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FC-Coach Lukas Kwasniok im Interview„Ich bewerte die Leistung und nicht das Ergebnis“

10 min
Testspiel, Fortuna Köln vs. 1. FC Köln, rechts: Lukas Kwasniok (1. FC Köln), 18.07.2025, Bild: Herbert Bucco

Lukas Kwasniok, neuer Cheftrainer des Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln. 18.07.2025, Bild: Herbert Bucco *** Local Caption ***

Lukas Kwasniok sprüht im Trainingslager des 1. FC Köln in Bad Waltersdorf vor Tatendrang. Martin Sauerborn unterhielt sich mit dem neuen FC-Trainer über seinen Karriere, Gemeinschaften, Regeln und Spielsysteme.

Herr Kwasniok, haben Sie eigentlich inzwischen eine Wohnung in Köln gefunden. Das war in der Öffentlichkeit ein großes Thema?

Ich habe vergangene  Woche einen Mietvertrag für eine schöne Wohnung in Junkersdorf unterzeichnet. Sie ist vielleicht ein bisschen zu groß, aber lieber zu groß als zu klein. Das mit der Wohnungssuche müssen wir aber nicht dramatisieren.

Was meinen Sie damit?

Als ich von meiner Wohnungssuche erzählt habe, war das von mir eher flapsig gemeint. Dann habe ich gemerkt, dass sich in Köln schnell sehr viele Menschen um einen kümmern. Das ist besonders, im positiven Sinne.

Wie ist es mit der Familie organisiert? Ihre beiden Kinder sind schon erwachsen und Ihre Frau lebt in der Heimat bei Karlsruhe.

Ich fahre eher selten nach Hause, vielleicht einmal im Monat, eher einmal in zwei Monaten. Aber meine Frau wird regelmäßig nach Köln kommen. Die Kinder kommen gelegentlich. Die haben ihre festen Partner und führen ihr eigenes Leben. Wir telefonieren aber oft.

Hat sich die Fernbeziehung zu Ihrer Frau in den vergangenen Jahren durch Ihre Stationen in Saarbrücken und Paderborn eingespielt?

Distanz schafft Nähe (lacht). Aber ja, für uns ist es ein gutes Lebensmodell geworden. Je älter die Kinder werden, desto eher verschiebt sich die Anwesenheitszeit meiner Frau in meine Richtung. Das ist auch gut so.

Eric Martel ist bei der Bildung einer Achse ein wichtiger Ankerpunkt für mich.
Lukas Kwasniok, Trainer 1. FC Köln

Distanz und Nähe, brauchen Sie das auch als Trainer?

Ich glaube eher, dass ich als Trainer berechenbar-unberechenbar bleiben muss. Dabei bin ich manchmal distanziert und manchmal auch sehr nahbar. Im Verlauf einer Saison kommt es darauf an, berechenbarer zu sein, wenn es nicht so gut läuft und unberechenbarer, wenn es läuft. Als Trainer muss ich situationsangepasst handeln.

Sie lernen die Spieler beim FC seit drei Wochen kennen. Wie kommunizieren Sie dabei?

Nach ein bisschen Smalltalk und einem längeren Gespräch in den ersten Tagen kann ich niemandem abschließend sagen, wie ich ihn sehe. Ich muss mir erst einmal alles über Wochen hinweg anschauen, um einem Spieler eine fundierte Meinung kundzutun.

Wie entwickeln Sie Ihr Gefühl für die unterschiedlichen Situationen?

Es geht immer um die Perspektive. In welcher Saisonphase befinden wir uns gerade? Wie ist der Leistungsstand einzelner Spieler. Dann gibt es Spieler, die in meiner Vorstellung eine Achse bilden können. Eric Martel ist in dieser Überlegung ein wichtiger Ankerpunkt für mich. Er war in den ersten zwei Wochen noch gar nicht da. Also konnte ich mich mit ihm bis zum Trainingslager nicht großartig über meine Pläne unterhalten.

