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Schlebuscher InnenstadtGeschäftsleute stehen vor den Trümmern ihrer Existenz

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Die Adler-Apotheke ist mit Absperrband weiträumig abgesperrt, damit auch der letzte versteht, dass es her aktuell keine Medikamente gibt. In der Fußgängerzone häufen sich die Trümmer.

Die Adler-Apotheke ist mit Absperrband weiträumig abgesperrt, damit auch der letzte versteht, dass es her aktuell keine Medikamente gibt. In der Fußgängerzone häufen sich die Trümmer.

Leverkusen – Serif Limani treten regelmäßig die Tränen in die Augen. Vor Trauer und Existenzangst, wenn die verschlammten Kölschgläser klirrend in den Container scheppern und ein Kühlschrank nach dem anderen aus dem Keller des Schlebuscher Pfannkuchenhaus Ferger getragen wird. Das komplette Inventar ist hinüber, die Haustechnik sowieso. Erst Corona, dann die Flut. „Ich fange bei Minus Null an“, sagt der Wirt. Aber, er will wieder anfangen, trotz allem, was soll er sonst machen? „Ich habe noch nie Angst vor Arbeit gehabt. Niemals aufgeben.“ Und das Wichtigste sei ja überhaupt, dass alle Menschen außer Gefahr sind. Und dann ist da ja auch noch der zweite Grund, der ihn zu Tränen rührt: Die vielen Helfer, die mit anpacken und Schokolade und liebe Worte spenden. „Dieses Dorf ist einfach einmalig“, sagt Limani.

Aber es ist schwer getroffen. „Das ist eine große Katastrophe“, sagt Thomas Ratte von der Werbe- und Fördergemeinschaft (WfG), der auch im Hof des Pfannkuchenhauses steht und anpackt. „Die Elektronik ist komplett abgesoffen, in einigen Häusern muss die Bausubstanz komplett neu aufgebaut werden.“ Von der Einrichtung ganz zu schweigen.

Keine Versicherung

Das ganze Ausmaß für die Geschäftstreibenden der Schlebuscher City mag der WfG-Vorsitzende Ulrich Kämmerling im Moment noch nicht abschätzen. „Wir haben alles: Von Geschäften, die relativ glimpflich davongekommen sind, weil sie auf der richtigen Seite des Stromes lagen, bis zu Totalschäden.“ Während einige schon wieder öffnen, werden andere möglicherweise über Monate geschlossen bleiben, wenn sie überhaupt wieder eröffnen können. Denn viele Unternehmer hatten auch keine Versicherungen, die einspringt.

Wasserschaden

Das Alte Bürgermeisteramt in der Schlebuscher Fußgängerzone ist ebenfalls schwer vom Hochwasser beschädigt worden. Die Betreiber weisen daher darauf hin, dass die Einrichtung zur Behebung der Wasserschäden geschlossen bleibt. „Wir hoffen auf Wiederöffnung Anfang August“, schreibt Ina Schwarz. (stes)

Zu Ihnen zählt auch Michael Scheuß, der den kleinen Laden „Genuss im Dorf“ betreibt. Neben dem klassischen Büdchen mit Lotto und Kaffee gibt es hier hochwertige Tabakwaren und hauseigene Linien an Hochprozentigem. „Elementarversicherung? Das brauchst Du hier doch nicht, hat mein Versicherungsmakler mir gesagt“, klagt Scheuß, der in schlammigen Klamotten erschöpft vor dem Laden sitzt. „Ich bin gegen alles mögliche versichert: Terror, Flugzeugabsturz. Aber gegen Hochwasser nicht.“ Und nicht nur der Versicherungsmakler ärgert ihn, auch die Leute, die sich beschweren, dass sie gerade kein Lotto spielen können oder die über alles herfallen, was vor der Tür steht: „Da muss ich einen zum Aufpassen hinsetzten, dass die nicht alles mitnehmen.“ Nicht alles, was auf der Straße steht, ist Sperrmüll, und schon gar kein Freiwild.

Auf der zur Dhünn gewandten Seite der Fußgängerzone sind fast alle Läden geschlossen, Strom haben die wenigsten. Etwas besser sieht es auf der anderen Straßenseite aus, zumindest im oberen und mittleren Teil der Bergischen Landstraße. Das Eiscafé Minini hat seit Mittwoch wieder geöffnet. „Wir haben großes Glück gehabt“, sagt ein Mitarbeiter. Zum einen sei Wasser nur in den Keller gelaufen und nicht in das leicht erhöhte Ladenlokal. Zum anderen war das Eiscafé am Mittwoch der Flutkatastrophe geschlossen – wegen eines Impftermins. „Deswegen waren die ganzen Eistruhen ohnehin abgeschaltet und konnten keinen Schaden nehmen.“ Allerdings ist die Eisküche, die sich im Hinterhof des gegenüberliegenden „Café im Dorf“ befindet, bis auf weiteres unbrauchbar. Daher beziehen die Schlebuscher ihr Eis erst einmal aus der Filiale in Wiesdorf.

Schuhe fliegen in den Müll

Im Schuhgeschäft Kocken nebenan schmeißen Sebastian Kamp und seine Helfer bergeweise Schuhkartons inklusive Inhalt in einen bereitgestellten Container. Allesamt Herrenschuhe, die wurden im Keller gelagert, als die Flut kam. „Wir sind dann wohl erstmal ein Geschäft für Damenschuhe“, scherzt Kamp. Die waren nämlich im Erdgeschoss und sind weitestgehend unversehrt. Auch die Kartons, die im Container laden, sehen nur teilweise durchnässt aus. „Die, die oben auf dem Stapel standen, sind nicht im Wasser gestanden“, erklärt Kamp. Aber Schuhe, die einmal Feuchtigkeit gezogen haben, seien nur sehr mühevoll wieder zum Verkauf aufzuarbeiten, das rechne sich nicht, auch wenn es ihm im Herzen wehtut. Immerhin sind seine Waren gut versichert und er hofft, bald wieder eröffnen zu können.

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Um so weiter man Richtung Lindenplatz kommt, umso schlimmer ist der Zustand der Geschäfte. Das Reformhaus, dass wie Minini einen leicht erhöhten Eingang hat, ist geöffnet. Danach kommen eine Apotheke und ein Frisör, die beide abgesperrt sind und komplett leergeräumt werden. Und am Ende schließlich das traditionsreiche Haus Ferger, auch Sitz der Karnevalisten von Grün-Weiß-Schlebusch. Wie die Fußgängerzone wohl aussieht, wenn das nächste Mal Karneval gefeiert werden kann? Das ein oder andere Geschäft wird es bis dahin wohl nicht mehr geben.

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