Veedels-CheckIn Porz-Mitte sind „Tage der Hoffnung“ angesagt

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Ein  „Pfund“  ist das Panorama am Friedrich-Ebert-Ufer mit den neuen Bänken.

Köln – Als Gesamtnote vergeben die Porzer ihrem Veedel in unserer nicht-repräsentativen Umfrage eine mäßige 3,5.   Gleichzeitig  gaben aber  213 Teilnehmer der Umfrage an, dass  Porz ihr Lieblingsveedel ist. Und mehr noch: Für 69,7 Prozent  kommt ein Umzug in ein anderes Veedel nicht in Frage. In Sachen Nahverkehr liegt Porz mit 2,6 besser als  der Durchschnitt mit 2,7. Dafür rutscht das Veedel in Sachen Sicherheit, Sauberkeit, Grünflächen, Kinderfreundlichkeit, Gemeinschaftsgefühl  weit ab. Das Kölsch-Gefühl bekommt die Note 4, der Durchschnitt ist 3,3.

Der bärtige Mann zieht ein Buch aus den aneinandergereihten Exemplaren im Bücherschrank. Es handelt sich um „Mängelexemplar“ von Sarah Kuttner. Der Mann lacht. „Das trifft auf die Porzer Innenstadt zu, wie die Faust auf Auge“, sagt er und wedelt mit dem Buch in der Hand in Richtung der Frau neben ihm. Sie lächelt und nickt. „Da haben sie recht“, sagt sie und fügt hinzu: „Aber mit der Baustelle geht es ja gut voran.“ Der Mann stimmt zu. Der Abriss von Hertie sei viel schneller gegangen, als er gedacht habe, sagt er. Beide einigen sich darauf, dass die Abrissfirma ganze Arbeit geleistet hat. „Hoffen wir mal, dass es wird“, sagt der Mann zum Abschied und zieht mit Jostein Gaarders „Der seltene Vogel“ von dannen.

2014 wurde der Bücherschrank im Rahmen des Projektes „Eselsohr“ der Bürgerstiftung Köln auf Höhe der Apotheke und der Eisdiele im City-Center aufgestellt. Hier können Bürger Bücher einstellen oder kostenfrei entnehmen. „Ehrlich gesagt habe ich dem Schrank damals keine vier Wochen gegeben“, sagt die Vorsitzende des Bürgervereins Porz-Mitte, Sigrid Alt. Vier Jahre später freut sie sich, dass ihre Befürchtung nicht eingetreten und der Bücherschrank nicht dem Vandalismus zum Opfer gefallen ist. „Der Schrank ist ein Ort der Kommunikation.“ Menschen, die sich nicht kennen, kämen über die Bücher ins Gespräch. Sie selbst habe auch mehrmals die Erfahrung gemacht, erzählt Alt.

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Der Bücherschrank hat sich im Veedel etabliert.

Für Gesprächsstoff sorgt natürlich auch die Baustelle im Herzen der Porzer Innenstadt. „Viele Leute bleiben immer mal wieder stehen, werfen einen Blick über oder durch den Zaun und schauen, wie die Arbeiten voran gehen“, sagt sie. Aus ihr selbst sei dabei einmal laut herausgeplatzt: „Irre, was ist das für eine tolle Baustelle.“ Was Zustimmung bei den Personen um sie herum fand. Auch im gut besuchten Eiscafé im City-Center sei an den Tischen Hertie und die neue Porzer Mitte immer wieder Thema.

Die Baustelle steht für Aufbruch, findet Alts Vorstandskollegin Anita Mirche. Jahrelang sei man mit dem leer stehenden Hertie-Haus gebeutelt gewesen. „Ich hoffe, Porz erholt sich wieder von dem Defizit.“ Doch die drei geplanten Häuser auf dem Hertie-Areal und dem Friedrich-Ebert-Platz können nur der Anfang sein. „Zur Attraktivierung unserer Innenstadt, muss auch der Rhein gehören.“ Das Panorama am Friedrich-Ebert-Ufer sei ein Pfund. Das müsse genutzt werden. Testläufe mit Außengastronomie am Bezirksrathaus seien gut angekommen. Auch freut die Nachricht, dass das Haus Knott wieder aufmachen wird. „Wir müssen aus ’nem Pfund ein Kilo machen“, betont Mirche. Ausflügler und Radler müssen vom Rhein aus in die Innenstadt gelockt werden und umgekehrt. „Ich bin schon oft von Auswärtigen gefragt worden, wie sie zum Rhein kommen“, sagt Mirche, die passionierte Radlerin ist. Ein einfaches Hinweisschild könne ihrer Meinung nach Abhilfe schaffen. Manchmal seien es die kleinen Dinge, die etwas bewirken können.

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Ein  „Pfund“  ist das Panorama am Friedrich-Ebert-Ufer mit den neuen Bänken.

Wie auch die Farbtupfer im Veedel. Nimmermüde ist der Bürgerverein darin, mit Pflanzaktionen die Mitte von Porz schöner zu gestalten. „Dafür bekommen wir von etlichen Bürgern viel Zuspruch“, sagt Sigrid Alt. Aber dabei bleibt es dann oftmals. Sie beklagt ein wenig die mangelnde Bereitschaft, selbst Hand anzulegen und etwas fürs Veedel zu tun. „Immer nur zu meckern, ist wenig hilfreich. Mit anpacken ist gefragt. Wir müssen uns mit unserem Porz identifizieren.“ An der Identifikation, daran mangelt es ein wenig in Porz-Mitte, findet Alt. „Das hat vielleicht damit zu tun, dass Porz kein gestandenes Veedel ist.“ Anders als in anderen Stadtteilen gäbe es keine Schützen oder kaum Vereine, die mit dem Stadtteil Porz eng verbunden sind. Dafür finden sich immer wieder Firmen und Sponsoren, die Aktionen im Veedel finanziell unterstützen.

