„Wir haben bei uns Parallelgesellschaften ohne Ende“, sagt Ute Stedtfeld. Die Interaktion sei aber das, was eine Gemeinschaft ausmacht.
Engagement im RuhestandUte Stedtfeld aus Sankt Augustin will mit Projekten Menschen zusammenbringen

Ute Stedtfeld (2.v.l.) hat die Entstehung eines Wandbildes an der Rathausallee begleitet.
Copyright: Stedtfeld
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist an einer Wand an der Rathausallee zu lesen. Der Satz ist eingebettet in ein buntes Bild. Dazu gehören ein Herz, eine Sonne, Hände mit den Worten „Respekt“ und „Liebe“, die „Nummer gegen Kummer“, sowie der genannte erste Artikel des Grundgesetzes. Die kreativen Motive wurden gemeinschaftlich im Jugendforum „8sam!“ in Sankt Augustin entwickelt. Ute Stedtfeld hat die Aktion tatkräftig unterstützt.
Zurzeit ist die ehemalige Förderschullehrerin bei einem anderen Projekt aktiv: „Gemeinsam stark im Chor der Stimmen“. Junge und alte Menschen, die Interesse am Singen haben, sollen zusammengebracht werden. Unter dem Motto „Jede Stimme zählt, egal welches Alter, welche Nationalität, ob mit oder ohne Beeinträchtigung“ wird gemeinsam für einen Auftritt geprobt. Ein Stimmentraining ist in dem gebührenfreien Projekt ohne Vereinsbindung inbegriffen. Wer mitsingen will, kann einfach samstags von 11 bis 12.30 Uhr in die Paul-Gerhard-Straße 5 kommen.
In Sankt Augustin wird das Miteinander in der Gesellschaft mit vielen gezielten Aktionen gefördert
Stedtfeld ist offen für Kooperationen und bietet zum Beispiele über die Stadt Sankt Augustin und den Kinderschutzbund Workshops für Kinder und Jugendliche an, „um junge Menschen in ihrer Persönlichkeit zu stärken“, wie sie es formuliert. Junge Menschen bräuchten professionell strukturierte Räume, um Fertigkeiten zu erlernen, aber auch die Offenheit für individuelle Fähigkeiten, um mutig eigene Ideen zu entwickeln. Sie ist aktiv in der Seniorenbegegnungsstätte „Club“ am Rathaus, im interkulturellen Frauenkreis findet man sie, und in der Zentralen Unterbringungsstelle für Flüchtlinge steht sie als Ansprechpartnerin zur Verfügung.

Die Wand an der Rathausallee wurde bemalt.
Copyright: Stedtfeld
Allerdings immer nur für einzelne Projekte, das ist ihr wichtig. Sie möchte Netzwerke und Kontakte zwischen den verschiedenen Gruppen schaffen. „Wir haben bei uns Parallelgesellschaften ohne Ende“, berichtet sie. Die Interaktion sei, was eine Gemeinschaft ausmache. Dieses Miteinander möchte sie mit gezielten Aktionen fördern.
Geboren ist die heute 66-Jährige in der Stadt Brandenburg an der Havel, 1961 floh die Familie aus der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach „Westberlin in die Freiheit“, wie sie betont. In Arnsberg im Sauerland fand der Vater eine Anstellung als Bauingenieur. „Ich spürte damals schon als kleines Kind Vorbehalte gegen unsere Herkunft aus der DDR. Durch die Eltern wurde das Thema der ‚Ausgrenzung‘ auf mich als Kind übertragen.“
Doch sie habe diese Ausgrenzung als Ansporn empfunden, dies nicht einfach hinzunehmen, sondern Dinge zu ändern. „Ich wollte mit dem positiven Blick auf das schauen, was wir in unserem Land vorfinden. Es gibt so viele Möglichkeiten, aktiv zu sein, Menschen zu begegnen und sich für positive Veränderungen zu engagieren. Ich möchte Menschen darin unterstützen, diese zu nutzen und ihre Eigeninitiative stärken.“
Die Arbeit mit den beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen hat mir sehr gefallen. Die Schülerinnen und Schüler konnten mir menschlich viel geben.
Nach dem Abitur studierte sie in Dortmund Sonderpädagogik. Sie lernte ihren späteren Mann Bernd Stedtfeld kennen und zog mit ihm nach dem Studienabschluss nach Australien. Er hatte dort eine Stelle im Außendienst in der Möbelbranche gefunden. Ute Stedtfeld fand eine Anstellung als Lehrkraft in der Forestville Montessori School in Sydney. 1992 zog das Paar wieder nach Ostwestfalen und 1995 ins Rheinland.

