Zwei Jahre nach der Flut„Die Menschen sollen mit ihren Sorgen zu uns kommen“

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Projektleiter Axel Rottländer im Beratungsgespräch.

Projektleiter Axel Rottländer von der Malteser Fluthilfe berät auch persönlich Flutbetroffene

Noch immer sind die Bündnisorganisationen der „Aktion Deutschland hilft“ in den Katastrophengebieten aktiv. Wofür die Spendengelder zurzeit gebraucht werden, darüber sprach Klaus Müller mit Axel Rottländer, Projektleiter der Malteser für die Fluthilfe in Nordrhein-Westfalen.

 Sie organisieren sieben Fluthilfebüros in Nordrhein-Westfalen. Können Sie uns sagen, wie es den Menschen in den Überflutungsgebieten aktuell geht?

Sehr unterschiedlich. Es gibt Menschen, die den Schrecken sehr gut verarbeitet haben. Es gibt aber auch sehr viele, die nach der Phase des Aufräumens und der Instandsetzung ihres Zuhauses von den Ereignissen eingeholt werden und jetzt psychologische Hilfe brauchen. Andere haben bis heute keinen Antrag auf Wiederaufbauhilfe gestellt, weil sie, so unglaublich es klingen mag, trotz aller Kampagnen und Hinweise schlichtweg keine Kenntnis von ihren Ansprüchen haben, und es gibt Menschen, die mit der Antragsstellung überfordert sind. Ihnen allen wollen wir helfen.

Wie kann ich mir das konkret vorstellen?

Unsere Fluthilfebüros sind an fünf Tagen in der Woche geöffnet. Die Menschen können mit ihren Problemen zu uns kommen. Wir können in Einzelfällen mit Geld helfen, sei es bei Neubeschaffung von Hausrat oder bei der Gebäudeinstandsetzung, wenn die Versicherungsleistungen oder die Wiederaufbauhilfe des Landes nicht dafür ausreichen. Wir unterstützen aber auch satzungskonform Vereine und Initiativen bei der Anschaffung neuer Spielgeräte oder Einrichtung neuer Spiel- und Sportplätze, und drittens bemühen wir uns um psychologische Hilfe, wenn immer sie gebraucht wird. Viele Menschen sind unsicher, haben Zukunftsängste oder traumatische Belastungen.

Wie können Sie helfen?

Wir haben fünf Therapeuten eingestellt, die in dem interkommunalen Hilfezentrum in Schleiden/ Gemünd, der drei Gemeinden Hellenthal, Gemünd Schleiden und Kall, für Gespräche mit Betroffenen bereitstehen, um sie psychisch zu stabilisieren. Dank dieser sehr engagierten Therapeuten können wir in aller Regel jedem, der zu uns kommt, in zwei bis drei Wochen ein erstes Clearinggespräch anbieten, um zu prüfen, wo die Probleme genau liegen. Bis zu 20 Sitzungen schließen sich dann an, in den meisten Fällen ist das ausreichend, um die Psyche wieder zu stabilisieren. Im Hilfszentrum, das übrigens HIZ heißt und das wir gemeinsam mit der AWO, Diakonie und der Caritas betreiben, gibt es auch regelmäßige Begegnungscafés.

Auf welche Dauer ist das Projekt angelegt?

Zunächst auf zwei Jahre. Wir bieten aber auch psychologische Beratung dezentral in unseren Fluthilfebüros an. Leider stellen wir fest, dass sich viele Menschen noch wie in einem Tunnel befinden und nichts von den Hilfsangeboten wissen.

Wie wollen Sie das ändern?

Zurzeit gehen wir wieder in den Flutgebieten von Haustür zu Haustür, um über die aufsuchende Hilfe, die Menschen auf diese Angebote aufmerksam zu machen. Auch dieses Interview ist dazu ein wichtiger Beitrag. Die Flut hat viele Familienkonstellationen durcheinandergewirbelt, ist unser Eindruck. Manche Ehepaare sind sich nicht einig, ob sie ihr Haus verkaufen oder es doch wieder instandsetzen wollen. Und sie fragen sich, ob sie die Kraft dafür aufbringen können. Wir bieten ihnen an, beim Ausfüllen der Anträge zu helfen, wenn sie beispielsweise kein Internet haben oder mit der Bürokratie überfordert sind. Hilfesuchende müssen ja immer Nachweise vorbringen. Auch wir können nur Geld auszahlen, wenn zum Beispiel ein aktueller Grundbuchauszug vorgelegt wird. Wichtig ist uns, dass die Menschen mit ihren Sorgen und Problemen zu uns kommen. Wir haben auch immer Kaffee und Kekse da.

Wie lange schätzen Sie, wird die Hilfe noch notwendig sein?

Das ist schwer zu sagen. Wir gehen aber davon aus, dass es noch viele Jahre dauern wird, bis die baulichen und psychologischen Wunden dieser Katastrophe verheilt sein werden.


Noch viel Arbeit in den Flutgebieten

283 Millionen Euro haben Privatpersonen, Unternehmen sowie Hilfsorganisationen bisher für die Bewältigung der Flutkatastrophe an die Aktion Deutschland hilft gespendet. 4,5 Millionen Euro davon kamen aus einem gemeinsamen Spendenaufruf der Zeitungen Kölnische Rundschau, Kölner Stadt-Anzeiger und Express zusammen.

184 Millionen Euro wurden nach Angaben der Vorständin Manuela Roßbach zum Stand 1. Juni für Hilfsmaßnahmen in mehr als 300 betroffenen Kreisen, Gemeinden und Städten eingesetzt. Und zwar für folgende Zwecke:

1. Mehr als 35 Millionen Euro kamen Betroffenen im Rahmen von finanziellen Sofort- und Wiederaufbauhilfen zu Gute.

2. In mehr als 35 000 Fällen wurde psychosoziale Unterstützung geleistet: Einzelberatungen, Reittherapie, Gesprächskreise.

3. Mehr als 300 Institutionen und Vereine wurden mit Spendengeldern unterstützt, darunter Alten- und Pflegeheime, Kitas, Jugendherbergen, Sport- und Musikvereine.

4. Gut 40 Anlaufstellen wurden für Betroffene in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geschaffen, darunter Fluthilfebüros, Beratungsstellen und Werkzeugausgaben.

5. Übergangsangebote in 322 beheizbaren Mobilheimen und Wohncontainern werden zum Teil immer noch genutzt.

Für folgende Schwerpunkte wird nach Angaben des Bündnisses das noch vorhandene Geld in nächster Zeit benötigt:

1. Finanzielle Wiederaufbauhilfen und entsprechende Beratung in Fluthilfebüros

2. Psychosoziale Unterstützung

3. Hilfen für gemeinnützige Organisationen und Vereine

4. Allgemeine Beratungsangebote – zum Beispiel zur Beantragung von staatlicher Förderung und Spendengeldern, dem Abruf von Versicherungsbeträgen oder auch rechtliche Beratung.

5. Hinzu kommt weiterhin Unterstützung mit zum Beispiel Werkzeug und Baustoffen für den Wiederaufbau.

Menschen, die Unterstützung benötigen, können sich über die bündnisweite Fluthilfehotline 0 67 23 68 55 78 ( Mo. - Fr. von 8 - 18 Uhr) bis mindestens Ende September über Hilfsangebote informieren.(kmü) www.aktion-deutschland-hilft.de/de/hilfseinsaetze/hochwasser-2013/

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