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PapstwahlWie zwei Ärzte aus Siegburg 1958 ins Konklave kamen

Lesezeit 5 Minuten
Siegburger Ärzte begleiteten 1958 einen Kardinal zum Konklave, Johannes XXIII. dankte Alfred Möhlenbruch (2.v.l.) Rechts: Kardinal Thomas Tien Ken-sin.

Siegburger Ärzte begleiteten 1958 einen Kardinal zum Konklave, Johannes XXIII. dankte Alfred Möhlenbruch (2.v.l.). Rechts: Kardinal Thomas Tien Ken-sin.

Alfred Möhlenbruch und Norbert Zylka begleiteten Kardinal Thomas Tien Kien-sin nach Rom und erlebten die Wahl von Johannes XXIII. mit.   

Weißer Rauch oder schwarzer Rauch? Ist ein neuer Papst gewählt, oder strapazieren die Kardinäle die Geduld von 1,4 Milliarden Katholiken weiter? Die Frage wird ab dem 7. Mai die Weltöffentlichkeit einmal mehr beschäftigen – wie die Spekulationen darüber, was im Konklave hinter den verschlossenen Türen eigentlich passiert.

Darüber schwieg sich auch der Hennefer Arzt Dr. Alfred Möhlenbruch (1912-1973)  aus, der 1958 einen gewissen Anteil an der Wahl des  Reformpapstes Johannes XXIII. hatte: Als Laie wurde er unversehens  „Konklavist“.  „Man darf nicht darüber sprechen, was im Konklave passiert, und das hat mein Vater auch nicht gemacht“, erinnert sich Sohn Rudolf Möhlenbruch, der damals zwölf Jahre alt war.

Reise in den Vatikan: „Das Erlebnis seines Lebens“

Das „ganze Drumherum“ unterliege aber nicht der Schweigepflicht, und so machte sich der Sohn daran, einen Text für die Beiträge zur Geschichte der Stadt Hennef zu schreiben, der 2011 erschien. „Das war das Erlebnis seines Lebens“, sagt er über die Reise des Vaters in den Vatikan, die er anhand von Dokumenten und Zeitzeugen rekonstruierte, für einen lebendigen und packenden Bericht. 

Alles begann am 9. Oktober 1958 mit dem Tod von Papst Pius XII. Für das folgende Konklave galt Kardinal Thomas Tien Ken-sin (1890-1967), der damals erste und bisher einzige Erzbischof von Peking, der eigentlich im Exil in den Vereinigten Staaten lebte, als besonders wichtiger Vertreter der Missionskirche, wie Rudolf Möhlenbruch notierte.

Doch der Geistliche war am 13. August bei einem Autounfall auf der B56 schwer verletzt worden. Er wollte das Kloster der Steyler Missionare besuchen, deren Gemeinschaft er seit 1929 angehörte. Der kleine Volkswagen, in dem er fuhr, kollidierte mit einem Lastwagen. Alfred Möhlenbruch und ein weiterer Arzt im Siegburger Krankenhaus, Dr. Norbert Zylka, veranlassten Bluttransfusionen und mussten vor allem den „völlig zerschmetterten leblosen rechten Arm“ des Kardinals retten.

Das alte Siegburger Krankenhaus

Das alte Siegburger Krankenhaus

Kardinal Tien Ken-sin habe in seiner Trauer um den Papst zunächst gar nicht an die Teilnahme am Konklave gedacht, gleichzeitig aber Briefe aus aller Welt mit Bitten bekommen, teilzunehmen, schreibt Möhlenbruch. Schließlich fragte Kardinal Josef Frings im Auftrag des mit dem Konklave betrauten Kardinaldekans persönlich bei Möhlenbruch und Zylka nach, ob vom ärztlichen Standpunkt aus eine Teilnahme möglich sei.

Diese bejahten, und ihre erforderliche Begleitung als Konklavisten wurde gebilligt. Die Prüfung, „ob die Laien Personen mit besten Sitten, seriös und dem Heiligen Stuhl aufrichtig ergeben“ seien, blieb Möhlenbruch zufolge den beiden erspart. Auch darum hatte sich Kardinal Frings gekümmert. Die Condor-Luftreederei stellte am 23. Oktober eine Sondermaschine nach Rom zur Verfügung.

Große Menschenmenge zum Abschied vor dem Siegburger Krankenhaus

Eine große Menschenmenge verabschiedete die Reisenden vor dem Siegburger Krankenhaus, „viele Prominente aus Politik und Kirche, fast das ganze Personal des Krankenhauses und auch viele Patienten, soweit sie gehfähig waren“, zitiert der Autor den „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch am Flughafen Köln/Bonn warteten viele Menschen, dann ging es in die Ewige Stadt.