Sie haben in Ihrer ersten Ansprache an die Mannschaft das Thema Gemeinschaft hervorgehoben. Wie fördern Sie die Gemeinschaft in einer Mannschaft?

Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass man das Leben  lächelnd und gelassen leichter meistern kann. Deshalb gibt es bei mir außerhalb des Platzes so gut wie keine Regel. Ich appelliere lieber an den gesunden Menschenverstand, an gegenseitigen Respekt und weise darauf hin, dass die Spieler als Fußballprofis wahrscheinlich gerade ihre schönste Zeit erleben. Die Jungs sollen gerne zum Training kommen und auf ein Trainerteam treffen, das top vorbereitet ist und eine sinnvolle Einheit gestaltet. Ich versuche eine Gemeinschaft dadurch entstehen zu lassen, dass alle sich aufeinander freuen und zusammen eine gute  Zeit erleben.

Sie geben auch gerne mal spontan frei. Warum?

Wenn ich das Gefühl habe, es ist besser einen Tag freizumachen oder zwei, dann werde ich das immer tun. Auch ein Fußballprofi braucht mal zwei Tage frei. Das sind Menschen mit vielen Empfindungen und keine Roboter. Sie tanken unter anderem Kraft bei ihrer Familie. Dann macht es Sinn, nach vier Tagen richtig anstrengender Arbeit, mal ein oder zwei Tage freizugeben.

Richtig schwierig wird es bei mir, wenn einer nicht will.
Lukas Kwasniok, Trainer 1. FC Köln

Welche Regeln stellen Sie für die Arbeit auf dem Platz auf?

Mal losgelöst von spielinhaltlichen Themen gibt es ein paar unverrückbare Attribute. Das erste ist Intensität, die ich in jedem Training versuche vorzuleben. Auch dabei gilt es zu unterscheiden. Es gibt Spieler, die diese Intensität gehen können. Es gibt auch Spieler, die können sie gehen, haben das aber nicht so in sich. Die muss man etwas pieken. Und dann gibt es Spieler, die wollen, haben aber nicht die körperlichen Voraussetzungen. Da muss ich schauen, ob ich die ein wenig schützen kann. Und natürlich gibt es Tage, an denen es andere, wichtigere Themen gibt. Dann sollen die Spieler mit mir darüber sprechen und dem Training fernbleiben. Richtig schwierig wird es bei mir, wenn einer nicht will.

FC-Trainer Lukas Kwasniok wird im Freibad von Fürtsenfeld (Österreich) beim Sprung aus fünf Metern Höhe von seinem Team beobachtet.

FC-Trainer Lukas Kwasniok wird im Freibad von Fürtsenfeld (Österreich) beim Sprung aus fünf Metern Höhe von seinem Team beobachtet.

Lukas Kwasniok kann auch unangenehm werden?

Ich bewerte die Leistung, nicht das Ergebnis. Wenn ich finde, dass die ersten zwei Testspiele nicht so rosig waren, dann kriegen die Jungs das auch so widergespiegelt. Und dabei geht es vor allem um das Thema Intensität. Ich reagiere zum Beispiel allergisch, wenn ein Spieler nach einem Ballverlust nicht sofort versucht, ihn wiederzuholen.

Es heißt, ein Trainer muss nicht nur den Spieler trainieren, sondern vor allem den Menschen.

Es geht dabei wieder um die Perspektive. Ein Torwart denkt anders als ein Abwehrspieler und ein Stürmer wieder anders. Ich bin ein Trainer, der viel beobachtet, die Dinge aber nicht sofort bewertet. Ich lasse zum Beispiel meine Co-Trainer erst mal so machen, wie sie es machen. Mein Ansatz ist dann, die Dinge, die sie nicht so gut können, selbst zu machen und das, was sie gut können, sie machen zu lassen. Spielern helfe ich auch nur in den Teilbereichen, in denen wir sie besser aussehen lassen können und nicht bei dem, was sie sowie besser können als ich. Mein Erfahrungsschatz sagt mir, dass ich als Trainer zwar für alles verantwortlich bin, aber maximal 50, 60 Prozent beeinflussen kann.

