Kölner Serie „Spurensuche“Als Marlene Dietrich 1960 in Köln gastierte

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Marlene Dietrich hat ihren Kopf auf ihren verschränkten Händen, die auf einem Tisch liegen, abgelegt.

1960 kam Marlene Dietrich nach langer Abwesenheit zurück nach Deutschland.

Die wirklich großen Stars haben keinen Vornamen, sondern einen Artikel. So auch „die Dietrich“. 1960 kam die Film-Diva auch nach Köln für einen Auftritt im Ufa-Palast. Anselm Weyer hat sich auf „Spurensuche“ im Nachkriegsdeutschland begeben.

Ein Weltstar kehrte im Mai 1960 nach langer Abwesenheit zurück in seine deutsche Heimat und gastierte dabei auch im Kölner Ufa-Palast am Hohenzollernring 22. Marlene Dietrich Rückkehr traf aber nicht nur auf Begeisterung. „Marlene go home!“ prangte auf einigen Transparenten. Die berühmte Schauspielerin und Sängerin wurde als Vaterlandsverräterin bespuckt und bedroht.

Der Film Der blaue Engel machte die 1901 geborene Marlene Dietrich 1930 berühmt und brachten sie nach Hollywood. Von dort wollte die deutsche Staatsführung, allen voran Joseph Goebbels, sie nach 1933 gerne zurückholen. Man stellte ihr astronomische Gagen in Aussicht. Marlene Dietrich aber lehnte nicht bloß ab. Nach Kriegsausbruch zog sie sogar die amerikanische Uniform an, um Nazi-Deutschland zu bekämpfen. Sie reiste in eigener Person zur Belustigung der Soldaten an die Front und wäre dabei fast einmal gefangen genommen worden. Nicht auszudenken, was mit ihr geschehen wäre, hätten die Nationalsozialisten sie in die Finger bekommen.

Marlene Dietrich engagierter sich nach Kriegsende für Freunde in Deutschland

Nach Kriegsende engagierte sich Marlene Dietrich für Freunde und Verwandte in Deutschland, schickte beispielsweise Pakete in die Dürener Straße 64 in Lindenthal, wo ihre Cousine Brigitte Correns verwitwet lebte. Öffentliche Auftritte des Weltstars in Deutschland blieben aber aus. Bis zum Mai 1960. Die deutsche Öffentlichkeit war gespalten.

„Vor zehn Jahren, als wir anfingen, uns wieder hochzurappeln, hätten wir sie gerne hier gehabt“, kommentierte eine Kölner Zeitung. „Da haben wir darauf gewartet, dass der Weltstar aus Deutschland ein gutes Wort für die alte Heimat fände.“ Vergeblich. Dabei sei der ehemalige Ufa-Star ja nicht einmal „ein vom Hitlerwahn vertriebener Emigrant“. Nun aber sei es zu spät.

„Ich freue mich aufrichtig, Deutschland wiederzusehen“, entgegnete Dietrichs auf ihrer Pressekonferenz in Deutschland auf derlei Vorwürfe: „Bedenken Sie aber bitte, dass heute fast alle meine privaten Bindungen dort sind, wo ich seit fast drei Jahrzehnten zu Hause bin; in einem Land, das mich mit offenen Armen aufgenommen und mir Bürgerrechte gegeben hat.“

Eine Mischung aus Verehrung und Spießrutenlauf

Also begann für die inzwischen 59 Jahre alte Künstlerin am 3. Mai 1960 im Titania-Palast in Berlin-Steglitz eine Mischung aus Verehrung und Spießrutenlauf. Vor dem Theater Menschen, die sie als „Vaterlandsverräterin“ beschimpften. Drinnen begeistertes Publikum, deren stehenden Ovationen kaum enden wollten – allen voran Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt, selbst Emigrant. In Düsseldorf wurde Dietrich von einem 18-Jährigen Mädchen angespuckt: „Ich hasse diese Frau, die Deutschland im Kriege verraten hat“, rief es. „Wie können die Leute nur bravo rufen“.

