Die britische Organistin präsentierte Werke aus Film und Klassik wie „Star Wars“, „Interstellar“ oder den Dornröschen-Walzer von Tschaikowksi.
„Herr der Ringe“-ArrangementOrgelstar Anna Lapwood begeistert Fans in Troisdorf

Orgelstar Anna Lapwood gab ein Konzert in Troisdorf-Sieglar.
Copyright: Peter Lorber
Die Töne drangen mit einer solchen Kraft durch das Kirchenschiff, dass das Wummern noch in den Sitzbänken spürbar war. Im Publikum regte sich niemand, alle schauten gebannt auf die Leinwand, die unter der Orgelempore hing. Zu sehen waren die Hände von Anna Lapwood, die wild über die Tastatur wanderten.
Ohne zu fragen, dürfte sich Anna Lapwood (30) wohl nach Belieben an den besten Orgeln der Welt bedienen. Sie ist der globale Topstar an der Pfeifenorgel und gab in St. Johannes Sieglar ein sensationelles Konzert. Popkonzerttaugliches Kreischen, laute Bravos und euphorischer Beifall gab es oft schon zwischen den Stücken. Mit dem letzten Akkord der Welturaufführung ihrer Transkription eines Stücks aus Howard Shores „Der Herr der Ringe“-Filmmusik mündeten am Konzertende die Bekundungen in Standing Ovations.
Anna Lapwood in Troisdorf: Sie feierte nach jedem Stück die Orgel, Gäste und sich selbst
Erlebt hatten die rund 700 Gäste eine Virtuosin, die trotz des Hypes um sie bodenständig geblieben ist und wie ein ausgelassener Teenager und emphatisch nach jedem Stück die herrliche Musik, das Publikum und wohl auch ein bisschen sich selbst feierte. Was sie durfte, denn meist waren es Gratwanderungen auf höchstem technischen Level, mit vielen Fallen und Stolpersteinen.

Anna Lapwood mit Frank Baquet, Leiter des Kunsthauses Troisdorf und Organisator des Orgelkonzerts.
Copyright: Peter Lorber
Ihre erste Reaktion galt indes jedes Mal der Orgel von St. Johannes, der sie sich zuwandte und Respekt zollte. Schon beim achtstündigen (!) Registrieren des Instruments am Vortag habe die Britin, die zudem singt, Chöre leitet, Klavier, Harfe und Geige spielt, die Orgel in höchsten Tönen gelobt, berichtete Organisator und Ideengeber Frank Baquet, Leiter des Kunsthauses Troisdorf.
Vor 20 Monaten hatte Baquet bei Lapwoods Management angefragt. „Ich habe eher nicht damit gerechnet, dass es klappt“, berichtete Baquet. „Heute wäre es wahrscheinlich nicht mehr möglich, sie ist für die kommenden drei Jahre ausgebucht.“
Ansturm wie auf Kölner Dom sollte in Troisdorf vermieden werden
Er habe unter anderem Anfragen aus Holland für Konzerttickets erhalten, so Baquet. Im Vorhinein waren viele organisatorische Herausforderungen zu stemmen. Baquet hatte vom Ansturm auf den Kölner Dom gehört, als Anna Lapwood dort im Sommer kostenlos spielte. Kilometerlang wand sich die Schlange von 13.000 Menschen durch die Innenstadt, die das Konzert erleben wollten. Auch als in Anbetracht der Menge spontan ein zweites Konzert gespielt wurde, kamen nicht mehr alle in die Kathedrale.
Solch ein Ansturm sollte in Troisdorf vermieden und werden, deshalb gab es ein begrenztes Kontingent an Eintrittskarten. Zudem organisierte Frank Baquet extra Security, die den Einlass regeln sollte – mit Erfolg. Alles lief reibungslos.
Damit zieht es ja auch wieder mehr jüngere Leute in die Konzerte.
Viele Gäste in Troisdorf und coram publico auch Hausherr und Kantor Hans-Peter Retzmann bedankten sich daher bei Baquet für sein Engagement. Zurecht, erlebten sie doch hoch virtuose zweieinhalb Stunden. Sie sei eine „Vermittlerin der Gegenwartsmusik“ mit der Orgel, sagte Retzmann in Richtung Lapwood. Die Programmzusammenstellung gab dem Recht.
Filmmusik von Hans Zimmer und John Williams standen mit hohem Wiedererkennungswert im Mittelpunkt, allesamt von Lapwood selbst transkribiert. In der Anlage ähnelten sich die Stücke dahingehend, dass die einleitenden, zarten und samtweichen Melodien an Lautstärke und Klangumfang zunahmen, bis schließlich turmhohe Klanggebirge das Gotteshaus fluteten und in den Tutti das Leistungsvermögen der Orgel ausloteten.
Viele Gäste erlebten Orgelstar Anna Lapwood zum ersten Mal live
Da glaubte man bisweilen, den Schalldruck körperlich wahrzunehmen. Alles meisterte Lapwood mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit und geschmeidig registrierter Dynamik. Bei Robbie Williams’ „Angels“ wurde dieser Effekt gefeiert, als sie die zarten Worte der Textzeile „And through it all she offers me protection“ mit eindringlicher Wucht musikalisch beschrieb. Auch der träumerische Dornröschen-Walzer von Tschaikowski redete dem Märchenhaften das Wort, während in Olivia Bellis „Limina Luminis“ die Schwellen des Lichts als zarter Schein das Gemüt erreichten.
Für viele Gäste war es das erste Mal, dass sie Anna Lapwood live erlebten. Frank Berthold aus Köln war mit seiner Schwester und seinem Schwager aus Dresden in Troisdorf. Ihm war die Organistin wärmstens empfohlen worden. „Ich konnte sogar am Einlass ein paar Worte mit ihr wechseln“, sagte der 77-Jährige. Ihn interessiere vor allem die Abwechslung ihrer Musik. „Es ist schön, auch mal etwas anderes als Klassisches auf der Orgel zu hören“, sagte der Kölner. „Damit zieht es ja auch wieder mehr jüngere Leute in die Konzerte“, betonte Schwager Lothar Denne und deutete auf das bunt gemischte Publikum aus Familien, Kindern, Jugendlichen und Älteren.

