Bei der WM scheitern die Volleyballer früh. Zu oft fehlt der letzte Punch. Ein Branchenkenner sieht strukturelle Probleme.
Turnier auf den PhilippinenWM-Aus für Volleyballer: Ist der Aufschwung schon vorbei?

Georg Grozer (hinten links) konnte das Team nicht wie gewohnt mitreißen.
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Nach dem frühen Aus und dem Ende seiner Medaillenträume bei der Volleyball-WM stand Georg Grozer nur langsam von der Bank auf, tröstete dann aber seine jungen Mitspieler. Statt eine große Turnier-Bilanz zu ziehen, schaute der 40 Jahre alte Kapitän lieber direkt nach vorn.
„Ich fahre heim und versuche irgendwie, dieses Turnier zu vergessen. Dann gehe ich nach Shanghai und gebe mein Bestes, die Meisterschaft zu gewinnen“, sagte der Diagonalangreifer über seine Pläne für die kommende Saison in der chinesischen Liga.
Ob das 1:3 gegen die favorisierten Slowenen vielleicht sogar sein letztes Spiel im Nationaltrikot war, blieb unbeantwortet. Es ist nicht ausgeschlossen, aber auch nicht sehr wahrscheinlich. Zu sehr brennt der deutsche Ausnahmespieler der letzten Jahrzehnte noch für das Spiel. Als Fernziel träumt er davon, gemeinsam mit seiner Tochter Leana zu Olympia 2028 nach Los Angeles zu fahren.

Das deutsche Team hatte sich mehr erhofft.
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In den entscheidenden Momenten hapert es
Nach der rauschhaften Olympia-Qualifikation und den starken Auftritten in Paris im vergangenen Sommer wollte Grozer seine zweite WM-Medaille nach Bronze 2014 holen. Doch in einer schweren Gruppe unterlag das deutsche Team schon im ersten Spiel deutlich gegen Bulgarien. Nur gegen Außenseiter Chile gab es einen Sieg.
In den entscheidenden Momenten der Partien gegen Bulgarien und Slowenien zog die DVV-Auswahl stets den Kürzeren. „Es tut uns leid, dass wir heute, wie eigentlich bei der ganzen WM, die knappen Sätze alle abgegeben haben“, sagte Außenangreifer Erik Röhrs. Auch Grozer konnte in diesen Situationen das Team nicht wie gewohnt mitziehen. Den vierten Satz gegen Slowenien verfolgte er von der Bank.
„Von einem Georg Grozer kann man natürlich nicht erwarten, dass er bei jedem Turnier, bei jedem Satz, bei jedem Spiel das Niveau erreicht, was er vielleicht in seinen besten Jahren erreicht hat“, sagte Kaweh Niroomand, Geschäftsführer von Rekordmeister BR Volleys und einflussreicher Funktionär, der dpa.

Kaweh Niroomand von den Berlin Volleys sieht strukturelle Probleme.
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Für den 72-Jährigen machte sich das Fehlen von Zuspieler Johannes Tille, der diesen Sommer aussetzte, deutlich bemerkbar. Auch andere Spieler aus Paris fehlten. Lukas Kampa ist zurückgetreten, Ruben Schott pausierte ebenfalls und Julian Zenger musste operiert werden.
Niroomand: Kaderförderung zu viel dem Zufall überlassen
Zwar sei die Gruppe schwer gewesen, aber auch nicht auf allerhöchstem Niveau, sagte Niroomand. „Bulgarien und Slowenien werden sicher keine Goldmedaille holen.“ Die Sorge ist da, dass der zarte Aufschwung nach den aufmunternden Ergebnissen der letzten Jahre wieder verpufft. „Den Erfolg kann man vermarkten, wenn er sich verstetigt“, sagte Niroomand.
Er regt auch strukturelle Veränderungen an. „Ich plädiere seit Jahren dafür, dass Deutschland ein bundesweit einheitliches und auch gut kontrolliertes Nachwuchssystem braucht, damit wir Masse erzeugen können“, sagte er. „Wenn ich böse wäre, könnte ich sagen, die Kaderförderung ist dem Zufall in Deutschland überlassen und nicht einem System.“

Bundestrainer Michał Winiarski hofft auf einen Lerneffekt.
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Zwar sei der Austausch zwischen dem Deutschen Volleyball-Verband und der Bundesliga gut, doch es stecke zu wenig Systematik dahinter, befand der 72-Jährige. Um diese zu erreichen, würde aus seiner Sicht auch ein hauptamtlicher Bundestrainer helfen. Michal Winiarski habe die Qualität, aber sei während der Club-Saison mit seinen Aufgaben als Vereinstrainer beschäftigt.
Wer kommt nach Grozer?
Auch der Pole bemängelte, dass sich das Team in den wichtigen Momenten nicht durchsetzen konnte, sah aber auch Positives. „Ich glaube, wir haben heute unser bestes Spiel hier gemacht“, sagte Winiarski. „Ich kann den Jungs nichts vorwerfen.“ Für die Zukunft seien diese Erfahrungen wichtig.
Auf der Außenangreifer-Position und im Mittelblock sei man gut aufgestellt für die nächsten Jahre, befand Niroomand. Mit Tille wird ein Zuspieler von internationalem Format im nächsten Sommer bei der EM wahrscheinlich wieder dabei sein. Doch schon jetzt müsse man auf dieser Position weitere Optionen fördern, forderte Niroomand.
Ebenso bei den Diagonalangreifern, wo Filip John in der VNL gute Ansätze zeigte. Gut möglich, dass Grozer im kommenden Sommer zumindest eine Pause nimmt. Es wäre ein wichtiger Test für das Team ohne den Fixstern der letzten Jahre. (dpa)