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Totalversagen gegen Absteiger RegensburgBeim 1. FC Köln geht die Angst vor dem Scheitern um

Lesezeit 5 Minuten

Desillusionierte Blicke: Die Mannschaft des 1. FC Köln um Kapitän Timo Hübers (l.) nach dem 1:1 gegen Regensburg.

Den Forderungen der Fans zum Trotz bleibt Trainer Gerhard Struber beim taumelnden 1. FC Köln im Amt. So begründet Sportchef Christian Keller sein Festhalten am Österreicher.

Der SSV Jahn Regensburg ist nicht gerade als Auswärtsmacht bekannt. Einen ganzen Punkt hatte das weit abgeschlagene Schlusslicht vor seinem Gastspiel in Müngersdorf auf fremden Plätzen eingefahren und dabei ein grotesk anmutendes Torverhältnis von 7:48 angerichtet. Trotzdem brachte der 1. FC Köln als Tabellenführer der 2. Fußball-Bundesliga das Kunststück fertig, die Auswärtspunktezahl der Oberpfälzer zu verdoppeln. Das sprachlos machende 1:1 (0:0) vor eigenem Publikum rief Wut und Entsetzen auf den Rängen hervor und brachte das Fass zum Überlaufen. Die aufgebrachten FC-Fans forderten mit „Trainer raus“-Rufen die Trennung von Gerhard Struber. Dazu wird es zumindest vorerst aber nicht kommen. Sportchef Christian Keller, der von den Fans ebenfalls zum Gehen aufgefordert wurde, lehnte eine Entlassung des Österreichers im Saisonendspurt ab: „Das kann ich ausschließen, weil ich von sowas nichts halte.“

Mit einem Sieg hätten sich die Kölner am nächsten Freitag beim 1. FC Nürnberg ein erstes Matchballspiel zur Bundesliga-Rückkehr erarbeitet. Stattdessen wird die Luft für den entthronten Spitzenreiter immer dünner. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz schmolz auf drei Punkte zusammen. Wegen der deutlich schlechteren Tordifferenz gegenüber der SV Elversberg sind es genau genommen sogar nur noch zwei Zähler. In Anbetracht des schweren Restprogramms mit Spielen in Nürnberg und gegen den 1. FC Kaiserslautern geht die Angst vor dem Scheitern um. Zumal die Frage erlaubt sein muss, gegen wen die Struber-Elf überhaupt noch gewinnen will, wenn nicht im eigenen Stadion gegen einen limitierten Tabellenletzten, dessen vorzeitiger Abstieg seit Samstagabend besiegelt ist.

Die Stimmung ist so, als wenn wir gerade etwas komplett versaut hätten.
Christian Keller, FC-Sportchef

Christian Keller hatte nach dem vorläufigen Tiefpunkt der Saison nichts Besseres zu tun, als die eigenen Fans zu kritisieren. Die hatten früh im Spiel mit „Wir wollen euch kämpfen sehen“-Gesängen ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Und dies „vollkommen zu Unrecht“, rügte der FC-Sportchef. „Wenn ich eines nicht teilen kann, dann diesen Ruf. Die Mannschaft hat gekämpft. Es ist nicht angemessen gewesen, sie so an den Pranger zu stellen“, meinte Keller. Sein Gefühl: „Die Stimmung ist so, als wenn wir gerade etwas komplett versaut hätten. Wir haben eine große Chance vergeben, das ist uns bewusst. Deshalb sitzen die Jungs auch in der Kabine, als ob die Welt untergegangen wäre. Das ist aber einfach falsch, weil wir nach wie vor alles in der eigenen Hand haben.“ Keller wünschte sich eine positivere Betrachtung der Dinge: „Gegenwind wird die Herausforderung noch größer machen. Rückenwind wird helfen, um über die Hürden, die noch da sind, zu klettern.“