Lernspiele hat Ute Stedtfeld auch entwickelt.
Copyright: Schröder
Stedtfeld arbeitete zunächst in Grundschulen in Lohmar-Birk und in Seelscheid. „Konzepte für die integrative Beschulung von Kindern mit Beeinträchtigungen habe ich mitentwickelt“, berichtet sie. 2001 wechselte an die Gutenbergschule in Sankt Augustin. In dieser Förderschule unterrichtete sie 20 Jahre lang. 2023 ging die Mutter von zwei Töchtern in Pension. „Die Arbeit mit den beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen hat mir sehr gefallen. Die Schülerinnen und Schüler konnten mir menschlich viel geben“, sagt sie. Ihre Sicht auf die täglichen Dinge des Lebens gebe einem oft zu denken, „ob wir alles eigentlich richtig machen“.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass Menschen sich aus dem Bedürfnis nach Sicherheit beziehungsweise Zugehörigkeit in Gruppen zusammenschließen.
„Wie Menschen lernen, hat die wissenschaftliche Forschung beschäftigt und nicht nur die Lernlandschaften in Schulen verändert“, berichtet sie. Die Angebotspalette an digitalen wie analogen Bildungsmöglichkeiten erweitere sich stetig und sei für alle zugänglich. Für Ute Stedtfeld war das auch ein Thema, und so gab es eine Lebensphase, in der sie didaktische Lernspiele entwickelte, um dem kindlichen Bedürfnis nach Lernen entsprechende Anregungen zu bieten.
Das war in der aktiven Phase als Vorstandsmitglied im Montessori-Kindergarten, den auch die eigenen Kinder besuchten. Die Spieleexemplare landeten im Archiv, weil ein beruflicher Wechsel zur Arbeit mit Jugendlichen andere Schwerpunkte setzte.
Was ist normal in unserer Gesellschaft? Was ist richtig, was ist falsch? „Das sind Fragen, die nicht einfach zu beantworten sind“, kommentiert Stedtfeld. „Es ist keine neue Erkenntnis, dass Menschen sich aus dem Bedürfnis nach Sicherheit beziehungsweise Zugehörigkeit in Gruppen zusammenschließen.“ Es dürften aber keine Parallelgesellschaften entstehen, in denen sich Menschen abschotteten.
Dabei geht es Ute Stedtfeld um Öffnung nach außen ebenso wie um Verständigung miteinander. „Wir leben in einer Gesellschaft mit einem gesunden Rechtssystem und freien Entfaltungsmöglichkeiten, und wenn ich zurückblicke, weiß ich, dafür haben unsere Vorfahren hart gekämpft. Leider werden in sehr vielen Regionen dieser Erde noch immer Menschenrechte verletzt.“ Es liege in der persönlichen Verantwortung jedes einzelnen Menschen, sich dafür einzusetzen, dass sich dies ändere.
Stedtfeld sieht ihre Aufgabe darin, Brücken zwischen den Menschen zu bauen. Dabei müsse die Demokratie als Staatsform immer im Vordergrund stehen: „Unsere Vorfahren haben dafür gekämpft, wir müssen diese Errungenschaft verteidigen.“