Gibt es Momente in Ihrer Trainer-Karriere, die Sie besonders geprägt haben?

Auf jeder meiner Stationen. Mich hat geprägt, dass mir der Karlsruher SC die Freigabe für einen Wechsel zu Erzgebirge Aue verweigert hat. Vier Wochen später haben wir uns auf eine Auflösung des Vertrages geeinigt. Da habe ich gedacht, das ist doch mein Verein, das kann doch nicht sein. Oder in Jena, wo ich nach dem unerwarteten Klassenerhalt auf Händen durchs Stadion getragen wurde und drei Monate später im wahrsten Sinne des Wortes vom Hof gejagt wurde.

Ich habe gerne viele unterschiedliche Spielertypen und bin kein Freund von festen Strukturen.
Lukas Kwasniok, FC-Trainer

Was war der Grund?

Wir hatten keinen Erfolg. Ich hatte mich breitschlagen lassen, neben dem Trainer-Job auch Management-Aufgaben zu übernehmen und habe mich damit übernommen. Ich habe gedacht, ich kann diesen Verein komplett auf die Links drehen, ihm eine neue Identität geben. Das war naiv.Das waren sicher meine prägendsten Negativerfahrungen, die ich mit auf die Reise nach Saarbrücken, Paderborn und jetzt Köln genommen habe.

Wie stolz sind Sie FC-Trainer zu sein?

Ich war gedanklich ja schon unterwegs in eine Auszeit mit meiner Frau. Dann ruft Thomas Kessler an und die Welt verändert sich sofort. Die Aufgabe erfüllt mich mit großem Stolz und ich hoffe, dass es nicht nur für mich, sondern vor allem für den FC nicht nur ein Zwischenstopp auf einem Weg ist, den wir gemeinsam in Richtung Stabilität und Erfolg gehen wollen.

Wie lautet Ihr Plan, den FC in seiner Leistung zu stabilisieren?

Die große Kunst ist es, die besten Entscheidungen zu treffen und nicht die diplomatischsten. Das ist ein schmaler Grat, weil ich dabei viele Menschen mitnehmen muss. Ich erwarte, dass jeder hier Entscheidungen trifft, die die besten für den Verein sind und nicht die, die den meisten Applaus bekommen. Dortmund hat sich stabilisiert, weil Jürgen Klopp die richtigen Entscheidungen getroffen hat. Er hat mal den Vertrag mit seinem besten Torschützen Alexander Frei nicht verlängert und es damit begründet, dass der Spieler nicht die geforderte Intensität gehen kann. Dafür hat Klopp sicher keinen Applaus bekommen und er war bereit, mit seiner Entscheidung anzuecken. Wer immer Applaus haben will, der muss im Zirkus arbeiten. Wer nur Entscheidungen trifft, um nicht kritisiert zu werden und am Ende trotzdem scheitert, kann nicht mit sich im Reinen sein.

Sie müssen gerade in der Vorbereitung in Bezug auf das spielende Personal beim FC viele Entscheidungen treffen. Wie gefällt Ihnen Ihr Kader?

Er gefällt mir und trotzdem wird es Veränderungen geben. Im Trainingslager sind mit Eric Martel, Jan Thielmann, Said El Mala und Seb Sebulonsen vier Spieler dazugekommen. Damit hat sich schon einiges verändert. Ich habe gerne viele unterschiedliche Spielertypen und bin kein Freund von klar vorgegebenen Strukturen. In erster Linie muss eine Mannschaft etwas mit dem Ball anfangen können. Es geht zum Beispiel darum, welche Spieler zueinander passen und am besten miteinander harmonieren.

