Im Dienste der WissenschaftDieser Forscher lässt sich freiwillig von giftigen Tieren verletzen

Lesezeit 3 Minuten
Eine Wespe wird mit einer Pinzette gehalten.

Das tut weh: Sam Robinson lässt die Wespe Heterodontonyx bicolor zustechen.

Der australische Forscher Sam Robinson lässt sich freiwillig von Spinnen, Insekten und Giftpflanzen beißen, stechen und verletzen. Wie er seine Schmerzen misst und was am heftigsten weh tut.

Australien ist für seine zahlreichen giftigen und bissigen Tiere bekannt. Neben der giftigsten Schlange und Spinne der Welt leben hier auch eine Menge unangenehme Kribbelkrabbeltiere und ein Mann, der sich im Namen der Forschung von ihnen stechen und beißen lässt.

Tweets von Sam Robinson lesen sich meist so: „Velvet Ant. Ehutomorpha bicolorata. 12mm. Australien. Scharf, glitzernd, überraschend hartnäckig – wie eine Weihnachtskugel, auf der Sie standen und die einen Glassplitter in Ihrem Fuß hinterlassen hat. Schmerzlevel: 1,5.“

Er achtet darauf, dass ihn „nichts umbringt“

Robinson arbeitet am Institute for Molecular Bioscience der Universität von Queensland. Der Forscher hat sich auf das spezialisiert, was die meisten Menschen eher umgehen wollen. Er forscht über den Effekt und die Gifte von Tieren und Pflanzen und lässt sich deswegen im Namen der Wissenschaft selbst stechen und beißen. Robinson informiert sich dabei aber genauestens: Er gehe nicht „leichtsinnig“ vor, sondern recherchiere viel vorab und achte darauf, dass ihn „nichts umbringt“, sagt er.

Das heißt, die wirklich tödlichen Giftmischer des fünften Kontinents – einige Schlangenarten wie der Taipan, die Trichternetzspinne oder die Würfelqualle – hat er aus Sicherheitsgründen nicht ausgetestet. Trotzdem ist seine Aktivität natürlich nicht nachahmenswert. Robinson ist – anders als manch anderer – auf die Gifte nicht allergisch und hatte deswegen nie eine wirklich ernsthafte Reaktion, obwohl er – wie er sagt – wahrscheinlich Hunderte, wenn nicht über Tausend Mal von verschiedenen Dingen gestochen worden ist.

Seine Familie hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass der Wissenschaftler Experimente am eigenen Leib unternimmt – wobei „meine Frau mir manchmal vorwirft, dass ich mich in einen verrückten Wissenschaftler verwandle“, meinte er.

Bewertung mit dem „Schmidt-Index“

Bei der Bewertung arbeitet Robinson mit dem sogenannten „Schmidt-Stichschmerz-Index“. Der Index reicht von eins (am wenigsten schmerzhaft, kalibriert auf den Stich der Honigbiene) bis vier (am schmerzhaftesten). Hinter dem Index steht Justin Schmidt, ein US-amerikanischer Insektenforscher.

Die Qualen nimmt der australische Forscher deswegen auf sich, um anhand der pflanzlichen und tierischen Toxine potenzielle biomedizinische Anwendungen zu finden. Außerdem will er verstehen, wie die Gifte den menschlichen Körper beeinflussen. Dabei geht es darum herauszufinden, was Tiere und Pflanzen verwenden, um sich zu verteidigen, und wie diese Moleküle im menschlichen Körper bis auf die kleinste molekulare Ebene wirken.

Schmerzforscher Sam Robinson lächelt in die Kamera.

Schmerzforscher Sam Robinson.

Laut Robinson ist Schmerz ein sehr „komplexes“ Thema. Es gebe viele Arten von Schmerzen, aber nur begrenzte Medikamente, um sie zu behandeln, erklärte der Forscher. Mehr Alternativen in der Schmerzbehandlung zu finden erfordere Kreativität und das Wissen, worauf diese Medikamente genau abzielen sollen. Die vergangenen 50 Jahre waren laut Robinson die „Ära der Molekularbiologie“ und die Möglichkeiten für viele neue Entdeckungen sind seiner Meinung nach groß.

Unter den schmerzhaftesten Erlebnissen waren bisher der sogenannte Gympie-Gympie oder stechende Baum – Dendrocnide moroides – den Robinson auf der Schmerzskala mit einer Drei bewertet hat. Mit dem Baum kam er in einem australischen Nationalpark in Berührung. Es sei „ein intensiver, stechender Schmerz“ gewesen, der sofort eingesetzt habe. Außerdem habe die Stelle noch wochenlang danach geschmerzt. „Sobald etwas Kaltes an die Stelle kam, war der Schmerz wieder da – ebenso intensiv wie am Anfang“, sagte er.

Das schmerzhafteste Erlebnis war jedoch der Stich einer australischen Wespe – der Heterodontonyx bicolor – die auf der Schmerzskala die Höchststufe vier erreicht hat. Die sehr große Wespe, die Spinnen jagt, musste Robinson mit einer langen Pinzette festhalten, um sie nah genug an sich heranzubekommen, sodass sie ihn auch stechen konnte. Der Schmerz setzte laut Robinson sofort ein und war „pulsierend“, ein wenig als würde man „seinen Finger in einer Tür einklemmen“. Vor diesen Insekten wolle er sich in Zukunft dann doch lieber fernhalten, meinte Robinson.

Rundschau abonnieren