Schau in Sankt AugustinGalerie Radicke schwingt im Kosmos und winzigen Bildpunkten

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Die Tempera-Gemälde von Willi Gilli wecken mit ihren Farb- und Formspielen Assoziationen an kosmische Klänge und Schwingungen.

Sankt Augustin – Es war eine Einladung, die ihre Adressaten zu spät erreichte – geschuldet den unergründlichen Wegen der Post. So musste Jutta Radicke die Eröffnung ihrer neuen Ausstellung kurzerhand verschieben (auf den 19. Juni). Die Bilder von Willi Gilli und Andreas Lau hängen natürlich längst, Besucher sind stets willkommen.

Und wenn die Galeristin durch ihre Räume geht, sind Ärger und Stress verflogen, was vielleicht auch an der gelösten bis heiteren Atmosphäre dieser Schau liegt.

Radicke hat die beiden Künstler bei einem Rundgang auf der Kunstmesse Art Karlsruhe entdeckt. Für ihre Kundschaft ist sie stets auf der Suche nach „dem Besonderem, etwas Überraschendem“, das sie im Werk von Andreas Lau und Willi Gilli fand. Beide haben an der Akademie in Karlsruhe studiert, beide stehen mit ihrem Werk in der Spannung zwischen Figuration und Abstraktion.

Vorstoß in kosmische Dimensionen

In kosmische Dimensionen scheinen die Bilder von Willi Gilli vorzustoßen, der seine Ideen in Serien entwickelt. Farbige Bälle kreisen teils wie Planeten umeinander, teils durchdringen sich geometrische Formen, ballen sich zusammen oder streben voneinander weg. Bögen und Linienschwünge markieren Umlaufbahnen, Schraffuren und Punkte verleihen der Komposition Dynamik.

Zuweilen scheinen die Formen aus einer bewegten Wasserfläche aufzutauchen, emporgezogen von einem organischen Geflecht oder Gewebe. Dann wieder explodieren flammendrote Blüten auf der Leinwand; aber wohin die Reise geht, verraten Titel wie „Bon voyage vers Mars“.

Doch der gebürtige Slowene (Jahrgang 1951) kreiert auch surreale Stillleben, wenn er Alltagsgegenstände wie einen grünen Schirm ins Bildzentrum rückt, der von einer abgezirkelten Liane umschlungen wird. So griffig und attraktiv diese simulierten Räume in ihrer leuchtenden Farbigkeit auch sind, so abweisend wirken sie doch. Die fast pudrige, gedeckte Oberfläche, die durch die Verwendung von Temperafarben entsteht, hält den Betrachter auf Distanz, verwehrt das illusionistische Eintauchen in diese Bildwelten.

Lau spielt mit visueller Gewohnheit

Mit visuellen Gewohnheiten spielen auch die Bilder von Andreas Lau, die an Tendenzen wie Pointillismus und Op Art anknüpfen. Der aus Karlsruhe stammende Künstler (Jahrgang 1964) malt klassische Motive: Akte und Halbakte, eine Hand oder Porträts Prominenter, etwa von John F. Kennedy.

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Allerdings fasst er diese Motive in ein ornamentales Muster aus Pinselsetzungen, eine rhythmische Abfolge aus kurzen und langen Strichen, Punkten oder winzigen Vierecken. In einem bestimmten Abstand vom Bild treten die oft wellenförmigen Konturen des Gesichts oder Körpers hervor; geht man näher heran, verlieren sie sich in einem abstrakten, flimmernden Gewoge aus Partikeln.

So macht Lau nicht nur die Malerei, sondern auch das Sehen selbst zum Thema seiner Arbeit, indem er Zweifel an der Zuverlässigkeit der eigenen Wahrnehmung sät. Den Betrachter entrückt er in eine Art Schwebezustand, denn allein die Nähe zum Bild entscheidet darüber, was man wahrnimmt: Figuren und Gesichter oder lediglich eine Anordnung von Punkten und Strichen.

Die Ausstellung ist in der Galerie Radicke, Eisenachstraße 33 in Sankt Augustin bis zum 31. Juli zu sehen nach Vereinbarung unter 02241/ 335773. Vernissage am Sonntag, 19. Juni, 18 Uhr. Zur Eröffnung spielen Marcus Schinkel (Piano) und Lothar van Staa (Saxofon). 

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