Trikottausch wird zur StaatsaffäreViel Kritik am Mega-Deal – Kölner Sportökonom sieht richtigen Zeitpunkt

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Die Trikots der deutschen Nationalmannschaft von Adidas sind am 22. März 2024 im offiziellen Geschäft in Frankfurt am Main, Westdeutschland, vor internationalen Freundschaftsspielen der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Frankreich und die Niederlande abgebildet.

Der Ausrüstungswechsel beim DFB sorgt für großes Aufsehen und Kritik. (Symbolbild)

Der Ausrüsterwechsel des DFB hat eine Welle der Kritik ausgelöst. Das denkt ein Kölner Sportökonom über den DFB-Deal mit Nike.

Die Fanseele kocht, die Politik poltert und die Erklärungsversuche der DFB-Funktionäre laufen ins Leere: Der überraschende Ausrüsterwechsel der deutschen Nationalmannschaft von adidas zum US-Hersteller Nike weitet sich zur Staatsaffäre aus. Die neue Zeitrechnung mit dem Swoosh auf dem Trikot statt der legendären drei Streifen sorgt für hitzige Diskussionen.

Während Nike und der Deutsche Fußball-Bund sich nach dem Millionen-Coup ab 2027 die Hände reiben, gehen traditionsbewusste Anhänger und Volksvertreter in Berlin in selten erlebter Einigkeit auf die Barrikaden. Selbst die oft zerstrittene Ampelregierung sprach in der „Causa Trikottausch“ mit einer Stimme.

Überraschender Ausrüstungswechsel

Nach Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der fehlenden „Standortpatriotismus“ bemängelte, keilte neben anderen auch Karl Lauterbach (SPD) gegen den Verband.

„Halte ich für eine Fehlentscheidung, wo Kommerz eine Tradition und ein Stück Heimat vernichtet“, schrieb der Gesundheitsminister bei X.

Kölner Sportökonom hält Wechsel für einen klugen Schachzug

Sportökonom Christoph Breuer hielt dagegen. „Für den DFB muss man sagen, ist das ein wichtiger Geschäftsabschluss zum richtigen Zeitpunkt“, sagte der Experte der Deutschen Sporthochschule Köln dem SID.

Auch den Gegenwind aus der Politik entkräftete Breuer, der Deal mit dem US-Riesen Nike sei „wirtschaftlich nachvollziehbar und auch aus politischer Sicht würde ich den Deal begrüßen“. Mit „geschätzten 50 Millionen Euro mehr Einnahmen im Jahr“ könne der Verband nämlich „um so mehr in Kinder- und Jugendsport sowie in den Frauen- und Mädchenfußball investieren, und das dient der Gesellschaft“, sagte Breuer.

Nach Bekanntwerden des Deals, der dem DFB dem Vernehmen nach von 2027 bis 2034 mindestens 100 Millionen Euro im Jahr bringen soll, war die Causa zur Staatsaffäre geworden. Zahlreiche Politiker äußerten sich dazu, Wirtschaftsminister Robert Habeck hätte sich „ein Stück mehr Standortpatriotismus gewünscht“, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete den Wechsel als „falsch, schade und auch unverständlich, dass diese Geschichte jetzt enden soll“.

Aus Fansicht konnte auch Breuer den Unmut nachvollziehen. Es sei „ein Paukenschlag“ gewesen, weil „der DFB einen Großteil der Unternehmensgeschichte von adidas ausmacht – und auch umgekehrt“.

Mega-Deal mit größer Sportmarke der Welt

Fest steht: Mit dem Mega-Deal steigt der DFB in die Sphären der höchstbezahlten Fußball-Teams der Welt auf. Nike wird alle deutschen Nationalteams über acht Jahre bis Ende 2034 ausstatten und stach adidas nach mehr als 70 Jahren laut Handelsblatt mit einem Angebot im dreistelligen Millionen-Bereich pro Jahr (insgesamt rund 800 Millionen Euro) aus. Zum Vergleich: Real Madrid kassiert von adidas laut Berichten 120 Millionen pro Saison, der FC Barcelona 105 Millionen von Nike.

Der US-Gigant erweiterte sein Portfolio nun mit einer höchst prestigereichen Marke und jubelte entsprechend laut über den Coup. Der DFB sei eine „legendäre globale Kraft im Fußball, die unsere Leidenschaft für den Sport teilt“, teilte das Nike Europe dem SID mit. Konzernchef John Donahoe rühmte sein Unternehmen als „größte Sportmarke der Welt“. Das deutsche Team unter Vertrag zu nehmen, sei eine „große Ehre“, man wolle die Spieler zu Weltstars machen.

Partnerschaft mit vielen besonderen Momenten geht zu Ende

Unterdessen versuchte der DFB den Sturm der Entrüstung einzufangen. „Wir verstehen jede Emotionalität. Auch für uns als Verband ist es ein einschneidendes Ereignis, wenn feststeht, dass eine Partnerschaft, die von vielen besonderen Momenten geprägt war und ist, nach mehr als 70 Jahren zu Ende geht“, hieß es in einem Statement des größten Sportverbands der Welt: „Das lässt uns nicht kalt.“ Nike habe allerdings „das mit Abstand beste finanzielle Angebot abgegeben“.

Bei der bevorstehenden Heim-EM wird das Männer-Team sein Basecamp im Sommer noch im „Home Ground“ bei adidas am Firmensitz in Herzogenaurach aufschlagen und in den gerade erst vorgestellten Trikots spielen. Die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko wird dann zu einem Abschied für den deutschen Sportartikelriesen. In adidas-Jerseys hatte das deutsche Team seine großen Triumphe gefeiert, zuletzt 2014 mit dem WM-Titel in Brasilien.

„Ich kann mir das deutsche Trikot ohne die drei Streifen kaum vorstellen“, sagte Habeck. So wie dem Grünen-Politiker geht es vielen. Auch Präsident Herbert Hainer von Bayern München, der lange bei adidas an der Spitze stand und mit seinem Klub weiter mit dem Unternehmen kooperiert. „Ich kenne die Details und Hintergründe nicht“, sagte der 69-Jährige: „Aber ich bin schon überrascht, dass diese Entscheidung nach einer über 70 Jahre langen erfolgreichen Partnerschaft nun so vom DFB getroffen wurde.“ (SID)

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