Nicht nur die Pflanzaktionen, die der Bürgerverein selbst durchführt, sondern auch Projekte, bei denen die Ehrenamtler als Vermittler auftreten. Am Herzen liegen Alt und Mirche da besonders die Kinder. Ihre Augen leuchten, wenn sie Einrichtungen für Pänz und Jugendliche wie die an der Ohmstraße oder Glashüttenstraße besuchen. Für sie gehen die beiden Vorsitzenden gerne „kötten“. So konnten beispielsweise für die OT Ohmstraße Ferienfreizeiten, ein Medienprojekt und das Projekt „Küchenchef“, bei dem die Pänz unter Anleitung selbst kochen, verwirklicht werden. Das Besondere an der Jugendeinrichtung jenseits der Berger-Brücke, einem Gebiet, das immer noch zu Porz-Mitte gehört: Fast 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind körperlich oder geistig behindert. Alle Freizeit- und Betreuungsangebote sind aber schon seit Jahren inklusiv, und das schon seit einer Zeit, wo der Begriff Inklusion noch nicht en vogue war.

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Positiv entwickelt habe sich auch der Spielplatz an der Bennauerstraße, sagt Anita Mirche. Sie muss es wissen, ist sie dort doch Patin. Der alte Hügel mit Rutsche ist einer neuen Anlage mit Kletterelementen und Rutsche gewichen und zum Rhein hin wurde ein Holzschiff ebenfalls mit Kletterelementen und Rutsche errichtet. 63 000 Euro hat die Anschaffung der Geräte gekostet. Das ganze war ein Kompensationsgeschäft der Stadtverwaltung mit den Stadtentwässerungsbetrieben (Steb). Letztere hatten im Zuge einer Baumaßnahme am Friedrich-Ebert-Ufer einen Teil des Spielplatzes in Beschlag genommen, um dort Baumaschinen und dergleichen zu lagern. Mirche und Alt hatten damals den Finger gehoben und zu den Verantwortlichen der Steb gesagt, dass sie nur ja dafür sorgen sollen, dass der Platz für die Porzer Pänz wieder schön wird. „Und das ist er geworden“, sagt Mirche.

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Seit einiger Zeit bekommt sie vor Ort Unterstützung. Jugendliche, die in der Einrichtung der Diakonie in der Nachbarschaft untergebracht sind, kommen mit einem Betreuer jeden ersten Montag im Monat vorbei, um den Spielplatz zu säubern. So etwas sei ein Lichtblick, findet Mirche.

Passend dazu erschien im Juni ein Buch von Catherine Ryan Hyde mit dem Titel „Tage der Hoffnung“. Im Bücherschrank ist es noch nicht zu finden. Dafür gibt es solche Tage mittlerweile im Veedel.

Geschichte von Porz

Das alte Porz wird urkundlich als Siedlung bereits im 12. Jahrhundert erwähnt. 1929 wird Porz zum Verwaltungszentrum der Bürgermeistereien Wahn und Heumar gemacht. Später bekommt  der heutige Bezirk Porz  Stadtrechte. 1975 wird die Stadt Porz  im Zuge der Gebietsreform nach Köln eingemeindet. Im Stadtteil Porz-Mitte entstand 1909/10 das alte Rathaus mit dem Turm. Mit den Jahren  kamen  Erweiterungsbauten hinzu. Geschichsträchtig ist im Veedel die  Germaniasiedlung zwischen Bahnhofstraße, Concordiaplatz, Germaniastraße und Glasstraße. Sie  wurde zwischen 1899 und 1903 abseits der Bürgermeisterei Porz auf einem rautenförmigen Grundriss angelegt. Porz-Mitte hatte um die Jahrhundertwende eine beispiellose Industrialisierung erlebt – mit Namen, die heute nur noch in Erzählungen von früher Erwähnung finden:   Elektro-Isolierfabrik Meirowsky,  die Adelenhütte, die Gewehrfabrik Kettner und weitere. Lediglich Nachfolger der Germania-Glaswerke gibt es heute noch: St. Gobain produziert noch heute im Stadtteil Porz.

Offene Baustellen im Veedel

Bös gesagt, gibt es in Porz-Mitte so viele Baustellen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Ein wichtiger Punkt ist die Revitalisierung der Porzer Innenstadt. Mit dem Abriss des Hertie-Warenhauses und dem geplanten Neubau von drei Häusern mit Wohnungen und Geschäften ist es nicht getan. Für die vielbeschworene „Neue Porzer Mitte“ braucht es mehr.  Bestehende Leerstände gilt es abzubauen – da müssen auch die Hausbesitzer in die Pflicht genommen werden. Auch das gastronomische Angebot – gerade am Rhein – gilt es  zu verbessern.  Genauso wie die Wegeverbindung  von  Innenstadt zum Rhein.  Hier gibt es auch gleich weitere Probleme: Party-Leute, die meinen, das Rheinufer für sich gepachtet zu haben. Eine Folge davon, ist auch der Müll, den es allerdings auch an anderen Stellen zu Hauf gibt.   Im Zuge des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes ebenfalls mit angepackt werden muss die Schullandschaft. Seit Jahren schon ist die Grundschule marode. Auch die Carl-Stamitz-Musikschule hat zumindest von den Räumlichkeiten her schon bessere Tage gesehen.

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