Abo

Veedels-CheckHumboldt-Gremberg – Arbeiterviertel mit Charme und Büdchen

Lesezeit 5 Minuten
Gremberger_Strasze

Die Gremberger Straße.

Humboldt-Gremberg – Wer durch die einst eigenständigen, im Zuge einer Gebietsreform im Jahre 1975 zusammengelegten Orte Humboldt und Gremberg streift, erkennt an zahlreichen Stationen unweigerlich den Wandel, der insbesondere in den drei zurückliegenden Jahrzehnten zu einer vielfachen Veränderung des Erscheinungsbildes im Doppelort geführt hat. Dabei ist es vornehmlich den Bemühungen der GAG geschuldet, dass viele Häuser zwischen Taunus-, Gremberger und Vallendarer Straße im auch heute noch als „Arbeiterviertel“ geltenden Quartier mittlerweile über ein zeitgemäßes und modernes Aussehen verfügen und somit zumindest partiell das Vorurteil entkräftet wird, Humboldt-Gremberg sei von grauen, unansehnlichen (Platten-)Bauten geprägt, die die Lebens- und Wohnqualität auf ein Minimum des Erträglichen reduzieren.

Stolze Wurzeln

Gleichwohl hat sich das an Kalk, Deutz, Poll und Vingst angrenzende Veedel in vielen Straßen und an Plätzen seinen besonderen eigentümlichen Charme bewahrt, der an die historischen Wurzeln des Wohngebiets für Beschäftigte ehemaliger benachbarter Industrieanlagen erinnert und viele Bewohner mit Stolz erfüllt.

„In Humboldt-Gremberg findet jeder Bürger im Grunde alle Dinge, die er für seinen Alltag benötigt. Wir haben eine gute Infrastruktur mit einem vielfältigen Angebot an unterschiedlichen Dienstleistungen. Es gibt Karnevals-, Schützen-, Musik- und Sportvereine, eine Theatergruppe, mehrere Kindertagesstätten und Schulen sowie ein Berufskolleg. Mit dem Humboldtpark und dem Gremberger Wäldchen besitzen wir zudem Grünflächen, die zur Erholung einladen“, zählt Peter Peterlini einige Fakten über „seinen“ Stadtteil auf. Doch der Vorsitzende der Interessengemeinschaft (IG) verschließt nicht die Augen vor Problemen und Herausforderungen. „Die nördliche Taunusstraße hat sich in den vergangenen Jahren zu einem marokkanischen Viertel entwickelt, das insbesondere die alteingesessene Bevölkerung subjektiv als Unsicherheitsfaktor empfindet. Auch herumliegender Müll, Hundekot, verrottende Baumscheiben oder seit Jahren unvollendete Baumaßnahmen ärgern die Einwohner.“

Wer die Taunusstraße südlich entlang geht und dabei die katholische Kirche St. Engelbert im Blickfeld hat, begegnet zwei historischen Institutionen, die aus Humboldt-Gremberg nicht wegzudenken sind. Seit über 100 Jahren und in dritter Generation der Familie Fortmann wird in der Taunus-Apotheke kranken Menschen bestmöglich geholfen. Nur wenige Schritte entfernt findet sich der Hausrat- und Eisenwarenladen Hubert Berger + Sohn, den der Gründer im Jahr 1909 an der Ecke zur Emser Straße eröffnete.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Gremberger Straße, die sich links- und rechtsseitig von St. Engelbert erstreckt, ist die Einkaufs- und Flaniermeile der rund 15 000 Humboldt-Gremberger. Am Westrand befindet sich der Humboldtpark, der vor vier Jahren mit Mitteln der Grün-Stiftung saniert und modernisiert wurde. Er ist häufig Treffpunkt für Jung und Alt. Ist das Toben auf dem Spielplatz beendet, visieren viele Familien anschließend das „Eiscafé Marinetti“ an, das schon zu Zeiten des Humboldter „Eis-Idols“ Carlo Marcuzzi bevorzugte Anlaufstelle von kleinen und großen Veedelsbewohnern war.

Sowohl in Humboldt als auch im östlich angrenzenden Gremberg hat sich ferner eine Tradition bewahrt, die in dieser Form heute vorwiegend nur noch im Ruhrgebiet anzutreffen ist: Die „Büdchen“, eine Mischung aus Kiosk und Trinkhalle, die für so manchen Bewohner gelebter und geliebter Treffpunkt seit Jahrzehnten sind. In vielen Stadtteilen Kölns gelten sie mittlerweile jedoch als ausgestorben, auch wegen immer strengerer Verfügungen seitens des Ordnungsamtes. Während sich Kinder mit Süßigkeiten und Fußball-Sammelbildern eindecken, tauschen Erwachsene beim Kölsch Neuigkeiten aus ihrem Veedel aus. Manchmal schwelgen sie in Erinnerungen und blicken zurück auf eine Epoche, als die Gottfried-Hagen-Akkumulatorenwerke tägliche Anlaufstelle zahlreicher Arbeiter war. Heute ist dort der „Hagen-Campus“ mit einem Standort des Rechtsrheinischen Technologie-Zentrums (RTZ) ansässig.

Kinder und Jugendliche nutzen regelmäßig das abwechslungsreiche Angebot des Jugendzentrums an der Odenwaldstraße, wo sie etwa in Workshops lernen können, Rapper „Eko Fresh“ nachzueifern, der in Humboldt-Gremberg aufgewachsen ist. Auf dem Sportplatz „An der Lenzwiese“, Heimstätte des SV Gremberg-Humboldt, jagen kleine wie größere Nachwuchskicker dem runden Leder nach und träumen von einer Karriere als Fußballprofi, für die sie Schürfwunden auf dem Aschenplatz in Kauf nehmen. „Ein schmuckes Vereinsheim hat die Anlage im Jahr 2011 bekommen, aber auf den Kunstrasenplatz, den viele Vereine im ganzen Stadtgebiet inzwischen haben, warten wir hier immer noch“, bedauert IG-Beiratsmitglied Petra Bonzelet.

Obwohl sich viele Humboldt-Gremberger im Schatten des benachbarten Medien- und Veranstaltungs-Stadtteils Deutz wohlfühlen, bleibt auch ihr Veedel nicht von der Mietpreis-Entwicklung verschont. Wie in anderen Kölner Stadtteilen auch, müssen Familien für moderne, geräumige Wohnungen auch hier monatliche Summen knapp unterhalb eines vierstelligen Betrags bezahlen.

„Deutz ist ein teures Wohnpflaster geworden, selbst das einst verrufene Kalk ist attraktiv für Wohnungssuchende. Viele weichen daher in angrenzende Stadtteile aus und stoßen fast schon zwangsläufig auf uns“, erklärt IG-Vorsitzender Peterlini. Zudem sei es für viele mit dem Veedel verwurzelte Menschen schwierig, sich ihre Wohnung als Eigentum zu sichern. „Ich kenne einige Leute, die hier gerne Wohnraum kaufen würden. Leider ist davon wenig zu erwerben und wenn, geht der häufig unter der Hand weg“, berichtet die stellvertretende IG-Vorsitzende Claire Frings von einem Phänomen, das mittlerweile in fast allen Kölner Veedels zum Problem geworden ist.

Doch noch verbringen die Humboldter und Gremberger viele schöne Tage am Büdchen, im Eis-Café oder im Pfarrheim St. Engelbert, das aufgrund seiner zahlreichen Veranstaltungen schon lange der kulturelle Treffpunkt für Jecke, Laienschauspieler und kunstinteressierte Bürger ist.

Rundschau abonnieren