Brauchtumsverein in Sankt Augustin„Im Karneval ist das Bützen von Kindern nicht vorgesehen“

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Leere Tische bei einer Karnevalssitzung.

Leere Tische bei einer Karnevalssitzung.

Nach der Trennung der Prinzengarde von ihrem Präsidenten wird in Sankt Augustin und dem Rhein-Sieg-Kreis über Präventionsmaßnahmen debattiert.

Die Entscheidung des Vorstandes der Prinzengarde, sich nach dem Eklat um anzügliche Bemerkungen ihres Präsidenten von ihm zu trennen, bewertet auch der Vorsitzende des Vereines für Karnevalistische Brauchtumspflege in Sankt Augustin als richtig: „Es gehört sich nicht in der heutigen Zeit, so etwas zu einem jungen Menschen, hier Mädchen, zu sagen.“ Karneval müsse Spaß machen, es gebe jedoch klare Grenzen, die eindeutig seien. Dazu gehöre insbesondere der Jugendschutz.

„Vereinskarneval findet, im Gegenteil zum Straßenkarneval, in einem geschützten Raum statt“, so Beutel. Deshalb sei es wichtig, dass gerade dort so etwas wie bei der Sitzung der Prinzengarde nicht passieren dürfe. Das gelte jedoch auch für den Karneval auf der Straße. Jeder, der ähnliche  Konfliktsituationen beobachte, sei aufgefordert, einzugreifen. Die übliche Ausrede, es sei Alkohol im Spiel, sei nicht akzeptabel.

Sitzungsmoderatoren könnten in Zukunft auf Schulungen geschickt werden

Grundsätzlich sei das Bützen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen im Karneval nicht vorgesehen. Es würde, wenn es „klassisch“ gemacht werde, sowieso nur rechts, links, rechts angedeutet, ohne das Gegenüber zu berühren. Auch bei Kinderprinzenpaaren sei dieses Bützen bei der Ordensverleihung oft zu sehen, sei jedoch nicht verpflichtend. Die Eltern sollten da klare Linien aufzeigen, ob es von den Kindern gewünscht ist. „Bei Corona wurde gezeigt, wie eine Verleihung auch ohne leichten Körperkontakt vollzogen werden kann“, so Beutel rückblickend.

Er möchte nach der Session das Thema mit den anderen Vereinen in der Stadt „noch einmal ganz genau besprechen“. Beutel kann sich vorstellen, die Moderatoren der Sitzungen auf die Schulungen des Bundes Deutscher Karneval (BDK) zu schicken.   

Der BDK unterhält eigene Jugendabteilungen, die sich um die Förderung von Kindern und Jugendlichen im organisierten Karneval kümmert. Neben der Förderung sei aber der Schutz sehr wichtig, sagte Dieter Wittmann, Präsident des Regionalverbandes Rhein-Sieg-Eifel. „Wir bieten Trainerschulungen an, da wird viel über diese Themen gesprochen“, erläuterte er. Kinder im Karneval müssten „gehegt und gepflegt werden“, so der Präsident. 

Bei den Sandhasen in Troisdorf gibt es seit mehr als 20 Jahren vor jeder Veranstaltung ein Briefing

„Es muss jeder respektiert werden – ob drei oder 83 Jahre alt“, stellt Paul Dobelke klar, der 1. Vorsitzende und Präsident der Troisdorfer KG Fidele Sandhasen Oberlar. Beim Lesen der Berichte über die Sitzung in Sankt Augustin sei es ihm „eiskalt den Rücken runtergelaufen“.

Schriftlich fixierte Regeln hätten sich die Sandhasen nicht gegeben. Wohl aber gebe es seit mehr als 20 Jahren vor jeder Veranstaltung ein Briefing mit allen Beteiligten – seien es Elferrat, Kellner oder Personal am Einlass. „Wir sind alle Ehrenamtler, aber auch als Ehrenamtler muss ich einen Job machen mit Anstand und Respekt.“

„Es geht darum, den Gesamteindruck der Gesellschaft in der Öffentlichkeit zu stärken“; dazu gehört für Dobelke beispielsweise auch sein Verzicht auf jeglichen Alkohol während der Sitzung. Hat er schon mal eine Kinderprinzessin gebützt? „Nein, nein, nein“, betont Dobelke. „Noch nie“.

Angesichts des Vorfalls in Sankt Augustin nun darauf zu verzichten, Kinder im Karneval auch auf die Bühne zu holen, halte er allerdings für keine gute Idee, sagte der Sandhasen-Präsident. „Es ist für die Kleinen ein Highlight, vor 1000 Zuschauern zu tanzen“, die ersten 45 Minuten einer Sandhasen-Sitzung gehörten stets dem Nachwuchs. Dem karnevalistischen Nachwuchs keine Bühne mehr zu geben, „fände ich furchtbar.“

Broschüre zu Pänzrechten als Teil eines Kinderschutzkonzeptes im Karneval

In Köln haben Kinder- und Jugendtanzgruppen mit Zartbitter, der Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch, Umgangsregeln sogar schriftlich festgehalten. Das Kölner Festkomitee hatte den Anstoß zur Broschüre „Pänzrechte im Kölner Karneval“ gegeben, die ein Baustein für ein Kinderschutzkonzept im Karneval sein soll.

Explizit heißt es darin: „Niemals dürfen Erwachsene Kinder zu einem Bützchen nötigen oder abwertende Sprüche machen“, Erwachsene müssten lernen, dazwischenzugehen, wenn jemand Kinder oder ihre Familien durch „beleidigende Worte verletzt“ werden.

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