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Taipeh 1981Historischer WM-Titel für die Frauen der SSG 09 Bergisch Gladbach

5 min
Nach dem Sieg im letzten Spiel der inoffiziellen Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Oktober 1981 in Taipeh feiern die Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach ihren Titelgewinn.

Nach dem Sieg im letzten Spiel der inoffiziellen Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Oktober 1981 in Taipeh feiern die Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach ihren Titelgewinn.

Taipeh, 22. Oktober 1981: Nach 9 Spielen in 11 Tagen und 25 Torerfolgen werden die Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach ungeschlagen inoffizielle Fußball-Weltmeisterinnen. Ein Rückblick

„Die Hitze war unbeschreiblich und die Luftfeuchtigkeit bei nahe 100 Prozent. Unter diesen Bedingungen fand an jedem zweiten Tag ein Spiel statt.“ – Anstoß zu einer irren deutschen Fußball-Geschichte, die sich im Sommer 1981 in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh abspielte, und an die sich selbst eingefleischte Fußball-Nerds nicht erinnern – insbesondere die männlichen nicht. Knapp 44 Jahre ist es jetzt her, dass die Frauen-Vereinsmannschaft der SSG 09 Bergisch Gladbach den Deutschen Fußball-Bund (DFB) bei der damaligen inoffiziellen Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Taiwan vertrat. Und das mit großem Erfolg – die SSG 09 gewann völlig überraschend den Titel (siehe Kasten). Dies und vieles andere an dieser Geschichte ist bemerkenswert.

Wir hatten vor allem Hunger! Wir sind auf die chinesischen Speisen überhaupt nicht vorbereitet gewesen: ganze Hühner auf dem Teller mit Kopf und Füßen serviert, dazu die fremden Gewürze und Soßen. Das haben nicht alle von uns runtergekriegt.
Monika Steinetz, damalige Mittelfeldspielerin der SSG 09 Bergisch Gladbach
Großer Jubel auf der Bank der SSG 09 nach dem Titelgewinn bei der inoffiziellen Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Oktober 1981 in Taipeh.

Großer Jubel auf der Bank der SSG 09 nach dem Titelgewinn bei der inoffiziellen Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Oktober 1981 in Taipeh.

Drei Fußball-Heldinnen von 1981, Hannelore Geilen (Torwartin), Monika Steinmetz (damals noch Degwitz, Mittelfeldspielerin) und Hildegard Frauenrath (Mittelfeldspielerin), erinnern sich gemeinsam für die Rundschau, wie sie damals dieses Fußball-Abenteuer im fernen Asien erlebt haben. „Wir hatten vor allem Hunger!“ Monika Steinmetz fallen beim Thema „Essen“ spontan Szenen ein, die die damals jungen Frauen im Team erlebt haben. „Wir sind auf die chinesischen Speisen überhaupt nicht vorbereitet gewesen: ganze Hühner auf dem Teller mit Kopf und Füßen serviert, dazu die fremden Gewürze und Soßen. Das haben nicht alle von uns runtergekriegt.“ Hannelore Geilen verzieht heute noch ihr Gesicht, wenn sie daran denkt. „Ich habe außer Reis tatsächlich wenig davon gegessen“, lacht sie.

Neben den Problemen beim Essen waren auch die sonstigen Gegebenheiten nicht geeignet, um ein erfolgreiches Turnier zu spielen. „Wir hatten eine Spieler-Trainerin, einen Masseur für das ganze Team und einen Manager. Das wars. Keine Co-Trainerin, keinen Arzt, keinen Koch, noch sonst was. Und trotzdem haben wir am Ende gewonnen“, lacht Hildegard Frauenrath heute darüber. Zwischen den Spielen sei immer nur ein Tag frei gewesen, und in der freien Zeit musste das ganze Team auch noch Sponsoren-Termine absolvieren. „Wahnsinn!“ Frauenrath erinnert sich auch an eine Einladung seitens der taiwanesischen Regierung für alle Teams: „Alle sollten wir auf einer Tribüne Platz nehmen und mussten dann eine Militärparade im Taipeh über uns ergehen lassen, die wir nicht fotografieren durften. Haben wir aber trotzdem gemacht“, muss damalige Mittelfeldspielerin erneut schmunzeln.

Pokal, Turnierheft und drei Weltmeisterinnen vom Team der SSG 09 Bergisch Gladbach (v.l.: Hannelore Geilen, Monika Steinmetz und Hildegard Frauenrath), die 1981 bei der inoffiziellen Frauenfußball-WM in Taipeh den Titel holten.

Pokal, Turnierheft und drei Weltmeisterinnen vom Team der SSG 09 Bergisch Gladbach (v.l.: Hannelore Geilen, Monika Steinmetz und Hildegard Frauenrath), die 1981 bei der inoffiziellen Frauenfußball-WM in Taipeh den Titel holten.

