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Interview

Gazibegovic beim 1. FC Köln
„Ich will hier zeigen, was ich in Graz gezeigt habe“

7 min
1. FC Köln, Trainingslager Bad Waltersdorf, Tag 3, 21.07.2025

Möchte die Richtung vorgeben: FC-Rechtsverteidiger Jusuf Gazibegovic (r.) ist bislang hinter den Erwartungen geblieben.

Der Rechtsverteidiger Jusuf Gazibegovic hatte als erster Neuzugang nach der Transfersperre einen schweren Start beim 1. FC Köln. Wir haben mit ihm gesprochen.

Jusuf Gazibegovic (25) nimmt seinen zweiten Anlauf beim 1. FC Köln. Der erste Neuzugang nach der Transfersperre spricht in Bad Waltersdorf mit Martin Sauerborn über seine zweite Heimat, die Systemfrage und Selbstbewusstsein.

Herr Gazibegovic, Sie haben von März 2020 bis Dezember 2024 bei Sturm Graz gespielt. Kommen hier in Bad Waltersdorf Heimatgefühle bei Ihnen auf?

Ja, klar. Ich war lange hier und fühle mich hier immer noch wie zu Hause. Es ist ein Ort, an dem ich viele gute Freunde gewonnen habe. Ich halte den Kontakt, so gut es geht, und komme immer wieder gerne her.

Sturm ist 2025 wieder österreichischer Meister geworden. Haben Sie gratuliert?

Ich war hier und habe mit der Mannschaft in einem Club gefeiert, weil ich ja auch Meister geworden bin. Bis Dezember habe ich in Graz gespielt und meinen Teil dazu beigetragen. Es bedeutet mir sehr viel. Mit vier Titeln habe ich hier in viereinhalb Jahren für österreichische Verhältnisse sehr viel erreicht. Die Zeit war sehr prägend für mich und wird nicht nur in meinem Kopf, sondern auch in meinem Herzen bleiben.

Gab es Wehmut bei Ihnen, dass Sie am Ende nicht dabei waren?

Na klar, aber ich habe mich bewusst für den FC entschieden und hatte eine großartige Zeit in Köln und habe dort auch einen Titel gewonnen. Die Zweitliga-Meisterschaft ist vielleicht sogar größer als der Titel mit Graz. Ich spiele jetzt Bundesliga. Das war mein Traum und der Grund für meinen Wechsel im Winter.

Beim FC ist für Sie aber nicht alles wie erwartet verlaufen?

Der Anfang war nicht einfach, weil es den Wechsel in der Systematik von Vierer- auf Dreierkette gab. Ich habe mich in diesem System anfangs nicht so wohlgefühlt. Ich habe nicht richtig reingefunden, mich nicht sicher gefühlt und mein Selbstvertrauen verloren. Für mich war es in Graz selbstverständlich, dass ich jedes Spiel gut spiele. Ich kannte diese Phasen nicht, dass ich nicht auf meinem Topniveau bin.

Haben Sie in dieser Phase zu viel über Ihr Spiel nachgedacht?

Jeder Fußballer denkt nach, wenn es nicht läuft. Ich wusste aber immer, was ich kann. Ich habe mich schon auf höchstem Level bewiesen, durfte mit Graz Champions League und Europa League spielen. Es hat mir ein gutes Gefühl gegeben, auf diesem Topniveau mithalten zu können. Ich bin mit dem Gefühl zum FC in die 2. Liga gekommen, dass ich auch in die erste Liga hätte wechseln können.

Und dann?

Habe ich darüber nachgedacht, warum es nicht mehr läuft, es nicht mehr so leicht von der Hand geht. Ich musste mich erstmal akklimatisieren und in der Mannschaft ankommen.

Was haben Sie aus dieser Zeit gelernt?

Während meiner Verletzung hatte ich genügend Zeit nachzudenken. Für mich war es wichtig, Geduld zu haben, mir keinen Stress zu machen. In Salzburg und in Graz habe ich am Anfang auch nicht viel gespielt. Ich musste mich reinbeißen und das werde ich auch in Köln schaffen. In den ersten beiden Testspielen der Vorbereitung habe ich mich um einiges wohler gefühlt, weil ich viel mehr Optionen habe, wenn wir jetzt mit Dreierkette spielen.

Was brauchen Sie, um sich mit Ihrem Spiel wohlzufühlen? Ist es nur eine Frage des Systems?