Marlene Dietrich blieb gelassen. Sie weigere sich, „sich von einem blonden Nazi von der Bühne vertreiben zu lassen“, gab sie zu Protokoll. Ob sie denn keine Angst habe, wurde sie gefragt. „Das Einzige, wovor ich mich fürchte, sind Eier“, erläuterte sie dem verdutzten Reporter. „Ich habe einen Schwanenmantel, und wenn den ein Ei trifft, dann weiß ich nicht, was ich tue. Den kriegte man in aller Ewigkeit nicht wieder sauber.“

Und so trat sie am 19. Mai 1960 dann auch in Köln auf, im von Wilhelm Riphahn erbauten und 1955 wiedereröffneten Ufa-Palast – wenn auch nicht vor ausverkauftem Haus. Die Karten für die 1400 Plätze waren nicht gerade billig – teurer jedenfalls als vor ein paar Monaten beim Gastspiel von Maria Callas. „Vor 20 Uhr schon – die Veranstaltung begann um 20.30 Uhr – war sie in einem grauen Düsseldorfer Mercedes 220, Baujahr 1960, auf dem Friesenwall aufgekreuzt, wo sich um drei Polizisten vor einem der beiden Hintereingänge des Ufa-Palastes eine Anzahl Neugieriger geschart hatte“, berichtet die Kölnische Rundschau. „Blitzschnell war Marlene im Innern des Gebäudes verschwunden, sodass einige der Zuschauer hätten schwören mögen, sie sei es gar nicht gewesen.“ Drinnen gab Marlene Dietrich, begleitet von Burt Bacharach und Orchester, ihre größten Hits zum Besten: Von „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ über „Ich bin die fesche Lola“ bis hin zu „Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht“. „Sie stand da oben im Scheinwerferlicht in ihrem funkelnden hautengen Strasskleid, wie eine Königin konturiert durch den enormen Schwanenpelzmantel und verbeugte sich tief und tiefer“, schreibt die Rundschau. „Und als irgendwo in den Reihen des Saals ein Fotograf blitzte, verwies sie es ihm mit schlankem Finger: „Das sollten Sie nicht tun! Das stört nämlich das Publikum!„“

In Braunsfeld nahm sie ihr musikalisches Vermächtnis auf

Andererseits störte auch das Publikum, nämlich bei den Tonaufnahmen. Marlenes Rückkehr in die Heimat sollte selbstverständlich auch als Platte für Einnahmen sorgen: Wiedersehen mit Marlene sollte diese heißen. Weil die live aufgenommenen Lieder aber nicht die gewünschte Qualität hatten, verschlug es Marlene Dietrich am Sonntag, 17. August 1960, zurück nach Köln, in die EMI Studios am Maarweg 149 in Braunsfeld, damals eines der modernsten Aufnahmestudios der Welt. „Bis sechs Uhr morgens erlebten die Tontechniker der Electrola Marlene Dietrich, wie sie mit äußerster Konzentration arbeitete, aber auch sprühende Laune um sich verbreitete“, meldete die Rundschau.

„In einer Aufnahmepause meinte sie: Schade, dass heute die Geschäfte geschlossen sind, ich schwärme doch so für Malzbier und Kognakbohnen, und das gibt's drüben in Amerika nicht.“ Nach einem kurzen Mitternachtsmahl in der Bastei, wo zur Stärkung Champignoncremesuppe, Rehrücken, eine Tasse Kaffee und Bier serviert wurden, ging es bis in die Morgenstunden weiter. Am Montag früh um 7 Uhr 20 verließ Marlene Dietrich Köln dann mit Zug Richtung Paris, von wo sie nachmittags nach New York zurückflog. Zurück blieb das musikalische Vermächtnis ihrer spektakulären Rückkehr nach Deutschland – aufgenommen in Braunsfeld.

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