Wir waren die Vorreiterinnen für all die Frauen und Mädchen, die nach uns kamen. Auch wenn eine gebührende Anerkennung bis heute fehlt.
Hannelore Geilen, damalige Torwartin der SSG 09 Bergisch Gladbach

Aber bereits im Vorfeld der Reise zu dem Fußball-Abenteuer gab es Schwierigkeiten und Ärgernisse. Die größte Enttäuschung ging auf die Kappe des Verbandes. Unterstützung von den DFB-Herren in Frankfurt? Fehlanzeige. Warum die Wahl schließlich auf die Elf von Bergisch Gladbach fiel, hört sich dann auch einigermaßen kurios an: Im Vorfeld des Turniers hatten die Taiwanesen eine offizielle Einladung an den DFB geschickt. Weil es im Sommer 1981 aber noch keine Frauennationalelf gab, sagte dieser ab – beziehungsweise verwies auf die damals beste deutsche Frauen-Vereinsmannschaft, die SSG 09 Bergisch Gladbach. Der Verband fügte aber wohl hinzu, dass es keine finanzielle Unterstützung für den Trip nach Taipeh geben werde. „Wir haben das dann unter uns Spielerinnen abgemacht, dass wir teilnehmen. Wir wollten einfach Fußball spielen“, erzählt Geilen.

Das Team und der Manager (Franz-Josef Schüller) haben Sponsoren angesprochen, selbst gebackene Waffeln in der Fußgängerzone verkauft, große Geschäfte und die Sparkasse in Bergisch Gladbach kontaktiert, um das nötige Geld zusammenzubekommen, erinnern sich die Drei. Ein weiteres Problem für die Berufstätigen war, für den Sommer die drei bis vier Wochen Urlaub zu bekommen. „Ich habe im öffentlichen Dienst gearbeitet und sogar Sonderurlaub bekommen. Für einige war das aber nicht ganz einfach“, so Geilen. Hildegard Frauenrath erzählt, dass ihr ganzer Jahresurlaub damals dafür draufging. Ach so: Eine sportliche Vorbereitung für das Turnier gab es natürlich auch nicht.

Entscheidungsspiel und die Rückkehr nach Deutschland

„Wir wussten, wenn wir gegen die Niederländerinnen gewinnen, dann sind wir Weltmeisterinnen. Hat geklappt“, erklärt Hildegard Frauenrath noch heute mit Stolz. „Es war eher Ungläubigkeit als ausgelassener Jubel nach dem Abpfiff. Das kam erst später. Wir waren auch einfach hundemüde und kaputt am Ende des Turniers. Jeder hatte körperlich irgendwas“, führt Monika Steinmetz fort. „Im Flugzeug auf unserem Rückflug in die Heimat sah das dann anders aus. Die Crew hat uns die ganze Nacht mit Getränken versorgt. Geschlafen haben wir eigentlich nicht. Zudem gab es endlich wieder deutsches Essen und morgens zum Frühstück Croissants. Ein Fest“, lacht Frauenrath.

„Bei der Landung hatte der Kapitän dann einigen von uns erlaubt, ins Cockpit zu kommen. Und auf der Landebahn durften wir aus dem Fenster die Deutschlandfahne schwenken“, erzählt Geilen weiter. Vom Flughafen in Köln/Bonn wurde sie dann im Bus und Eskorte abgeholt und durch die Stadt Bergisch Gladbach zum Rathaus gefahren, inklusive Empfang vom Bürgermeister und Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. „Das war ein toller, unvergesslicher Tag“, sind sich alle drei einig.

Wieder zuhause in Bergisch Gladbach: Jubelempfang vor dem Rathaus.

Wieder zuhause in Bergisch Gladbach: Jubelempfang vor dem Rathaus.

„Wir waren die Vorreiterinnen für all die Frauen und Mädchen, die nach uns kamen. Auch wenn eine gebührende Anerkennung bis heute fehlt“, sagt Monika Steinmetz. Fußball-Männer schauten seit den Anfängen des Frauenfußballs bis weit in die 1980er Jahre sehr abfällig auf den Frauen-Fußball. Es habe in dieser Zeit regelmäßig frauenfeindliche Sprüche seitens DFB-Verantwortlichen, Bundestrainern und männlichen Fans gegeben.

Keinerlei Anerkennung und Respekt seitens des DFB

„Das Frustrierende damals war, dass wir, nur weil wir Fußball spielten, gleich als Frauen abgewertet wurden“, so Steinmetz. Lange Zeit hätten die Mädchen nicht mit den Jungs zusammenspielen dürfen. Der DFB habe bis in die 1970er Jahre verboten, dass Fußballerinnen in Vereinen des Verbandes spielen. „All diese Widerstände – entweder wurde man belächelt oder als Frau abgewertet. Das war alles unter der Gürtellinie“, stimmen auch Frauenrath und Geilen ihrer ehemaligen Teamkollegin zu.

Dass ein Stück weit Anerkennung erst durch den Dokumentarfilm „Das Wunder von Taipeh“ von John David Seidler aus dem Jahr 2019 erfolgt ist, sei traurig, aber immerhin etwas. „Wir haben uns sehr über den Film und auch über das daraus folgende Musical ,KickLikeAWoman gefreut“, so die ehemaligen SSG 09er. Ob sie von den aktuellen Nationalspielerinnen oder im Publikum in den Stadien erkannt werden? Hannelore Geilen verneint: Es gebe leider keinen Kontakt zu den heutigen Spielerinnen. Alle drei Siegerinnen von Taipeh würden sich das wünschen. Vielleicht mal eine offizielle Einladung der „alten“ Heldinnen mit den neuen Hoffnungsträgerinnen, die ihr Erbe möglichst erfolgreich weiterführen sollen, das wäre großartig. Sie hätten auf jeden Fall einiges zu erzählen – zum Beispiel von damals, 1981 in Taipeh, als sie inoffizielle Fußball-Weltmeisterinnen wurden.