Lokalpolitik in Rhein-Sieg Sollten Sitzungen gestreamt werden? Was dafür und dagegen spricht

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Livestream einer Sitzung des Siegburger Stadtrats im Rhein-Sieg-Forum

Sollten Sitzungen im Netz live übertragen werden?

Lokalpolitik live im Netz? Eine gute Idee oder ein zu großer Kostenpunkt bei geringem Nutzen? Zwei Redakteure, zwei Meinungen.

Pro – Stephan Propach sieht Streams als gelebte Demokratie

Ein neues Baugebiet in meiner Kommune, ein Radweg an der Landstraße oder mitten im Ort ein Kinderspielplatz: Was die Politiker dazu sagen, die mich in Stadt, Gemeinde oder Kreis vertreten, will ich am liebsten live miterleben. Dazu müsste ich allerdings Urlaub opfern und unfreiwillig zahlreiche Tagesordnungspunkte über mich ergehen lassen, bis endlich das kommt, was mich interessiert. Zum Glück kann ich meinen Gemeinderat und seine Ausschüsse im Netz verfolgen – oder auch nicht.

Das weltweite Netz kann für lokale Demokratie zum Segen werden. Endlich hat jede und jeder die Chance, die gewählten Verantwortungsträger bei der Arbeit zu sehen. Wie in Düsseldorf und Berlin müssten sich die Politikerinnen und Politiker den Menschen vor den Bildschirmen stellen. Dann würde offengelegt, wer am Ende tatsächlich für den Abriss des Denkmals, für höhere Steuern oder gegen das Trockenlegen der Feuchtwiese gestimmt hat. Lokale Demokratie pur.

Politiker, die sich an ihre Wahlversprechen erinnern, haben von Streams nichts Böses zu erwarten

Politiker, die sich an ihre Versprechen nach der Wahl erinnern, haben von (Live-)Streams nichts Böses zu erwarten. Zum Fluch könnte der Videobeweis im Netz aber für die wenigen werden, die sich nicht an Absprachen halten, die ihr eigenes Ding machen und bisher hoffen können, dass das nicht auffällt oder bis zur nächsten Wahl vergessen ist.

Live-Streams und zeitlich begrenztes Abrufen sind Chancen für die Politik, die die Kostenfrage in den Hintergrund drängen muss. Räte sollten sie ganz im Sinne von Willy Brandt nutzen, der schon zu Zeiten des Schwarz-Weiß-Fernsehers forderte, mehr Demokratie zu wagen.

Contra – Cordula Orphal sieht enge Grenzen für den Nutzen

Die Zeit scheint reif für Live-Übertragungen aus dem Ratssaal. Als diese Technik einst laufen lernte, hatten die meisten Feierabend-Politiker und -Politikerinnen noch Berührungsängste, fürchteten um ihre Unabhängigkeit und die unkontrollierte Verbreitung ihrer Beiträge. Tatsächlich spricht immer noch einiges dagegen: Wo bleibt der Datenschutz bei der grenzenlosen Verbreitung von Bild und Ton? Kommunalpolitiker wirken ehrenamtlich, anders als die Abgeordneten in Land und Bund, die als Personen öffentlichen Lebens gelten.

Eine Kameraeinstellung, die nur die Totale transportiert, könnte ein Kompromiss sein, Nachteil: Wer da spricht und zu welcher Partei er gehört, ist für den Gelegenheitszuschauer ohne Insiderkenntnisse nicht ersichtlich. Politische Meinungsbildung kann so kaum stattfinden.

Wichtiger als Livestreams ist die persönliche Ansprache der Bürger

Die Kosten sind auch zu bedenken: Je nach Nachfrage liegen sie bei fünf bis 25 Euro pro Sitzung und Zuschauer auf dem Sofa. Hört sich wenig an, summiert sich aber übers Jahr zu stolzen Summen zwischen 50 000 und 100 000 Euro, wenn jede Sitzung gezeigt wird. Denn ein Sparmodell wie in Hennef hat auch seine Tücken: In Ratssitzungen werden Entscheidungen oft nur bestätigt, der Austausch von Argumenten und die Positionierung der Parteien finden in den Fachausschüssen statt.

Ein Live-Stream kann nicht alle zufrieden stellen. Viel wichtiger ist die persönliche Ansprache der Bürger, sie sollten so oft es geht eingeladen werden ins Rathaus. Denn viele wissen gar nicht, dass alle Sitzungen öffentlich sind.

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