtigen Elsassstraße geborenen Kölner, der schon als Zehnjähriger in der Bütt stand, sei es „von Jugend an ein Traum gewesen“, einmal das Dreigestirn anzuführen. An seine Regentschaft erinnert das Original-Ornat, welches in seinem Arbeitszimmer einen ebenso prominenten Platz hat wie die Prinzen-Standarte.

Wicky Junggeburths Vortragsreihe geht dieses Jahr in die neunte Staffel

Überhaupt atmen die Räumlichkeiten die Aura eines kleinen Karnevalsmuseums mit unzähligen Orden, historischen Fotos und Erinnerungsstücken aus seiner Prinzenzeit und seinem zweiten Karnevals-Dasein als französischer Barde Wicky Junggeburth. Mit dem Nostalgie-Karneval hat der ehemalige Finanzberater ein weiteres Feld erschlossen.

Was im Jahr 2000 mit der „1. Kölsche Nostalgie-Sitzung“ im Sartory begann, die sich um die Ikonen Karl Berbuer und Thomas Liessem drehte, mündete 2012 in seine Vortragsreihe „Der kölsche Fastelovend der Nachkriegszeit“ in einem bekannten Kölner Brauhaus. Sie geht in dieser Session in die neunte Staffel („200 Johr jeck in Kölle“).

Die Reihe stützt sich auf das einzigartige Tonarchiv, das Junggeburth aufgebaut hat und das seit den Anfängen als Zehnjähriger zu seiner „Lebensaufgabe“ geworden sei. Sein Vater hatte ihm damals gezeigt, wie man ein Tonbandgerät bedient: „Ab da fing ich an, alles aufzunehmen. Es ließ mich nie mehr los.“ Das alte Grundig-Gerät genügte aber bald nicht mehr den Ansprüchen des technikbegeisterten Sprösslings.

Der Wunsch nach einer professionellen Revox-Bandmaschine erfüllte sich erst durch 2200 Mark Schmerzensgeld, die er 1970 als Beifahrer eines Autounfalls erhielt. Das reichte exakt für die Anschaffung des Revox A77K, das heute noch die Regalwand im Arbeitszimmer ziert und „einwandfrei funktioniert“, wie Junggeburth strahlend berichtet. Heute setzt er freilich auf die neueste Technik: „Mit handgeschriebenen Listen und Tonbändern lassen sich über 80.000 Titel effizient nicht bewältigen.“

Diese wanderten auf eine nach seinen Bedürfnissen „maßgeschneidert programmierte Datenbank“. Ihr Name hat einen augenzwinkernden Bezug zu seiner Person und bekannten Datenbanken: WickyMedia. Tausende von Schallplatten und Kassetten wanderten in den Keller, nachdem sie der Wahl-Lohmarer digitalisiert hatte. Im Wohnzimmer lassen sich jetzt am zentralen Arbeitsplatz mit einem riesigen Bildschirm und klangstarken Lautsprechern in Sekundenschnelle die Informationen nach beliebigen Suchkriterien und Abfragerichtungen abrufen. Man stößt über die Eingabe der Künstler auf deren Lieder, Auftrittsdatum und -orte und umgekehrt.

Wicky Junggeburth sammelte 5800 Stunden Lieder und Reden des Kölner Karnevals

5800 Stunden oder viereinhalb Terabyte Kölner Karneval – Lieder und Reden – könnte man in einer bestechenden Klangqualität in Honrath anhören, je nachdem, was die Aufnahmen von einst hergeben.

Die Spanne reicht von Größen wie Horst Muys und Grete Fluss bis Hans Hachenberg oder Gerhard Ebeler, dessen „Du kannst nicht treu sein“ es in der englischsprachigen Fassung Ende der 1930er Jahre übrigens für sieben Wochen auf Platz eins der US-Charts schaffte. Viele Unikate sind in seinem Fundus, etwa seltene Auftritte der Muuzemändelcher. Junggeburth: „Es ist die Geschichte des Kölner Karnevals.“ Sein Fokus richte sich auf die Zeit von 1946 bis 1980, als eine neue Art der Karnevalsmusik begann. Gleichwohl habe er „keinerlei Probleme mit Cat Ballou, Kasalla und Co.. „Die bringen uns die Jugend zurück in den Karneval“, sagt er.

Treue Begleiterin, Managerin, Tontechnikerin und Musikeinspielerin bei den Nostalgie-Sitzungen ist Ehefrau Catherine. „Sie ist unverzichtbar im Team“, lobt Wilfried Junggeburth die gebürtige Französin, die „mit kölscher Begeisterung“, agiere, wie er verrät. Und er dürfte auch von ihren Backkünsten begeistert sein, wie ihr wundervoller Gâteau au Citron belegte, den die Gastgeberin zum Kaffee reichte.


Junggeburths persönliche Hitparade:

1. Heimweh nach Köln (Willi Ostermann)

2. Unser Jrundjesetz (Bläck Fööss)

3. 1900 Johr (Fritz Weber)

4. Trizonesien-Song (Karl Berbuer)

5. D'r Pötze Fuss (August Batzem)

6. Denn wenn et Trömmelche jeiht (Karl-Heinz Brand, Friedel Müntnich)

7. Et jitt kei Woot (Cat Ballou)

8. Mir sin wie mer sin (Rabaue)

9. Allemann (Brings)

10. Kölsche Nächte die sin lang (Paveier)

11. Doch mer hatten Eu (Filue) (loi)

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