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Vor 77 JahrenNazis erschießen in Siegburg drei Luxemburger Widerstandskämpfer

3 min
Uhlrather_Hof_Rosemann

Bürgermeister Stefan Rosemann hielt eine Gedenkrede am Uhlrather  Hof.

Siegburg – Hätte es der Gemeindesekretär Marcel Charpentier (20) irgendwann zum Bürgermeister gebracht? Und hätte sich Frisör Camille Körner (19) vielleicht seinen Traum erfüllt und einen eigenen Salon eröffnet? Oder hätte sich der Musiker und Bankangestellte Jean Bück (23) möglicherweise für die Karriere auf der Bühne entschieden und wäre sogar berühmt geworden? Das „Hätte“ war spätestens in dem Moment bedeutungslos, als am 23. August 1944 Gewehrkugeln das Leben der jungen Männer auslöschten, ihnen ihre Zukunft und Träume raubten und sie ihren Familien entrissen.

Bei der Kranzniederlegung am Uhlrather Hof – heute eine kleine Steinruine zwischen Bundesstraße 56 und Agger – gedachten Siegburger am Sonntag der drei Luxemburger, die hier vor 77 Jahren von den Nationalsozialisten exekutiert wurden. Bürgermeister Stefan Rosemann schilderte in seiner Gedenkrede nüchtern die Chronologie des unfassbaren Geschehens, das in einem dreifachen Mord endete.

Junge Luxemburger gehörten der Resistance in Frankreich an

Die drei Männer, kaum dem Jungenalter entwachsen, mussten demnach ihr Leben lassen, weil Menschen ein Recht vertraten, das der Paranoia eines Massenmörders entwachsen war. Die Luxemburger saßen in Siegburg im Gefängnis, weil sie sich der Zwangsrekrutierung in die Wehrmacht entzogen und sich Freiheitskämpfern in Frankreich angeschlossen hatten.

Zunächst wartete auf sie die Todesstrafe, Generaloberst Fromm wandelte die Todesurteile in eine lebenslängliche Haftstrafe um.

Uhlrather_Hof_Gedenktafel

Diesen Gnadenerlass hob Heinrich Himmler nach der Erschießung eines Nazi-Statthalters in Luxemburg (am Tag des Hitlerattentats am 20. Juli 1944) auf. Rosemann: „Die braunen Besatzer rasen. Köpfe sollen rollen. Zehn Köpfe. Drei davon in Siegburg.“

Der folgende formale Akt lässt einen erschaudern, und man sah fassungslose Gesichter der Besucher der Gedenkzeremonie: „Diejenigen, die die Zivilisation verachten . . . ordnen kalt an, geben den Exekutionsbefehl weiter. Von Himmler in Berlin zu Oberkriegsgerichtsrat Karl Rath in Trier, weiter zur Anstaltsleitung (in Siegburg) und den stellvertretenden Leiter Hofmann. Der begibt sich pflichtschuldig zu Staatsanwalt Otto Schulz. Die Gewehre soll der Sicherheitsdienst der SS bedienen. »Wir haben niemanden«, erhält die Anstalt als Antwort zurück. »Macht es selbst!« – Sie machten es selbst.“

Am 23. August 1944 frühmorgens wird das Trio aus den Zellen geholt, man informiert jeden über die Exekution. Die letzte Hoffnung schwindet, der letzte Blick der Männer richtet sich auf den Anstaltsgeistlichen Johannes Münster, heißt es in Aufzeichnungen der Stadt. Und: „Bück stirbt mit dem laut ausgesprochenen Ruf »Jesus, meine Zuversicht« auf den Lippen.“ Möglicherweise an der Stelle, wo am Sonntag ein Kranz in den Nationalfarben Luxemburgs an sie erinnerte.

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„Zentrales Charakteristikum ist von Anbeginn die Rache“, sagte der Bürgermeister abschließend über die Zeit des Hitler-Deutschlands. Rache habe sich als „blutroter Faden“ auch durch Siegburg gezogen. Aus seinen Beispielen ragte als abscheulichstes die Erschießung von Martha und Karl Heublein, sowie Jean Pierre May heraus, die wegen „Begünstigung eines hochverräterischen Unternehmens“ erschossen wurden. Sie hatten in Köln mit Gleichgesinnten Flugblätter verteilt.