Europa LeagueLeverkusen fehlen die Mittel gegen Mourinhos Taktik

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Kerem Demirbay von Bayer Leverkusen sitzt enttäuscht am Boden.

Bayer Leverkusen ist trotz großer Dominanz und vieler Chancen gegen AS Rom ausgeschieden.

Bayer 04 Leverkusen ärgert sich nach dem Halbfinal-Aus in der Europa League über das unsportliche Verhalten von Gegner AS Rom, übt aber auch Selbstkritik.

José Mourinho ballte die Faust und umarmte seine Mitstreiter auf der Bank. Dann war es an der Zeit, in die Rolle zu schlüpfen, mit der der Portugiese sich   seinen Beinamen „The Special One“   verdient hat. Der Trainer der AS Rom lächelte die verbalen Vorwürfe von Bayer 04 Leverkusen nach dem Rückspiel in der Europa League süffisant weg. „Dieses Spiel ist die Summe unserer Arbeit: Erfahrung, taktische Klugheit, das Wissen, wie wir im Spiel bleiben und es in Richtung unserer Stärken lenken, um unsere Probleme zu verbergen“, sagte Mourinho nach dem 0:0 in der BayArena und dem Einzug in das Finale der Europa League am 31. Mai in Budapest gegen den FC Sevilla.

Die leichte Arroganz in seinem Auftritt musste die Leverkusener bis ins Mark treffen. Mourinho legte den Finger in die tiefe Wunde, lobte sein bis an die äußerte Grenze destruktiv auftretendes Team über den grünen Klee und heiligte seine Mittel mit dem Zweck: „Ich denke, das ist die alte Geschichte. Das Verlierer-Team sieht das als Ausrede, aber umgekehrt würden sie wahrscheinlich genau das Gleiche machen“, sagte Mourinho und meinte das aufreizende, ja schon unverschämte Zeitspiel der Roma.

Simon Rolfes schimpft über römisches Zeitspiel

Tatsächlich war die unschöne und unfaire, vom Regelwerk aber legitimierte Schauspielerei nach dem Schlusspfiff eines der vorherrschenden Themen im Lager der Verlierer. Auf Basis der langen Nachspielzeiten bei der WM 2022 hätte der Unparteiische Slavko Vincic anstatt acht 20 Minuten dranhängen müssen, schimpfte Simon Rolfes: „Ansonsten lässt der Schiedsrichter sich verarschen, wenn er das mit sich machen lässt.“ Nach jedem musste „ein Römer fast mit der Trage runtergetragen werden musste, so schwer waren die verletzt“, ärgerte sich der Bayer-Sportchef. Wie dreist die Italiener vorgingen, erklärt die Szene, als ein Römer merkte, dass er außerhalb des Spielfelds zu Boden gegangen war und sich daraufhin schnell zurückholte, um die Partie zu unterbrechen.

Ohne solch einen Schiedsrichter hätte das Spiel chaotisch werden können.
José Mourinho, Trainer AS Rom

Vincic machte die Spielchen alle mit und heimste dafür ein großes Lob vom Architekten  des römischen Abwehr-Bauwerks ein. „Das war ein fast schon episches Spiel gegen einen guten Gegner mit einem tollen Schiedsrichter. Ohne solch einen Schiedsrichter hätte das Spiel chaotisch werden können“, sagte Mourinho ohne mit der Wimper zu zucken. Der Erfolg gibt ihm recht. Mit Rom hat er 2022 in der Conference League triumphiert und bestreitet nun gegen Sevilla sein sechstes Europapokal-Finale als Trainer. Bislang hat er alle gewonnen.

Von solchen Erfolgen können sie in Leverkusen weiter nur träumen. Was sicher auch an der provokanten und nervenden Spielweise des Gegners lag, vor allem aber an den eigenen Unzulänglichkeiten. Denn obwohl Coach Xabi Alonso sein Team nach dem fahrlässigen 0:1 im Hinspiel bestens vorbereitet und mit einem guten Plan in das Rückspiel geschickt hatte, konnte der Bundesligist das italienische Bollwerk wie vor einer Woche nicht knacken.

23:1-Torschüsse für Bayer Leverkusen

Bayer spielte gut, engagiert, leidenschaftlich, blieb aber in vorderster Linie ungefährlich. Ein Lattenkracher von Moussa Diaby (12.) und eine Großchance von Sardar Azmoun (81.) waren abgesehen von vier mehr oder weniger gefährlichen Fernschüssen Kerem Demirbays die ganze Ausbeute der Bemühungen. Bei allem Ärger über die zermürbende Taktik des Gegners, sparten die Leverkusener nicht an Selbstkritik. „Das war kein Fußball von Rom. Aber wir müssen auch erwachsener spielen“, sagte etwa Nadiem Amiri.

Auf dem Niveau eines Europa League-Halbfinals bestätigten sich die Befürchtungen, dass das Team von Xabi Alonso ohne den leistengeplagten Torjäger Patrik Schick ein Problem in vorderster Linie hat. Was sich zuletzt in den Bundesligaspielen schon andeutete, brach Bayer 04 gegen die Roma das Genick. Es fehlte den Hausherren gegen die vielbeinige italienische Abwehr an der letzten Konsequenz im Strafraum. So reichten Leverkusen am Ende selbst 23:1-Torschüsse und 72 Prozent Ballbesitz nicht aus, um Mourinhos Erfolgsrezept zu entzaubern.

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