Am 25. Oktober wurden der Kardinal und seine Ärzte in den Apostolischen Palast geleitet und durch den Damasushof in den abgeschotteten und zugemauerten Konklaveraum. 51 Kardinäle wählten damals. Heute sind es 135, die einen Nachfolger für Papst Franziskus finden müssen.

Die Wohnräume wurden ausgelost, woraufhin Möhlenbruch und Zylka erleichtert feststellten, dass es fließend Wasser und eine Zentralheizung gab. Badezimmer seien nicht vorgesehen gewesen. Man hatte den Eindruck, in einem alten Schloss zu sein, in dem „vornehme Obdachlose“ nach einer Katastrophe notdürftig beherbergt würden, schreibt Rudolf Möhlenbruch.

Kardinal Thomas Tien Ken-sin (liegend)  mit seinem persönlichen Sekretär Pater Johannes Fleckner (links) nach der Landung in Rom.

Kardinal Thomas Tien Ken-sin (liegend) mit seinem persönlichen Sekretär Pater Johannes Fleckner (links) nach der Landung in Rom.

Kardinal Frings wurde im Lapidarium untergebracht, einer Inschriftensammlung des Vatikanischen Museums.  Gegessen wurde „im historischen und prunkhaften Waffensaal der Borgias, ausgerechnet dort, wo einst Papst Alexander VI. seine berüchtigten Feste feierte, saßen die Kardinäle gemeinsam zu Tisch, mit goldenem Besteck“, auch das entnahm Möhlenbruch dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auf kostbarem Porzellan habe es allerdings nur „sehr spärliche Fastenrationen“ gegeben.

Norbert Zylka schilderte die Ereignisse 1985 in seinem Buch „Mein Herz blieb stehen“: Kardinal Tien Ken-sin sei glücklich über die Wahl des neuen Papstes gewesen, aber auch froh, das Konklave überstanden zu haben. Johannes XXIII. dankte später den Ärzten und segnete sie, „ein großer Augenblick für meinen Vater“, schreibt der Sohn. Für den Kardinal ging es noch einmal zum Abschluss seiner Behandlung nach Siegburg, zu der eine weitere Operation durch Alfred Möhlenbruch gehörte.

Hoffnungsträger für eine der Zukunft zugewandte Kirche

Rudolf Möhlenbruch geht auch auf die Sensation ein, die die Wahl von Angelo Giuseppe Roncalli am 28. Oktober bedeutete. Der wurde mit seinem Alter von 77 Jahren bestenfalls als Übergangspapst gesehen, schrieb dann aber als Johannes XXIII. Kirchengeschichte. Mit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils wurde er zum Hoffnungsträger für eine der Zukunft zugewandte Kirche.

Alfred Möhlenbruch starb 1973 im Alter von 61 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. 1912 geboren, hatte er in Heidelberg und Münster Medizin studiert und während des Zweiten Weltkriegs als Chirurg in drei Kliniken im Ruhrgebiet gearbeitet. Nach Kriegsende setzte ihn die Alliierte Militärregierung als Chefarzt des Städtischen Krankenhauses Siegburg ein. Im neuen Siegburger Krankenhaus wurde er ab 1967/68 Chefarzt und Leiter der Chirurgie. Er lebte mit seiner Familie in Hennef, Rudolf Möhlenbruch hat vier Brüder.

In Briefen redete Kardinal Tien Ken-sin Alfred Möhlenbruch, der kein Honorar in Rechnung stellte, als „Lieber Freund“ an. Die weitere Heilung, so schreibt der Sohn, sei so günstig verlaufen, dass Tien Ken-sin einen neuen Missionsauftrag in Taiwan angenommen habe. Im Auftrag des neuen Papstes übernahm er die Verwaltung des Erzbistums Taipei, wo er Impulse zum Ausbau der Missionswerke und zur Errichtung von Schulen. Krankenhäusern und einer Universität gab.

Zu Rittern des Gregoriusordens ernannt

Rudolf Möhlenbruch schließt mit einer Anekdote: Die beiden Ärzte waren für ihre Verdienste zu Rittern (Commendatore) des Gregoriusordens ernannt worden, mit allen verbundenen Privilegien. Alfred Möhlenbruch wollte später genau wissen, was es damit genau auf sich hatte, was aber erst der Sohn 2010 herausfand.

So sei es den Rittern des Ordens erlaubt, hoch zu Pferde in den Petersdom einzureiten, wie Möhlenbruch einer Festansprache des Kardinals Joachim Meisner entnahm. Es sei aber nicht bekannt, wann und von wem dieses Privileg in Anspruch genommen worden sei. „Schade, dass ich das meinem Vater nicht mehr sagen konnte. Er hätte bestimmt herzlich darüber gelacht.“