Schau in NeussDiese Ausstellung macht alle Kaffee-Freunde munter

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Eine Kaffeemaschine steht in einem Raum in der Ausstellung in Neuss.

Auch abenteuerliche Kaffeemaschinen fehlen nicht in Neuss.

Das Clemens Sels Museum Neuss widmet sich der Kaffeekultur. Dabei wird der Besucher auf eine Zeitreise durch 350 Jahre rund um den Muntermacher geschickt.

Jeder kennt ihn. Fast jeder trinkt ihn. „Aber wo kommt eigentlich der Kaffee her?“, fragt eine Kinderstimme, nachdem man den QR-Code unterm Bild mit der dampfenden Tasse angeklickt hat. Die Ausstellung „Kaffee ist fertig! Karriere eines Heißgetränks“ beantwortet im Clemens Sels Museum Neuss nicht nur diese Frage und füllt viele andere Wissenslücken rund um das trinkbare Genussmittel, sondern lädt ein zu einer Zeitreise durch 350 Jahre, in denen es vom exotischen Luxusgut zum Wachmacher für alle Welt wurde.

Es ist eine ebenso spannende wie abwechslungsreiche Reise, deren Stationen vom Erdgeschoss übers Treppenhaus bis hinauf in den zweiten Stock führen. Wer mag, kann sich gleich im Foyer auf das, was kommt, genussvoll einstellen. Mit frisch Aufgebrühtem aus der Maschine im Café, wo mit Kissen gepolsterte Bistrostühle an den runden Tischen auch nach dem Besuch zum Verweilen einladen.

Eine Rösttrommel der im Neusser Hafen ansässigen Firma Bazzar dient als gewaltiger Blickfang und in kleinen Schraubgläschen zeigt sich, anhand der unterschiedlichen Farbe und Körnung, dass Kaffee nicht gleich Kaffee ist. „Die Frage ist: Welche Bohne nehme ich? Es gibt mehr als 100 verschiedene Sorten, aber nur zwei, die wirtschaftlich sind: Arabica und Robusta“, sagt der Kurator der Ausstellung Dr. Carl Pause.

Kaffeekonsum war Ausdruck eines exotischen Reizes

Je nach Anbaugebiet und Temperatur, Regenmenge und Sonnenscheinstärke, Bodenbeschaffenheit und Ernteweise, der Art der Aufbereitung und Mischung, abhängig vom Röstverfahren und der Zubereitung sind sie säurereich oder –arm, kräftig oder leicht, mild oder stark. Sie können nach Schokolade oder Nüssen, Blumen oder Früchten schmecken, rauchig, bitter oder erdig. Sich wenigstens olfaktorisch, also per Dufterlebnis, einen Eindruck davon zu verschaffen, ist leider nicht erlaubt, die Gläschen mit den Kaffeeproben müssen zu bleiben. „Vor Corona wäre das anders gewesen“, sagt Pause und ihm ist anzumerken, wie sehr er das bedauert.

Nachdem nun im Erdgeschoss die grundlegenden Fragen – Was ist Kaffee? Wo kommt er her? Wie wird er gemacht? – beantwortet worden sind, kann man gut gerüstet der Historie des duftenden Gebräus und seinem Werdegang nachspüren. Vorbei am Panorama einer Plantage, auf der die Kaffeekirschen zur vollen Röte herangereift sind, geht es treppaufwärts zum Hauptteil der Schau rund um den heiß geliebten schwarzen Aufguss.

Mühlen, Dosen, Kannen, Waagen – viele Exponate illustrieren die Zeitreise durch 350 Jahre Kaffeekultur.

Mühlen, Dosen, Kannen, Waagen – viele Exponate illustrieren die Zeitreise durch 350 Jahre Kaffeekultur.

Den man noch bis ins 19. Jahrhundert hinein auch „Türkentrunk“ nannte, weil der „Caffee“ in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert übers Osmanische Reich nach Europa gelangte. Was damals keineswegs fremdenfeindlich zu verstehen war. Sondern vielmehr als Ausdruck eines exotischen Reizes, dem 1723 auch der Kupferstecher Christoph Weigel huldigte, als er „Eine Türckin die Caffee trinkt“ mit ihrer Dienerin schuf. „Am Anfang war Kaffee nur etwas für reiche Leute und vermögende Bürger“, sagt Pause. Nur sie konnten sich den Besuch der ersten europäischen Kaffeehäuser in Venedig (1647) oder Den Haag (1664) leisten, die Neusser hingegen mussten sich länger gedulden: „Hier wurde zum ersten Mal um 1700 Kaffee getrunken.“

Es gibt mehr als 100 verschiedene Sorten, aber nur zwei, die wirtschaftlich sind: Arabica und Robusta.
Dr. Carl Pause, Kurator