Eine Mannschaft benötigt Zeit, um sich entwickeln zu können und um eine gute Gemeinschaft zu werden. Wieviel Zeit braucht Lukas Kwasniok beim 1. FC Köln?

Wenn ich das Glück habe, hier in drei Jahren das Ende meines Vertrages zu erleben, werden wir an dem Punkt sein, den ich mir vorstelle. Wenn ich mir Paderborn anschaue und sehe, dass jüngst im Test gegen Hannover ein einziger Neuzugang gespielt hat, weiß ich, dass wir in vier Jahren ein gutes Fundament geschaffen haben und der Erfolg dort nicht zu verhindern ist. Mein Ziel ist es, auch in Köln am Ende etwas hinterlassen zu haben. Womöglich geht es dann nach drei Jahren hier auch weiter mit mir (schmunzelt). Bis dahin müssen wir schauen, dass wir ein paar Spiele gewinnen, damit sich Entwicklung und Ergebnisse gegenseitig hochschaukeln. Der Kader wird sich immer wieder  verändern, und ich muss es als Trainer schaffen, mit den Spielern, die in dem Moment da sind, Spiele zu gewinnen.

FC-Trainer Lukas Kwasniok zapft beim Fanabend im Trainingslager von Bad Waltersdorf Kölsch.

FC-Trainer Lukas Kwasniok zapft beim Fanabend im Trainingslager von Bad Waltersdorf Kölsch.

Im Fußball wird gerade von außen immer über Spielsysteme gefachsimpelt. Was bedeutet System für Sie?

Jeder braucht etwas, woran er sich festhalten kann. Das Kuriose ist, dass in allen Medien die defensive Grundstruktur genannt wird, aber nie die offensive. Und die Offensivgrundstruktur ist eine völlig andere. Wir haben beim 2:2 gegen Fortuna Köln gegen den Ball im 4-2-3-1 gespielt. Mit dem Ball war es aber ein 3-1-6. Die Aufgaben eines Spielers sind komplexer geworden. Es geht darum, dass sich ein Spieler wohlfühlt in den Räumen, in denen er sich bewegt und grundsätzlich darum, Räume zu besetzen.

Inwiefern braucht es für die Besetzung von Räumen eine feste Struktur? Oder ist die situative Wahrnehmung entscheidend?

Das eine schließt das andere nie aus. Ich muss den Jungs schon klar machen, auf welche Art sie miteinander agieren sollen, zum Beispiel als Pärchen auf der Außenbahn. Ich finde es aber schwer, dass in einem System auszudrücken. Ich denke, um ganz hoch Bälle gewinnen zu können, muss man aktuell Mann gegen Mann über das ganze Feld spielen. Bergamo hat das im Europa League-Finale perfekt gemacht, obwohl sich Leverkusen darauf vorbereitet hatte. Leverkusen konnte aber nicht so einfach auf diese Spielweise mit permanenter Positionsrotation umswitchen. Allgemein sage ich, dass der Fußball wie das gesamte Leben immer im Wandel ist.

Dann frage ich mal so: Wie lautet Ihre Spielidee?

Intensität ist ein wichtiger Bestandteil und ansonsten geht es darum, sich den Gegner zurechtzulegen, zu manipulieren und dann überraschend das Spiel zu beschleunigen, um in den Rücken des Gegners zu kommen. Die Wahrscheinlichkeit Spiele zu gewinnen, ist am höchsten, wenn du mehr Abwehrspieler überspielt hast als der Gegner. Deswegen braucht es im Spielaufbau eine Positionsrotation. Was ich immer haben will, ist, dass meine Teams gemeinschaftlich verteidigen. Davon sind wir aktuell noch etwas entfernt, weil wir das noch nicht so trainiert haben.

Wollten Sie das Thema nicht im Trainingslager angehen?

Ja, eigentlich in den ersten drei Tagen. Wir haben den Plan dann aber noch mal geändert. Sie sehen, wir Trainer müssen ein Stück weit unberechenbar bleiben (lacht).