Volles Haus in der St. Johannes Kirche in Sieglar: Beim Konzert des Orgelstars Anna Lapwood blieb kein Platz leer. Sie sprach immer wieder von der Orgelempore aus zum Publikum.
Copyright: Peter Lorber
Mit der gleichen Begeisterung, mit der Anna Lapwood am Spieltisch agierte, moderierte sie das Konzert. Wobei sie neben Erläuterungen zu Werk und Technik auch Zeit für eine Durchsage an einen Fahrzeughalter fand, doch bitte zu seinem Wagen zu kommen, das Auto stehe im Weg.
Freude des Orgelstars übertrug sich auf die Gäste in Troisdorf
Lapwoods quirlige Freude übertrug sich auf die Gäste. Während der Spielpausen war die gelöste und freudige Stimmung im Kirchenraum förmlich greifbar. Viele begeisterte Fans warteten nach dem Konzert geduldig auf den Orgelstar und hofften auf ein Autogramm oder Foto. Und sie wurden nicht enttäuscht. Mehr als eine Stunde Zeit nahm sich Anna Lapwood für ihre Fans, begrüßte jeden einzelnen mit einer Umarmung, unterschrieb Autogramme, stand für Selfies bereit und unterhielt sich mit den Gästen.

Eine lange Schlange an Fans bildete sich, die nach dem Konzert noch ein Autogramm oder ein Foto von Anna Lapwood ergattern wollten.
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Darunter war auch Tanja Bender aus Neunkirchen-Seelscheid. Es war ihr erstes Anna-Lapwood-Konzert, und sie zeigte sich hellauf begeistert. „Es ist großartig, was sie hier spielt. Ich hatte früher eine Freundin, die Orgel spielte, und war schon immer beeindruckt, was für einen Körpereinsatz das erfordert.“
Sie liebe alle Art von Musik, immer schon, betonte Bender. „Aber als Anna Lapwood auf der Orgel das Stück ‚Experience‘ von Ludovico Einaudi zum Besten gab, kamen mir einfach die Tränen.“