Die Champions League feiert runden Geburtstag. Sie wurde 1955 als „Pokal der Meisterklubs Europas“ aus der Taufe gehoben.
70 Jahre Champions LeagueEin Journalist hat die Königsklasse erfunden

Im Alter von 70 Jahren längst ein riesiges Spektakel: Die UEFA Champions League - hier die Auslosung für 2025/26 in Monaco - ist der größte Klubwettbewerb der Welt.
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Ein verärgerter Journalist, ein gewiefter Spielevermittler und ein mächtiger Vereinspräsident: Das waren die Väter einer Idee, aus der Europas populärster und attraktivster Fußballwettbewerb wurde. Die Champions League fasziniert seit 70 Jahren die Fans, füllt die Kassen der Vereine und die Taschen der Stars. Alles war bei der Premiere 1955 viele Nummern kleiner – aber zu erkennen war früh, dass da ein Gigant heranwuchs.
16 Vereine waren vor 70 Jahren beim Start des Wettbewerbs dabei, der heute als Champions League die Fußballfans in ganz Europa fasziniert. Das Baby bekam den sperrigen Namen „Pokal der Meisterklubs Europas.“ Am 4. September 1955 wurde im Stadion Nacional von Lissabon vor 40.000 Zuschauern das erste Spiel angepfiffen – Sporting und Partizan Belgrad trennten sich 3:3, und Joao Martins trug sich als erster Torschütze ins Geschichtsbuch ein.
Die Wölfe sind die Meister der Welt.
Die Geburtsstunde des Europapokals aber war der 14. Dezember 1954 – ein Tag, der für Gabriel Hanot, den Fußball-Chefreporter der französischen Sportzeitung „L´Equipe“ (die Mannschaft), mit Ärger begann. Er las die englischen Zeitungen, die ihren Meisterklub Wolverhampton Wanderers für den 3:2-Wendesieg gegen das ungarische Wunderteam Honved Budapest abfeierten. „Die Wölfe sind die Meister der Welt“, tönte das Boulevardblatt „Daily Mail“.
Hanot schrieb sich seinen Ärger von der Seele: Unter der Überschrift „Nein! Wolverhampton ist noch nicht der Meisterklub!“ schlug der Journalist einen Wettbewerb der besten europäischen Vereine vor und skizzierte gleich ein Reglement. Die Klubs sollten in Hin- und Rückspiel in K.o.-Runden gegeneinander antreten; der Gesamtverlierer jeder Paarung schied aus, das große Finale sollte an einem neutralen Ort stattfinden.
Journalist Hanot war ein französischer Nationalspieler
Am 17. Juni 1955 wurde der Wettbewerb aus der Taufe gehoben, nachdem alle angeschriebenen Verbände zugestimmt hatten. Es war ein großer Tag für Gabriel Hanot, dessen Zeitung nicht zum ersten Mal ein epochales Sportereignis auf den Weg brachte: Unter dem Namen „L´Auto“ hatte die Vorgängerin der „L´Equipe“ die Idee der Tour de France entwickelt, durchgesetzt und als Veranstalter mitgeprägt.
Der ehemalige französische Nationalspieler Hanot, der in seinen Studienjahren in Berlin (1910 bis 1912) für den BFC Preußen gekickt hatte, fand einflussreiche Fürsprecher. Jules Ukrainczyk war als König der Spielevermittler ein Helfer und Türöffner für Hanot, denn er kannte in Fußball-Europa jeden, der wichtig war und Einfluss hatte. Santiago de Bernabeu war besessen von dem Ziel, Real Madrid zum größten Verein der Welt zu machen. Seine Macht und seine Entschlossenheit halfen dem Idealisten Hanot.