Das Wichtigste ist mein Selbstbewusstsein. So bin ich als Typ — ich rede viel, wenn der Tag lang ist. Ich muss dieses Selbstbewusstsein wieder auf den Platz kriegen. Dann bin ich ein Spieler, der schwer zu halten ist und befreit aufspielt. Ich mache mir dann keinen Kopf mehr darüber, ob etwas funktioniert oder nicht.

Sie sind erst sieben Monate in Köln und haben mit Lukas Kwasniok schon Ihren dritten Trainer. Erleben Sie aktuell einen Neustart beim FC?

Absolut, ganz klar. Auch, weil der Trainer ein anderes System spielen lässt. Er will das Spiel dominieren, den Ball haben und das ist cool. Jeder Fußballer möchte lieber mit dem Ball als gegen den Ball spielen. Wenn ein neuer Trainer kommt, muss jeder sich neu beweisen. Das bedeutet, hart arbeiten, keine Sekunde nachlassen und alles rausholen. Sonst ist in der nächsten Sekunde dein Platz weg.

Wie läuft es aktuell im Training?

Es wird von Tag zu Tag besser. Am Anfang war es nicht so gut, weil wir erstmal die neue Spielweise reinbekommen mussten. Wir nehmen die Dinge an und versuchen, die Ideen des Trainers umzusetzen. Ich fühle mich schon viel besser auf dem Platz und sicherer mit dem Ball.

Ist das Kwasniok-System schwer zu verstehen, zu komplex?

Es klingt vielleicht kompliziert, ist aber es gar nicht. Es fordert einfach sehr viel Bewegung. Er will intensiv spielen. Das bedeutet viel laufen und den Ball haben wollen. Wir haben ein bisschen gebraucht, um es zu verstehen. Aber mittlerweile fängt das Rad an zu laufen und ist besser geölt. Es macht Spaß.

Sie waren im Januar der erste Neuzugang des FC nach der Transfersperre. In diesem Sommer gibt es viele Neue. Wie läuft es mit den Zugängen?

Wir haben eine Mannschaft, die es Neuzugängen leicht macht. Die vergangene Saison hat gezeigt, dass unser Mannschaftsgefühl ziemlich gut ist. Wir mussten viele schwierige Momente überstehen, haben viele Spiele mit nur einem Tor Unterschied gewonnen. Die Neuen passen alle gut rein. Das sind coole Jungs, die viel Qualität mitbringen.

Auf Ihrer Position als Rechtsverteidiger gibt es mit Sebastian Sebulonsen einen neuen Konkurrenten. Sind Sie jemand, der den Konkurrenzkampf braucht oder die Sicherheit, zu spielen?

Beides. Ich schätze den Konkurrenzkampf am Anfang der Saison, weil ich mich pushen muss, nicht abschalten darf, weil ich weiß, da ist einer, der ist genauso hungrig auf die Position wie ich. Das macht mich besser. In der Saison brauche ich das Gefühl, richtig drin und wichtig für die Mannschaft zu sein.

Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für die kommende Saison gesteckt?

Als erstes möchte ich richtig Fuß fassen beim FC. Ich will hier in Köln das zeigen, was ich in Graz gezeigt habe. Dazu muss ich Stammspieler sein, das ist das Ziel.

Sie waren in der 2. Liga Stammspieler, haben sich gegen Darmstadt am Sprunggelenk verletzt und beim 2:1 in Nürnberg am 33. Spieltag Ihr Comeback gefeiert. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Es war schwer, denn ich war verletzt und konnte nichts beitragen. Nach meinem zweiten Training ist Friedhelm Funkel zu mir gekommen und hat mir gesagt, dass ich in Nürnberg spielen soll. Und das nach sieben Wochen Verletzungspause. Für mich war das ein unglaublicher Push, weil ich sein Vertrauen gespürt habe. Friedhelm hat nur gesagt, dass er meine Erfahrung braucht. Das hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Ich habe eine Stunde gespielt und es war eine meiner besten Leistungen für den 1. FC Köln. Vielleicht auch, weil wir Viererkette gespielt haben.

Dann kam das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern und der Aufstieg.

Als ich nach Köln gekommen bin, wusste ich, dass wir am 18. Mai feiern werden. Wir mussten bis zu diesem Spiel zittern, aber als Eric Martel das 1:0 gegen Lautern gemacht hat, war das wie eine Befreiung. Alles, was danach kam, war unbeschreiblich, obwohl ich zur Halbzeit rausmusste. Köln ist schon einzigartig. Wenn ich anfangen würde, über diese Stadt und die Menschen zu sprechen, dauert das bis morgen früh. Alle sind so freundlich und offen. Gefühlt kann man mit jedem quatschen, den man trifft. Was den Punkt angeht, fühle ich mich sehr, sehr wohl.