Über einem Arrangement grober, brauner Jutesäcke mit Kaffeeaufdruck kreuzen Galeonen und Küstenfahrer auf bewegter See vor Dordrecht. Das großformatige, um 1650 entstandene Ölgemälde von Jacob Adriaenz Bellevois erinnert mit von Sturm (und sicher auch Stolz) geblähten Segeln daran, wer im 17. Jahrhundert den Kaffeehandel beherrschte: die Niederländer. Sie waren auch die ersten, die eigene Plantagen in Übersee bewirtschafteten, ein Beispiel, dem erst Frankreich und dann weitere europäische Nationen folgten: „Die Geschichte des Kaffees handelt auch von Globalisierung und Kolonialismus, von der Ausbeutung von schwarzen Menschen durch weiße Menschen.“ Was auf Bildern aus dieser Zeit allerdings idyllisch verharmlost wird.

Unterschalen chinesischer „Koppchen“, henkellose Tassen, die aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammen und in einem Neusser Brunnen gefunden wurden, belegen, dass Kaffee da noch teures Importgut war. Das entsprechend luxuriös serviert und genossen werden wollte: „Wenige Jahrzehnte später war der Muntermacher zu einem Volksgut geworden.“ Das spiegeln Kopien der chinesischen Vorbilder, aber auch die Kaffeekannen und Milchkännchen aus robuster Irdenware, die in Neuss für den kleinen Geldbeutel produziert wurden.

Rituale wie der „Beerdigungskaffee“, das „Kaffeekränzchen“ (für Frauen galten Kaffeehäuser als unschicklich) oder der „Kinderkaffee“ (getrunken mit Milch und Zucker, dazu gab es Weißbrot) bürgerten sich ein. Das Kaffeetrinken wird auf Ölgemälden idealisiert, auf Holzschnitten verspottet und per Gesetz sogar verboten. Das Volk, so befand der Paderborner Fürstbischof Wilhelm Anton 1781, solle sich des „entbehrlichen fremdländischen Produkts“ enthalten und sein „geringes Vermögen nicht erschöpfen, sondern mit einheimischen und auch zur Arbeit mehr Kraft gebenden Nahrungsmitteln sich begnügen.“

Viele Jahre lohnende Schmuggelware

Dennoch ist der Siegeszug des Kaffees nicht aufzuhalten. Bis zur Erfindung des „Coffee to go“ im Pappbecher mit Deckel vergehen zwar noch rund 100 Jahre, aber das Clemens Sels Museum weiß diesen Zeitraum durchaus zu füllen. Auch mit der Frage nach dem perfekten Kaffee. Wie schmeckt der am besten? Als türkischer Mokka aus der „Cezve“? Zubereitet in der Pressstempelkanne oder dem Perkolator? Aus der Caffetiera oder dem Syphon-Kaffeezubereiter? Mit Einwegfilter oder im Prüttverfahren? Auch Instantkaffee (erstmals entwickelt 1881) ist Thema. Sieht im Vergleich zum Espresso aber blass aus. Dem „kleinen Italiener“ widmen die Neusser eine eigene Abteilung. In der nicht nur Kaffee-Fans angesichts des chromblitzenden Maschinenparks ins Schwärmen geraten können.

Bisweilen gerät die Geschichte der begehrten Bohne spannend wie ein Krimi. Während Napoleons Kontinentalsperre wird sie hemmungslos geschmuggelt, auch im Zweiten Weltkrieg und danach. Die „Aachener Kaffeefront“, bis 1953 zwischen Belgien, den Niederlanden und Deutschland verlaufend, ist legendär: „Im Eifeldorf Mützenich wurden 47 Bewohner wegen Schmuggels verhaftet, darunter Hausfrauen, Handwerker, Bauern, Kraftfahrer.“

Mal blickt die Ausstellung direkt vor die Haustür (Kaffee in Neuss), mal in die weite Ferne (Kaffeezeremonie in Äthiopien). Und schlägt dabei durchaus auch kritische Töne an. So erfährt man im Film der Geschichtswerkstatt am Neusser Gymnasium, dass der Kopi Luwak-Kaffee, der in Indonesien aus unverdauten Bohnen im Kot von Schleichkatzen gewonnen wird, im doppelten Sinne teuer bezahlt ist. Nicht nur mit irrsinnig viel Geld (eine Tasse kostet in den USA bis zu 80 Dollar), sondern auch mit der Qual der Tiere. Sie werden eng in Käfigen gehalten und mit den Bohnen gemästet.

Den Katzenquäl-Kaffee kann man hier, selbstredend, nicht kaufen. Dafür aber einen, der von der Neusser Bazzar-Rösterei als spezielle Museumsedition kreiert wurde. Die 250 Gramm-Packung mit Hondurischem Arabica schmückt das ansprechende Plakatmotiv mit der dampfenden Tasse: „Der Kaffee ist fertig!“

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