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Drama vor den BalearenWasserleichen im Urlaubsparadies – Schleuser im Verdacht

Lesezeit 5 Minuten
Tatort Mittelmeer: Polizei und Küstenwache finden immer häufiger Tote, die Opfer von Gewaltverbrechen geworden sind.

Tatort Mittelmeer: Polizei und Küstenwache finden immer häufiger Tote, die Opfer von Gewaltverbrechen geworden sind. 

Touristen entdeckten fünf gefesselte Wasserleichen vor Formentera. Die spanische Polizei vermutet gefehlten Migrantenschmuggel von Algerien nach Europa.

Die Urlauber glitten gerade entspannt auf ihrer Jacht durch das türkisfarbene Wasser vor der spanischen Mittelmeerinsel Formentera, als sie eine grausige Entdeckung machten: Nicht weit von ihrem Freizeitboot entfernt trieb eine Leiche im Wasser. Als sie genauer hinsahen, entdeckten die Touristen, dass Beine und Hände mit Stricken gefesselt waren. Sie alarmierten die spanische Küstenwacht.

Wenig später erreichte das Patrouillenboot Río Segura den Ort, die Beamten bargen die Leiche. Es handelte sich um einen männlichen Körper. Nach einer ersten Untersuchung kam schnell der Verdacht auf, dass diese Person nicht bei einem normalen Bootsunglück ums Leben kam, sondern möglicherweise gewaltsam umkam. Der Mann, der keine Papiere bei sich trug, konnte bisher nicht identifiziert werden.

Verdacht auf Migrantenschmuggel

Seitdem ermittelt die spanische Kripo wegen Mordverdacht. Und zwar nicht nur in einem Fall: Denn inzwischen fand die Küstenwacht vor Formentera, eine Nachbarinsel des Ferienparadieses Mallorca, vier weitere Wasserleichen – ebenfalls gefesselt. Die Ermittler schließen nicht aus, dass es sich um Migranten handelt, die mit einem Boot vom nordafrikanischen Algerien mit dem Ziel Südeuropa in See stachen und dann unterwegs von den Menschenschleppern ins Meer gestoßen wurden.

Man weiß aus Berichten afrikanischer Flüchtlinge, dass sie oftmals von jener Menschenmafia, welche die Bootsreisen übers Mittelmeer organisiert, betrogen und misshandelt werden. Der Migrantenschmuggel ist ein schmutziges Geschäft, in dem Gewalt, Vergewaltigungen und Erpressung an der Tagesordnung sind. Man hört immer wieder, dass Flüchtlinge, die mehrere tausend Euro für die Fahrt bezahlen mussten, weit von der Küste entfernt gezwungen wurden, ins Wasser zu springen – obwohl die meisten nicht schwimmen können.

Migrantin auf Flüchtlingsboot vergewaltigt

Auch jene, welche diese Horrorfahrten überleben, würden bei Misshandlungen aus Angst keine Anzeige erstatten, berichtet ein Sprecher der spanischen Sicherheitsbehörden. Nur selten erfahre die Öffentlichkeit daher von den fürchterlichen Erfahrungen, die viele Migranten durchmachen.

Vor einigen Monaten wurde der Fall einer Vergewaltigung einer jungen Migrantin auf einem Flüchtlingsboot bekannt. Der Schlepper und Schiffsführer missbrauchte die Frau vor den Augen der Mitfahrer – keiner der anderen 15 Bootsinsassen griff ein. Nachdem das Boot auf Formentera angekommen war, berichtete die junge Frau weinend den Helfern, was geschehen war: So konnte der Täter festgenommen werden.

Neuer Flüchtlings-Hotspot in Europa?

Die Leichenfunde der letzten Wochen fügen sich in eine lange Serie von Gruselentdeckungen rund um die Urlaubsinsel Mallorca. Seit Anfang 2025 wurden bereits 32 Wasserleichen an den Küsten Mallorcas und der Nachbarinseln Ibiza, Formentera und Menorca geborgen. Nicht wenige dieser Körper wurden von Inselurlaubern an den Stränden entdeckt. Zum Teil waren es sogar nur Leichenteile, wie ein Fuß, ein Oberkörper oder ein Arm, die angetrieben wurden.

Von den Toten wurden 13 auf Mallorca, 12 auf Formentera, 5 auf Ibiza und 2 auf Menorca gefunden. Bei der Mehrzahl dieser Fälle geht die Polizei davon aus, dass es sich um Opfer jener Flüchtlingstragödien handelt, die sich regelmäßig auf dem Mittelmeer abspielen. Schätzungen zufolge ertrinken jedes Jahr Hunderte von Migranten, die in wackeligen und überfüllten Booten das Meer überqueren wollen. Doch so viele Wasserleichen wie dieses Jahr wurden noch nie in den Gewässern der Baleareninseln entdeckt.

Noch mehr Boote werden erwartet

Experten warnen, dass Mallorca auf dem Weg ist, zu einem neuen Flüchtlingshotspot in Europa zu werden. Warum? Weil sich die Migrationsrouten in Südeuropa wieder einmal verschoben haben: Die Zahl der afrikanischen Bootsmigranten, die übers östliche Mittelmeer nach Griechenland kommen, nimmt laut der europäischen Grenzschutzagentur Frontex ab. Genauso wie die Anzahl jener, die von Westafrika aus über den Atlantik die spanischen Kanaren erreichen. Im westlichen Mittelmeer Richtung Mallorca und auf der zentralen Route nach Italien steigen hingegen die Ankünfte.

Die Statistik der balearischen Behörden spricht eine klare Sprache: Seit Anfang des Jahres erreichten nahezu 3000 Menschen in mehr als 130 Booten die spanischen Ferieninseln im Mittelmeer – deutlich mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Allein am vergangenen Juni-Wochenende wurden 18 Boote mit über 300 Menschen gezählt. Dabei geht die Schleppersaison jetzt im Sommer gerade erst los. Es wird erwartet, dass bis Ende 2025 weit über 6000 Flüchtlinge und Migranten auf den Balearen ankommen und damit ein neuer trauriger Rekord erreicht wird.

Tote in den Balearen: Mehr Überwachung gefordert

Während früher vor allem Nordafrikaner die Balearen-Route nutzten, steigt inzwischen der Anteil von Menschen aus den Armutsländern unterhalb der Sahara. Viele von ihnen haben bereits eine lange Odyssee durch die Wüste hinter sich, bevor sie sich von der nordafrikanischen Küste auf die gefährliche Seereise begeben.

Die Überfahrt von der algerischen Küste zu den Balearen dauert etwa 30 Stunden. In fünf bis sechs Meter langen Booten drängen sich bis zu 25 Personen. Zwar warten die Schleuser normalerweise auf gutes Wetter, doch das Mittelmeer ist unberechenbar. Ein ruhiges Meer kann sich innerhalb weniger Stunden in ein Inferno mit starkem Wind und hohen Wellen verwandeln. Die Folge: Schiffsunglücke, Tote, Verschwundene.

„Das ist die grausame Seite dessen, was wir seit Langem anprangern – nämlich die Konsolidierung der Migrationsroute zwischen Algerien und den Balearen“, warnt die regionale Regierungschefin der Ferieninseln, Marga Prohens. Sie forderte mehr staatliche und europäische Unterstützung bei der Überwachung der balearischen Gewässer. „Wir sind die südliche Grenze Spaniens und Europas – und niemand schützt uns.“