Angriffe von Wölfen und Hunden auf Schafsherden nehmen zu. Umweltschützer plädieren für nächtliche Einstallung.
Neue Wölfin in Rhein-Sieg identifiziertWolfsangriffe auf Schafe nehmen zu – Halter in Sorge

Dieses Schaf wurde am 21. August in Birkenbeuel von einem Wolf aus dem Leuscheider Rudel gerissen.
Copyright: Simon Darscheid
Wölfe haben im Rhein-Sieg-Kreis und im Westerwald erneut Schafe und Ziegen gerissen. Auch ein Hundeangriff vom April in Lohmar verunsichert die Schäfer. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Klima NRW bestätigt derweil neue Wolfsnachweise, unter anderem durch die Fähe GW4631f aus Thüringen. Naturschützer hingegen betonen die Rolle des Wolfs für das Ökosystem und verweisen auf die Verantwortung der Weidetierhalter. Der Konflikt gewinnt an Schärfe.
„Es ist immer dasselbe Bild: Schwerverletzte Tiere liegen in den letzten Zügen ihres Lebens hilflos blutend auf der Weide nach einem Wolfsangriff“, berichtet Simon Darscheid aus Hennef. Er ist Bezirksvorsitzender Bergisches Land des NRW-Schafzuchtverbandes. Nach nächtlichen Überfällen von Raubtieren auf ihre Herden wenden sich die Tierhalter oft an ihn. Es bleibe dann nur noch die Möglichkeit, einen Tierarzt herbeizurufen, der die Schafe erlöse.
Darscheid vermutet, dass in den nächsten Wochen noch mehr Angriffe von Wölfen stattfinden werden. Das Leuscheider Rudel sei aktiv. Er listet auf: Am 21. August wurde eine Schafherde in Birkenbeul angegriffen, zwei tote Tiere wurden gezählt, zwei weitere mussten später wegen ihrer schweren Verletzungen eingeschläfert werden.
Wölfin aus Thüringen im Rhein-Sieg-Kreis identifiziert
Einen Tag später wurde eine Ziege im selben Ort gerissen. Am Tag darauf, am 23. August, gab es einen Raubtierangriff im Tierpark Flammersfeld, dem ein Damhirsch zum Opfer fiel. Hungrige Wölfe seien nicht wählerisch. Schafe, Ziegen oder Rehe würden gerissen – und sie wandern weite Strecken.
Jüngst bestätigte das NRW-Ministerium für Umwelt und Naturschutz, dass am 17. Mai eine Wölfin aus Thüringen ein Schaf auf einer Weide in Lohmar gerissen hat. Am 20. Mai wurde die Fähe in Much gesehen, am 1. Juni in Bad Münstereifel. Wo sie sich jetzt aufhält, ist unbekannt.
Es sind allerdings nicht nur Wölfe, die grasende Schafe angreifen. Im April 2025 stürzte sich tagsüber ein Hund auf eine grasende Schafherde in der Wahner Heide bei Lohmar, erzählte Schäfer Thomas Schneider im Gespräch mit der Redaktion. Eine Zeugin hatte beobachtet, wie ein schwarzer Hund in die durch einen mobilen Zaun gesicherte Weidefläche in den Aggerauen eindrang. Das Tier habe die Herde gejagt und Schafen in den Kopf gebissen, so ihr Augenzeugenbericht.
Hundebesitzerin soll einfach weggegangen sein
Erst nach der Attacke habe die Besitzerin ihren Hund wieder an sich genommen, berichtete die Zeugin dem Schäfer. Die Aufforderung stehenzubleiben und zu warten, habe die Hundebesitzerin mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass sie zum Arzt müsse. Die Frau sei schnell weggelaufen und habe sich noch nicht einmal umgedreht.
Im April erstattete Thomas Schneider umgehend Anzeige. „Wir haben bis heute, also Anfang September 2025, nichts von der Staatsanwaltschaft gehört, obwohl ich sicher bin, dass die Hundebesitzerin in der Nähe des Tatortes wohnt“, so der Schäfer, dem die Herde gehört, auf Nachfrage der Redaktion. Er ist zurzeit wieder an dieser Stelle in Lohmar mit seiner Herde und hofft, dass die Frau nicht wieder mit ihrem frei laufenden Hund unterwegs ist.
Umweltschützer sehen Wölfe als Schlüsselart für die Verteilung von Rehen und Hirschen im Wald
Achim Baumgartner, Sprecher des BUND im Rhein-Sieg-Kreis, weist darauf hin, dass der Halter für die Sicherheit seiner Weidetiere verantwortlich sei. „Wir sind hier in Deutschland in einer Region ohne Wölfe groß geworden, nun ist es nicht mehr so.“ Der Mensch könne sich die Natur nicht so basteln, wie er sie aus Bequemlichkeit gerne hätte.
Ein territorial begrenzter Abschuss von einzelnen Tieren würde zudem nichts bringen. „Wölfe wandern in einer Nacht weite Strecken“, so Baumgartner über den Wechsel zu freien Revieren – bestätigt wird das auch durch die Wölfin, die von Thüringen bis in den Rhein-Sieg-Kreis gewandert ist.
Baumgartner sagt zudem, dass Wölfe als Schlüsselart für die Verteilung von Säugetieren wie Rehen oder Hirschen zuständig seien. Es halte sie durch sein Jagdverhalten ständig in Bewegung und verhindere so auch einen übermäßigen Schaden an Bäumen im Wald durch Wildverbiss. „Wölfe helfen also im Naturmanagement.“

Völlig verängstigt liegt dieses Schaf am Morgen nach dem nächtlichen Raubtierangriff auf der Weide.
Copyright: Simon Darscheid
Baumgartner plädiert dafür, dass Weidetiere nachts in Ställe gebracht werden sollten, „so wie es früher auch immer war.“ Dort seien sie sicher vor Angriffen von Raubtieren. Vielleicht kämen auch irgendwann wieder Bären. „Wir müssen umdenken und erlauben, dass einfache Ställe auch im Außenbereich gebaut werden dürfen.“ Schäfer, die unsere Kulturlandschaft mit ihren Tieren pflegen, müssten auf jeden Fall vom Staat unterstützt werden.
Schäfer Schneider sieht das auch so. Allerdings kann er sich Ställe nur bedingt als Lösung vorstellen. Herden, die wandern, schlafen nicht immer an derselben Stelle. Für sie müsste es „sicher eingezäunte Flächen zum Übernachten“ geben. Und auch Herdenschutzhunde seien nicht immer die Lösung.
„Wenn Menschen aus Neugier gedankenlos über den Zaun zur Herde steigen, werden sie als Eindringling erkannt und gebissen“, berichtet er. Dasselbe passiere, wenn der Zaun zum Beispiel durch einen umfallenden Baum beschädigt würde. Die Hunde folgten der ausgebrochenen Herde und verteidigten sie gegen jeden, der sich nähert. „Besonders in Gebieten, die stark von Menschen frequentiert werden, wird dies zu schweren Problemen führen“, prognostiziert Schneider, der seine Tiere auch auf den Poller Wiesen in Köln grasen lässt.