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„Fühle mich wie betäubt“Bestatter soll Familien mit fremder Asche getäuscht haben

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Eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen steht bei einem Bestatter neben einer Kerze und einer Engelsfigur.

Eine Urne mit der Asche eines Verstorbenen steht bei einem Bestatter neben einer Kerze und einer Engelsfigur.

Ein Bestattungsinstitut im englischen Hull galt als seriös und verlässlich – bis die Polizei dutzende unbestattete Leichname entdeckte. Jetzt bekannte sich Robert Bush (47) in 35 Fällen des Betrugs schuldig.

Es gibt kaum eine Familie in Hull, die nicht jemanden kennt, der bei „Legacy Independent Funeral Directors“ die Beerdigung eines Angehörigen organisieren ließ. Gute Bewertungen und günstige Preise überzeugten viele. Das Bestattungsinstitut galt als seriös und verlässlich. Umso größer war der Schock, als die Polizei, einem Hinweis folgend, im Frühjahr 2024 in einer Filiale unweit des Zentrums der Hafenstadt im Nordosten Englands nach einer Durchsuchung dutzende unbestattete Leichname entdeckte.

Verdacht auf Betrug im Bestattungswesen

Der Verdacht: Die Betreiber der Einrichtung sollen Verstorbene nicht ordnungsgemäß kremiert, sondern die Angehörigen mit fremder Asche oder leeren Urnen getäuscht haben.

Dutzende trauernde

Anklage gegen Bestatter Robert Bush

Angehörige getäuschtIm Zentrum der Ermittlungen steht der Bestatter und Leiter des Unternehmens Robert Bush. Er wurde im April 2025 nach monatelangen „komplexen, langwierigen und äußerst sensiblen“ Ermittlungen, wie es vonseiten der Polizei hieß, in 30 Fällen wegen der Verhinderung einer rechtmäßigen und würdevollen Bestattung sowie in 30 Fällen wegen Betrugs durch falsche Darstellung im Zusammenhang mit den auf dem Gelände des Bestattungsunternehmens sichergestellten Verstorbenen angeklagt.

Am Mittwoch bekannte sich der 47-Jährige nun im Rahmen einer Anhörung vor dem Strafgericht in Hull in 35 Fällen des Betrugs im Zusammenhang mit menschlichen Überresten sowie betrügerischen Handels im Zusammenhang mit Bestattungsvorsorgeplänen schuldig. Hinter einer verglasten Anklagebank, nur wenige Meter von betroffenen Familien entfernt, sprach er leise, als er einräumte, Angehörige dutzender Verstorbener getäuscht zu haben, deren Leichname in Räumen von „Legacy Independent Funeral Directors“ gefunden worden waren.

Besonders erschütternde Täuschungsfälle

Besonders schwer wiegen vier Fälle, in denen Bush Asche an Eltern ausgab und ihnen fälschlicherweise versicherte, dies seien die Überreste ihrer Kinder, die Mütter während der Schwangerschaft verloren hatten. In 30 weiteren Anklagepunkten – Vorwurf der Verhinderung einer rechtmäßigen und würdevollen Bestattung – plädierte Bush auf nicht schuldig. Aussagen, die ein hörbares Raunen aus der Zuschauertribüne hervorriefen.

Bush wurde am Mittwoch auf Kaution entlassen, bis die Hauptverhandlung zu den bestrittenen Vorwürfen am 5. Oktober 2026 vor dem Strafgericht in Sheffield beginnt. Diese soll mehrere Wochen dauern. Seit dem Frühjahr 2024 liefen die Ermittlungen in dem Fall auf Hochdruck. Mehr als 120 Polizeikräfte waren damit befasst, während bei einer eigens eingerichteten Hotline Hunderte Anrufe von Angehörigen eingingen. Viele lebten monatelang in quälender Ungewissheit darüber, was mit den sterblichen Überresten ihrer Liebsten geschehen war.

Betroffene schildern ihre Qualen

Eine Frau, deren Ehemann im November 2023 gestorben war, beschrieb ihre Situation im Frühjahr 2024 als zermürbend. „Ich kann nicht weinen, nicht wütend sein. Ich fühle mich einfach nur wie betäubt.“ Andere Betroffene sprachen von einem Gefühl, als befänden sie sich in einem „Horrorfilm“.

Schließlich mussten sie sich fragen, wen sie nun eigentlich begraben hatten. Eine Antwort auf diese Frage zu geben, war jedoch nicht in allen Fällen möglich. Denn die Ermittlungen gestalteten sich schwierig, da sich Asche nach einer Kremation forensisch in der Regel nicht eindeutig einer Person zuordnen lässt.

Herausforderungen bei der Zuordnung von Asche

„Leider wird die DNA durch die hohe Temperatur, die bei einer Einäscherung erforderlich ist, so stark zerstört und abgebaut, dass wir kein brauchbares DNA-Profil mehr gewinnen können“, erklärte Thom McLoughlin, damals noch stellvertretender Polizeipräsident der Grafschaft Humberside, bereits im April 2024. Während einige Familien mittlerweile die erschütternde Gewissheit erhielten, dass ihnen fremde Überreste übergeben worden waren, wird für viele andere wohl auf Dauer unklar bleiben, ob sich in den Urnen tatsächlich die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen befindet.

Der Fall hat in den vergangenen Monaten in ganz Großbritannien politische Reaktionen ausgelöst. Aus Regierungskreisen heißt es, man prüfe die Branche grundsätzlich. Kritiker monieren seit Längerem, dass Bestattungsunternehmen auf der Insel zwar Standards einhalten müssen, aber keiner so engmaschigen, staatlichen Aufsicht unterliegen.

Verbraucherschützer fordern verbindliche Zulassungen, unangekündigte Kontrollen und transparente Beschwerdewege. Auch im Sektor selbst wächst der Druck, klare Leitlinien zu etablieren – auch um das durch den Fall tief erschütterte Vertrauen in die Branche wiederherzustellen.