4,4 Tore pro Partie und 40.000 Zuschauer
40.000 Zuschauer kamen im Schnitt zu jedem der 29 Spiele der ersten Europapokal-Saison, es wurde attraktiver Fußball geboten, mit vielen Toren (4,4 pro Partie), es gab Spektakel und Sensationen - und am 13. Juni 1956 Paris im ausverkauften Prinzenpark ein dramatisches, hochklassiges Finale. 40.000 Zuschauer verabschiedeten den nach einem 0:2-Rückstand mit 4:3 siegreichen Real Madrid ebenso wie den französischen Verlierer Stade Reims mit langem Applaus.
Es war ein verheißungsvoller Start, dem eine rasante Wachstumsphase folgte. Die Treiber waren der moderne Flugverkehr, der Reisen zu Wochentagsspielen erträglich machte, das sich verbreitende Flutlicht, das Abendspiele ermöglichte und die Duelle in faszinierenden Glanz tauchte, und das Fernsehen, das den Fußball brauchte, um zum Massenmedium zu werden.
Die Initiatoren um Hanot und die Organisatoren der UEFA waren bei der Premiere schon froh gewesen, dass sich 16 Vereine aus 15 Ländern fanden, die zur Teilnahme bereit waren. Angesichts der Vorlaufzeit war es nicht möglich, die nationalen Titelrennen abzuwarten. So nahmen am ersten Europapokal nur fünf Meister teil. Ein Jahr später standen die Titelträger Schlange; 22 Vereine aus 21 Nationen wollten dabei sein.
Zwei deutsche Klubs am Start
Gleich zwei deutsche Vereine waren am Start, jeder mit einer besonderen Geschichte. Rot-Weiss Essen war früh für den Wettbewerb nominiert; Monate, bevor der Klub tatsächlich Meister wurde, denn der Klub hatte ein modernes Stadion mit Flutlicht und imposanter Tribüne. Ersatzgeschwächt verlor das Team von Trainer Fritz Szepan am 14. September 1955 das erste Spiel eines deutschen Vereins vor nur 6.000 Zuschauern an der Hafenstraße mit 0:4 gegen Hibernian Edinburgh und schied nach einem ehrenvollen 1:1 im Rückspiel aus.
Der zweite deutsche Vertreter war der 1. FC Saarbrücken, der in der Oberliga Südwest nur Dritter geworden war. Er bekam das Startrecht, weil das Saarland (bis 1957) politisch unabhängig war und wie eine europäische Fußball-Nation behandelt wurde. In der ersten Runde gewann der FCS im San Siro Stadion 4:3 gegen den AC Mailand – eine Sensation, die die italienischen Stars beim Rückspiel im Stadion Kieselhumes mit 4:1 geraderückten.
Sowohl für RWE als auch für den FCS war es die erste und letzte Teilnahme an einem Europapokalwettbewerb; die Klubs, deren bewegte Bundesligajahre lange zurückliegen, begegnen sich derzeit in der 3. Liga. Für Titelgewinner Real Madrid war es der erste von fünf Endspielerfolgen in Serie; mit 15 Triumphen ist der Klub der Rekordsieger des Wettbewerbs.
Santiago de Benabeu, Jules Ukrainczyk und Gabriel Hanot
So hatte es sich Santiago de Bernabeu wohl gewünscht. Das gigantische Stadion trägt weiter seinen Namen, der Patron ist seit seinem Tod 1978 unvergessen und Teil des Mythos Real geblieben. Jules Ukrainczyk blieb bis in die siebziger Jahre ein umtriebiger Vermittler; er verbrachte seinen Lebensabend in Paris. 1978 prophezeite er wortreich den Tod des Fußballs, ein Jahr später starb er selbst.
Gabriel Hanot starb 1968 weitgehend vergessen in seinem elsässischen Alterssitz Wangenbourg. Im Nachruf auf den Visionär, der 1956 auch die Wahl zu „Europas Fußballer des Jahres“ (heute als „Ballon d´Or“ eine weltumspannende Gala) ins Leben rief, wünschte sich das Fachmagazin „Kicker“ von der UEFA, einen europäischen Wettbewerb nach ihm zu benennen – vergeblich.