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Angriffe auf „Drogenboote“Schoss US-Militär in zweitem Angriff auf Überlebende? Hegseth vor Kongress

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Das Bild soll vor dem Angriff des US-Militärs auf ein angebliches Drogenboot am 2. September entstanden sein. Dabei wurden elf Menschen getötet.

Das Bild soll vor dem Angriff des US-Militärs auf ein angebliches Drogenboot am 2. September vor Venezuela entstanden sein. Dabei wurden elf Menschen getötet. 

Erneut hat das US-Militär bei einem Schlag gegen angebliche Drogenschmuggler acht Menschen getötet. Die Angriffe sind höchst umstritten.

Bei Angriffen auf drei angebliche Drogenboote im Ostpazifik sind nach Angaben des US-Militärs acht Menschen getötet worden. Geheimdienstinformationen hätten bestätigt, dass die Schiffe auf bekannten Drogenhandelsrouten im Ostpazifik unterwegs und im Drogenhandel tätig gewesen seien, erklärte das US-Südkommando am Montag (Ortszeit) im Onlinedienst X. Insgesamt „acht Narco-Terroristen“ seien getötet worden. Drei der Männer seien auf dem ersten Schiff, zwei auf dem zweiten und drei auf dem dritten Boot getötet worden.

Seit September greifen US-Streitkräfte immer wieder Boote angeblicher Drogenschmuggler in der Karibik und im Ostpazifik an. Dabei wurden mehr als 90 Menschen auf 20 Schiffen getötet. Kritiker bezeichnen die Angriffe als außergerichtliche Hinrichtungen und völkerrechtswidrig. Es fehlten Beweise für den Drogenschmuggel.

Die USA werfen Venezuela vor, den Drogenschmuggel in die Vereinigten Staaten aktiv zu fördern und damit die Sicherheit der USA und ihrer Bürger zu gefährden. Venezuelas linksnationalistischer Präsident Nicolás Maduro vermutet dagegen US-Pläne zu seinem Sturz.

Hegseth: „Narco-Terroristen schlimmer als Al Kaida

Der erste Angriff dieser Art erfolgte am 2. September in den internationalen Gewässern vor Venezuela statt. Dabei wurden nach Angaben von US-Präsident Donald Trump elf „Drogenterroristen“ getötet. Die angeblichen Mitglieder Bande Tren de Aragua hätten laut Trump versucht, Drogen in die USA zu transportieren. Dieses Ereignis markierte den Beginn einer Serie solcher Operationen.

Am 5. September wurde ein weiteres Boot in der Südkaribik zerstört. Trump behauptete, das Schiff sei mit Drogen von Venezuela aus ausgelaufen. Bei einer weiteren Attacke durch US-Streitkräfte starben am 20. September drei Menschen. Am 3. Oktober erfolgte ein ähnlicher Einsatz. Mitte Oktober wurden dann sechs Menschen getötet, am 22. Oktober bis zu fünf Menschen. Bei mehreren US-Angriffen, die am 28. Oktober öffentlich wurden, starben 14 Menschen. Es war das erste Mal, dass das US-Militär gleich drei Angriffe an einem Tag bekanntgab.

Präsident Trump und US-Verteidigungsminister Pete Hegseth teilen die Luftaufnahmen der Boote, die durch Explosionen zerstört werden, häufig auf ihren Social-Media-Kanälen in triumphierendem Ton. So schrieb Hegseth, der sich inzwischen Kriegsminister nennt, die „Narco-Terroristen“ hätten mehr US-Bürger getötet als die Terrororganisation Al-Kaida, und die USA würden sie auf dieselbe Art behandeln. „Wir werden sie aufspüren, ihre Netzwerke aufdecken und sie dann jagen und töten“, drohte Hegseth.

„Das ist Mord“

Die BBC verweist auf mehrere Rechtsexperten, die die Praxis der USA hart kritisieren. Für Luis Moreno Ocampo, ehemaliger Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, sind die Angriffe Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Entgegen der Argumentation der US-Regierung seien die Einsätze als geplante und systematische Angriffe gegen Zivilisten in Friedenszeiten zu werten.

Drogenschmuggler seien Kriminelle und damit Zivilisten. Man sollte sie festsetzen und anklagen, so Ocampo. Die US-Regierung erkennt den internationalen Strafgerichtshof allerdings nicht an und behauptet, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht zu handeln. 

In Social-Media-Kommentaren gibt es erwartungsgemäß viel Zustimmung unter den Posts des US-Militärs oder der Regierungsvertreter. Aber es mischen sich auch kritische Stimmen darunter. So antwortet die Journalistin Ann Garrison am Dienstag auf den von Hegseth geteilten Beitrag: „Das ist Mord. Diese Leute sind keine Kämpfer. Wenn Sie glauben, dass sie Drogen schmuggeln, verhaften und klagen Sie sie an.“

Auch der Influencer und Trump-Gegner Brian Krassenstein schreibt: „Unser Kriegsverbrecher-Präsident hat soeben acht weitere Menschen im Ostpazifik ermordet“. Damit wolle Trump von innenpolitischen Problemen ablenken.

Insbesondere der erste Einsatz am 2. September wurde von Juristen hart kritisiert, denn er bestand offenbar eigentlich aus zwei Angriffen. Neun Menschen starben bei der ersten Attacke auf das Schiff. Anschließend klammerten sich zwei Überlebende an das brennende Wrack. Dieses wurde erneut beschossen, die beiden Personen starben ebenfalls, wie die „Washington Post“ berichtete. Ein US-Beamter gab an, dass bei der Operation vier Raketen eingesetzt wurden. Hegseth habe angeordnet: „Tötet sie alle“.

Diese Information gebe den Einsätzen eine neue Dimension, so Experten gegenüber der Zeitung. Die direkt Beteiligten könnten strafrechtlich verfolgt werden. Die Schmuggler stellten keine unmittelbare Bedrohung für die USA dar und befänden sich entgegen der Behauptung der Trump-Regierung nicht in einem „bewaffneten Konflikt“ mit dem Staat.

Hegseth lehnt Veröffentlichung des Videos vom 2. September ab

Die Einsätze, besonders der vom 2. September, haben ein politisches Nachspiel in Washington. Hegseth und Außenminister Marco Rubio mussten am Dienstag Stellung vor dem US-Kongress beziehen. Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, hatte die Regierung aufgefordert, allen Senatoren die vollständigen und unbearbeiteten Aufzeichnungen des Doppelangriffs zur Verfügung zu stellen. Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt. Beim Verlassen der Sitzung erklärte Schumer, er habe „nichts Neues gehört“.

Dagegen lobten Hegseth und Rubio nach der Anhörung vor Journalisten die „sehr erfolgreiche Mission“ gegen terroristische Organisationen und Kartelle. Hegseth sagte, nur eine ausgewählte Gruppe von Mitgliedern der zuständigen Ausschüsse und des Senats werde das vollständige, ungeschnittene Video vom 2. September zu sehen bekommen. Der Öffentlichkeit soll es nicht zugänglich gemacht werden.  

Die Pressekonferenz nach der Anhörung am Dienstag verlief zeitweise hitzig. Der demokratische Senator Mark Kelly aus Arizona, ein scharfer Kritiker Trumps, geriet mit Hegseth aneinander. Kelly hatte sich zuvor an einer Videobotschaft beteiligt und uns Angehörige des US-Militärs dazu aufgerufen, sich unrechtmäßigen Befehlen zu widersetzen. Daraufhin hatte Trump Kelly als „Verräter“ bezeichnet, er sollte die Todesstrafe erhalten. (mit afp)