Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Verhandlungen mit NachfolgerProfittlich verkauft seine Backstube in Sankt Augustin

Lesezeit 4 Minuten
Bäckermeister Stephan Profittlich hört am 30. September 2025 auf. Im Hintergrund sein Mitarbeiter Manuel Osterloh, der seit 1998 dabei ist.

Bäckermeister Stephan Profittlich hört am 30. September 2025 auf. Im Hintergrund sein Mitarbeiter Manuel Osterloh, der seit 1998 dabei ist.

Auch Norbert Röttgen gehört zu den Kunden des Bäckermeisters. Seine Brotrezepte finden sogar in Japan Verwendung.

„Ich wusste schon im Alter von drei Jahren, dass ich Bäcker werden will“, erinnert sich Stephan Profittlich. Dieses Handwerk faszinierte ihn. Und so war für ihn klar, dass er nach der Volksschule 1967 im Alter vom 14 Jahren seine Lehre begann, die er drei Jahre später als Prüfungsbester abschloss. „Du hast auch das Zeug fürs Gymnasium“, hatte ihm seine Lehrerin Ilse Hoffstadt damals gesagt. Doch Profittlich wollte lieber in den elterlichen Betrieb einsteigen. 1973 legte er im Alter von 20 Jahren seine Meisterprüfung ab – auch als Prüfungsbester. „Ich war damals der jüngste Bäckermeister in Deutschland.“   

Nun hört er auf. „Am 30. September 2025 ist definitiv Schluss“, kündigt der 72-Jährige an. 18 Mitarbeiter hat der Betrieb. Zwei Kaufinteressenten für die Backstube gebe es schon. „Mit einem bin ich relativ weit in den Verhandlungen“, berichtet Profittlich. An der Hauptstraße 47 in Sankt Augustin-Niederpleis werden also auch in Zukunft weiter frische Backwaren verkauft. 

Ladenlokal und Backstube von Bäckermeister Stephan Profittlich an der Hauptstraße 47 in Sankt Augustin-Niederpleis.

Ladenlokal und Backstube von Bäckermeister Stephan Profittlich an der Hauptstraße 47 in Sankt Augustin-Niederpleis.

Eigentlich, sagt der Bäckermeister, habe er bis zum Alter von 75 Jahren weitermachen wollen, doch der Fachkräftemangel lasse ihm keine andere Wahl. „Es war schon immer schwer, Bäckergesellen zu finden“, erinnert er sich an die Zeit, als sein Vater noch das Geschäft führte. Als er am 1. September 1975 den Betrieb übernahm, unterstützte ihn sein Vater, der auch Stephan mit Vornamen hieß, deswegen weiter. Im Jahr 2003 setzte sich der Altmeister mit knapp 80 Jahren zur Ruhe. Mit einem Gesellen und zwei Hilfskräften steht Profittlich nun morgens in der Backstube, nachdem der Wecker um 2 Uhr geklingelt hatte. 

Norbert Röttgen kommt auf der Gassirunde mit seinem Hund in der Finale in Stieldorf vorbei

Die Gründung von Filialen war für den Bäckermeister wichtig. „Früher haben wir zusammen mit unserem Vater täglich Brötchen ausgefahren“, berichtet er. „Ich war elf Jahre alt, mein Bruder Alfred zehn.“ Aus einem großen Korb wurden die Tüten gefüllt. Die Anzahl der Brötchen war dort mit der Hand vermerkt. „Für uns war das damals eher ein Abenteuer als Arbeit.“ Der Vater wartete im Auto mit laufendem Motor, die Jungen sprangen zu den Häusern heraus. 

Die erste Filiale eröffnete Profittlich 1990 in Siegburg auf der Wilhelmstraße. Er schloss sie 1995 und wechselte zum Edeka nach Birlinghoven. 2015 ging er mit dieser Filiale zum Netto. Im selben Jahr kam eine weitere Verkaufsstelle in Königswinter-Stieldorf hinzu. Und dort hat er prominente Kunden.„ Der Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen kommt oft morgens mit seinem Hund auf der Gassirunde vorbei“, berichtet Profittlich stolz. Auch die im Jahr 2003 gestorbene Juliane Weber, Chefsekretärin Helmut Kohls, gehörte dort zu seinen Kunden. Am 17. August wird diese Filiale schon vorher geschlossen, „weil der Mietvertrag ausläuft“.

Frisch wird der Teig morgens in der Backstube geknetet. Die Zutaten stehen im Lagerraum.

Frisch wird der Teig morgens in der Backstube geknetet. Die Zutaten stehen im Lagerraum.

Ehefrau Karin (71) kümmert sich um die Buchhaltung. Die beiden Kinder Carolina und Fabian wollten das Geschäft nicht weiterführen. Kennengelernt hatte sich das Ehepaar übrigens schon in frühester Jugend. Als Kinder spielten sie zusammen, denn Karin Hermes wohnte direkt gegenüber dem Geschäft auf einem Bauernhof. Der existiert heute nicht mehr. An seiner Stelle ist ein Mietshaus entstanden, in dem das Ehepaar wohnt.

Mit Rezepten von Profittlich wird in Fukuoka in Japan Brot gebacken

Bekannt ist Profittlich auch wegen seines Steinofenbrotes. Die Kunden hatten immer öfter danach gefragt, „deswegen haben wir im Jahr 2002 umgerüstet“. 25 Rezepte für Brote hat er inzwischen entwickelt. Goldmedaillen hat er dafür bekommen. Seit 2012 steht er ununterbrochen auf der „Feinschmecker-Liste“ der 500 besten Bäcker. Seine Rezepte werden sogar in Japan verwendet. Saeko Haratake machte im Jahr 2007 ihre Prüfung als Bäckerin bei ihm und backt nun Brot nach den Rezepten aus Niederpleis in ihrer Heimatstadt Fukuoka. „Die Nachfrage in Japan ist gut“, sagt Profittlich, der noch immer in Kontakt mit ihr ist.

Liebt deutsche Brötchen, Brot und Gebäck: Saeko Haratake lernte in Sankt Augustin das Bäckerhandwerk. Hier ein Bild aus dem Jahr 2007 kurz nach der Prüfung.

Liebt deutsche Brötchen, Brot und Gebäck: Saeko Haratake lernte in Sankt Augustin das Bäckerhandwerk. Hier ein Bild aus dem Jahr 2007 kurz nach der Prüfung.

Backen ist für Profittlich etwas Besonders. Deswegen geht er auch nicht in Rente: „Künstler gehen in den Ruhestand“, betont er.  Zu den Ladenöffnungszeiten war kaum Zeit für Urlaub. „Höchstens mal eine Woche.“ Im nächsten Jahr wird dafür mehr Zeit sein. „Meine Frau fährt gerne in den Schwarzwald, ich lieber ins Berner Oberland mit Eiger, Mönch und Jungfrau“, schwärmt Profittlich, der sich für Oldtimer interessiert. Für dieses Hobby bliebt ihm jetzt mehr Zeit. Und um die historischen Autos gemütlich zu bewegen, so hat er es sich überlegt, könnten einfach beide Ziele angesteuert werden.