Ein nervöser Bundestrainer Nagelsmann und ein ausgepfiffener 90-Millionen-Stürmer Woltemade zeigen, wie schnell im Profifußball die Stimmung umschlagen kann.
Nach Spiel der Nationalelf gegen IrlandWenn Fußballfans die Geduld verlieren

Fans von Deutschland sind zu sehen mit einem Banner während des Qualifikationsspiels zur WM 26 zwischen Deutschland und Nordirland in Köln
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Nirgendwo schlägt die Stimmung mitunter so schnell um wie im Profifußball. Die Fehlertoleranz sinkt in einem solch hochbezahlten Hamsterrad rapide. Lapidar wird dann ausgerufen, dafür bekämen die Protagonisten ja viel Schmerzensgeld. Stimmt zwar, macht es aber für die Betroffenen nicht einfacher. Bundestrainer Julian Nagelsmann wird sich schon wundern, dass ihn vielleicht dieselben Menschen, die ihn im Sommer 2024 zugejubelt haben, mittlerweile deutlich distanzierter betrachten. Der 38-Jährige muss sich dafür rechtfertigen, Fingernägel zu kauen, was er zum eigenen Bedauern bereits seit der F-Jugend tue. Habe nichts zu bedeuten. Doch jede Geste wird in Krisenzeiten gedeutet, worauf der Coach reklamierte: Wenn er sich nicht mal mehr sich über die Essenz des Spiels freuen dürfe, ja worüber dann noch?
Der andere Beleg für die Schattenseite des Geschäfts hieß an dem lauen Kölner Sommerabend Nick Woltemade. Der gebürtige Bremer, der nicht in Verdacht steht, dass ihm die Bodenhaftung abhandengekommen ist, hat den Unmut abbekommen. Sein viertes Länderspiel endete mit einer Auswechslung unter Pfiffen. Viele Bundesligaeinsätze für Werder Bremen sahen viel unglücklicher aus, als dieser Auftritt für die Nationalmannschaft. Von ihm prallte der Ball für die frühe Führung zu Serge Gnabry ab. Dennoch haben ihn einige Fans den glücklosen Vortrag vorgehalten, weil dem Hünen ein Etikett umhängt. 90 Millionen Euro Ablöse hat Newcastle United für ihn gezahlt, das Dreifache des Markwertes. Aktuell wird jede Aktion des Hünen mit diesem Preis verglichen. Das ist natürlich gemein, weil der 23-Jährige nichts dafür kann, dass ein neureicher Klub aus der Premier League so viel Mittel für den besten Nachwuchsstürmer der U21-EM locker gemacht hat.
Die Reaktion von den Rängen zeigt jedoch auch, wie viel von dem Bonus der Heim-EM die DFB-Auswahl schon wieder verspielt hat. Diese Phase scheint verdammt schwierig. Überzeugen muss die Nationalmannschaft in den restlichen vier WM-Qualifikationsspielen mit mehr Hingabe, mehr Energie und deutlich besserem Fußball, will der vierfache Weltmeister bei der WM-Auslosung in nur drei Monaten nicht als Platzhalter in der Warteschleife hängen. Die Playoffs gilt es unter allen Umständen zu vermeiden – das solle die DFB-Auswahl im Oktober und November bitte auch ausstrahlen. Das Gute: Die Stimmung dreht sich schnell. In alle Richtungen.
