„Darf nicht passieren“Fans und Bundestrainerin kritisieren VAR im EM-Finale

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Voss-Tecklenburg

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg

Es war die Szene des Endspiels von Wembley, welche der deutschen 1:2-Niederlage einem bitteren Beigeschmack verleiht: In der 26. Minute hatte es nach einem offensichtlichen Handspiel einer englischen Spielerin trotz VAR-Überprüfung in der 26. Minute keinen Elfmeter gegeben. 

Die Spielerinnen thematisierten die Szene nicht mehr groß, als sie nach der Partie geknickt zum Bus gingen. In den sozialen Netzwerken zeigte sich derweil der Ärger auf deutscher Seite. 

Viele Fans posteten die Szene, nach der ein Strafstoß für die DFB-Frauen hätte folgen müssen und erklärten ihr Unverständnis für die sportlich Leitung einer so wichtigen Partie.

Auch Fußball-Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalteams im DFB, fanden nach dem verlorenen Spiel deutliche Worte „Auf so einem Niveau darf das nicht passieren“, monierte Voss-Tecklenburg und sprach von einem „klaren Handspiel“ durch Leah Williamson im Strafraum.

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Ihre Kritik richteten sie einzig und allein an der Entscheidung der Videoassistenten. Im Fußball gebe es immer „Entscheidungen, die auch mal nicht richtig sind“, betonte die 54-Jährige auf die Nachfrage, ob sie sich betrogen fühle - sie wolle vielmehr die Frage geklärt haben: „Warum passiert so etwas? Warum schaut die Schiedsrichterin sich das nicht an? Das ist der Auftrag.“

Chatzialexiou bezeichnete die Entscheidung als „unverständlich, das macht es noch bitterer“. Bei den Schiedsrichtern und vor allem den Videoassistenten gebe es generell „Optimierungsbedarf. Das war jetzt das dritte oder vierte Mal in dem Turnier, unabhängig von deutscher Beteiligung, dass nicht so eingegriffen wurde, wie wir es kennen. Das ist sehr enttäuschend. Wenn einem das so weggenommen wird, dann tut es weh“.

Pressestimmen: „Die Löwinnen haben die Titanen des Frauenfußballs besiegt“ 

Die englischen Gazetten haben unterdessen überschwänglich den EM-Triumph der Lionesses am Sonntag in Wembley gefeiert. „Die Löwinnen besiegeln mit einem historischen Sieg 56 Jahre voller Schmerzen. Der tiefste Schmerz der englischen Sportpsyche ist beseitigt“, schrieb der Telegraph. Die Daily Mail ergänzte: „Die Löwinnen haben die Titanen des Frauenfußballs besiegt.“ Der Daily Express kommentierte: „All die Jahre des Schmerzes sind vorbei. Fußball ist endlich nach Hause gekommen.“

Die internationalen Pressestimmen im Überblick:

England

The Telegraph: „Die Löwinnen besiegeln mit einem historischen Sieg 56 Jahre voller Schmerzen. Der tiefste Schmerz der englischen Sportpsyche ist beseitigt. Deutschland, der achtmalige Champion, sah über weite Strecken des Turniers wohl besser aus, aber die Gastgeberinnen ritten ihr Glück.“

Mirror: „Inspirierende Frauen gewinnen Englands ersten Fußballtitel seit 56 Jahren. Englands historischer Sieg ist ein Beweis dafür, wie weit der Frauenfußball gekommen ist.“

Daily Mail: „Es war kein Traum...wir HABEN Deutschland in einem Finale besiegt! Für die Nation, die das Spiel erfunden hat, ist das Endspiel der Frauen-EM der größte sportliche Triumph im Leben der meisten, die das Glück hatten, dabei zu sein. Das war wirklich inspirierend – und zwar für alle Altersgruppen und beide Geschlechter. Die Löwinnen haben die Titanen des Frauenfußballs besiegt.“

The Guardian: „Als Englands Männer das letzte Mal einen großen Pokal gewannen, die WM 1966, war es Frauen untersagt, in irgendeiner Form wettbewerbsmäßigen Fußball zu spielen. Jetzt, gegen denselben Gegner im selben Stadion, ist der englische Fußball – der gesamte, nicht nur die Hälfte - auf die oberste Stufe des Podiums aufgestiegen.“