Gerhard Struber nahm die Entlassungsforderung des Kölner Publikums in gewohnt kühler Art auf. „Es ist natürlich nicht fein, wenn man das wahrnimmt. Gleichzeitig ist es eine gewisse Normalität. Wir sind so knapp vor dem Ziel, da habe ich Verständnis dafür, wenn eine gewisse Nervosität aufkommt. Wir dürfen uns von diesen Rufen als Team nicht auseinanderreißen lassen.“ Und weiter: „Wir erleben jetzt kurz vor Schluss eine Prüfung auf diese Art und Weise. Dass ich der Blitzableiter bin – das ist doch klar, dafür bin ich als Cheftrainer in der Verantwortung. Wir dürfen jetzt nicht in Hektik und Nervosität verfallen.“ Struber musste aber ebenso zugeben: „Das Ergebnis ist enttäuschend und niederschmetternd. Es ist ein ernüchternder Moment, weil wir eine ganz andere Erwartung gehabt haben, speziell was das Ergebnis angeht.“

Es ist ein sehr großer Zusammenhalt in der Mannschaft und auch zwischen Mannschaft und Trainerteam.
Christian Keller

Dabei war nicht nur das Ergebnis indiskutabel, sondern auch die Leistung. Gemessen an der Chancenqualität war das torlose Remis zur Pause sogar noch schmeichelhaft für die völlig verkrampft auftretenden Gastgeber. „Das Trikot hat bei beiden Mannschaften nicht gleich viel gewogen. Wir müssen damit umgehen, dass die Erwartungshaltung groß ist“, kommentierte Sportchef Keller. Selbst das Führungstor durch Tim Lemperle, der eine Hereingabe von Luca Waldschmidt überlegt ins lange Eck einköpfte (59.), reichte nicht aus, um die mentale Blockade zu lösen. Als sich der Torschütze gerade eine Trinkpause an der Seitenlinie gönnte, nutzte Noah Ganaus den einzigen gefährlichen Regensburger Vorstoß in der zweiten Halbzeit zum Ausgleich (76.).

Dabei blieb es, weil der FC weiter kopflos anrannte. „Wir haben die letzten zwei Spiele wirklich gar kein gutes Gesicht gezeigt. Ob das jetzt Angst ist, zu viel Respekt, das weiß ich nicht. Fakt ist, dass wir es nicht hinbekommen, so dominant aufzutreten, dass wir einen klaren Sieg einfahren“, rätselte Timo Hübers nach dem nächsten Kölner Totalversagen. Der Kapitän gab aber auch zu bedenken: „Wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Der Grundton ist gefühlt Abstiegskampf, was ich für den Moment auch verstehen kann. Aber letztendlich können wir eine Riesensache schaffen.“

FC-Sportchef Christian Keller ist vom Aufstieg weiter überzeugt

Vom Gelingen ebenjenes Aufstiegs ist Christian Keller nach wie vor überzeugt: „Weil die Mannschaft Qualität hat. Weil das Trainerteam Qualität hat. Weil die Mannschaft bereit ist, alles zu investieren. Weil sie total zusammensteht. Weil im Innenverhältnis Ruhe und Sachlichkeit herrscht. Alles im Bündel wird dazu führen, dass wir es am Ende hinkriegen.“ Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer sei unbelastet: „Es ist ein sehr großer Zusammenhalt in der Mannschaft und auch zwischen Mannschaft und Trainerteam.“

Gerhard Struber bleibe daher zu „100 Prozent“ im Amt – alarmierenden fünf Punkten aus den jüngsten fünf Spielen und 15 Rückrundentoren zum Trotz. „Eine Saisonanalyse können wir gerne machen, wenn die Saison vorbei ist“, entgegnete Keller. „Jetzt geht es darum, einen positiven Blick auf die nächste Aufgabe in Nürnberg zu richten. Ich denke nur an die Sachen, die wir brauchen, um dieses Spiel erfolgreich zu bestreiten.“ Ein Trainerwechsel zählt für den Kölner Sportchef nicht dazu.