Daily Express: „Die Löwinnen haben es geschafft, was für ein Moment für uns alle. Unser Land war in der Flaute; die Pandemie hat uns niedergeschlagen; wir haben eine anhaltende Lebenshaltungskostenkrise. Aber gestern lieferte die englische Frauenfußball-Mannschaft die perfekte Stärkung. (...) Die Löwinnen haben im Wembley-Stadion die Geschichte des englischen Fußballs neu geschrieben. All die Jahre des Schmerzes sind vorbei. Fußball ist endlich nach Hause gekommen. Und wer weiß, vielleicht inspiriert der Triumph der Löwinnen sogar die englische Mannschaft von Southgate bei der Weltmeisterschaft in Katar im November.“

Daily Star: „Es ist alles vorbei ...WOW! Und begeisterte Fans im ganzen Land versenkten 10 Millionen Pints, als sie auf den Triumph anstießen – was der Wirtschaft innerhalb von nur 24 Stunden einen dringend benötigten 40-Millionen-Pfund-Schub verlieh.“

Deutschland

Kicker: „Schock in der Verlängerung: DFB-Frauen verlieren ohne Popp EM-Finale gegen England. Der ganz große Wurf blieb den DFB-Frauen verwehrt. Ohne die verletzte Kapitänin Alexandra Popp verloren sie das EM-Finale gegen England in der Verlängerung mit 1:2. Für die Lionesses ist es der erste EM-Titel.“

Süddeutsche Zeitung: „England besiegt Deutschland - Schock in der 110. Minute. Im tosenden Wembley-Stadion muss die deutsche Auswahl den kurzfristigen Ausfall von Kapitänin Popp verkraften und unterliegt England in der Verlängerung. Das Finale ist geprägt von Zweikämpfen - und mindestens einer strittigen Elfmeterszene.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Nach dem Drama fließen die Tränen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen verliert das EM-Finale in London gegen England auf dramatische Weise in der Verlängerung. Das Team überzeugt – aber Kapitänin Alexandra Popp fehlt.“

Spiegel: „England feiert historischen Sieg in Wembley. In einem langen EM-Finale hat die DFB-Elf mit 1:2 das Nachsehen: Die Engländerinnen erkämpfen sich vor heimischer Kulisse den Sieg in der Verlängerung.“

Bild: „ Wieder Wembley-Betrug. Deutschland weint mit unseren Fußball-Frauen – und ärgert sich über den neuen Wembley-Betrug! Bei der 1:2-Pleite nach Verlängerung werden wir fast genau 56 Jahre nach dem Skandal um das Wembley-Tor schon wieder betrogen.“

Spanien

Marca: „Deutschland war in der Verlängerung die bessere Mannschaft, das Tor von Kelly war ein Schlag auf Deutschlands Genick.“

AS: „England hat eine neue Königin. Chloe Kelly entscheidet das beste Frauen EM-Finale aller Zeiten. Die Frauenfußball-Party hatte das glücklichere Ende für den Gastgeber. Wenn Deutschland gewonnen hätte, hätte sich auch keiner beschweren können.“

Sport: „Schon wieder Wembley. Schon wieder eine Verlängerung. Die Tränen waren allerdings in diesem Fall süß. England holt zum ersten Mal den EM-Titel in einem Spiel, bei dem es hin-und herging. Es stimmt, jetzt ja, der Fußball “it's coming home„“.

El Mundo Deportivo: „Deutschland zeigte Charakter und Mentalität, doch diesmal fehlte auch ein Quäntchen Glück.“

Niederlande

NRC: „Die Fußball-EM war schön, aber es gibt noch einen langen Weg zurückzulegen. Das ändert nichts daran, dass das Turnier auf englischem Boden in sportlicher, kommerzieller und werbewirksamer Hinsicht ein Erfolg war. Diese Sportart wird sich in Europa in einem hohen Tempo weiterentwickeln, vielen geht es noch nicht schnell genug.“

Trouw: „Mit dem Sieg im EM-Finale macht sich Sarina Wiegman in England unsterblich.„

De Volkskrant: “Sarina Wiegman macht es: Auch mit England wird sie Europameisterin. Für nichts Geringeres wurde sie angestellt. Ihr Transfer von den Niederlanden nach England spiegelt die veränderten Machtverhältnisse im Frauenfußball wider.“(oke, sid, dpa)

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