Bis zu zehn TodesfälleSkandal um tödlichen Käse erschüttert die Schweiz

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- Staatsanwälte ermitteln zu zehn Sterbefällen.
- Der Verdacht: Die Menschen vergifteten sich beim Verzehr von Milchprodukten aus dem Kanton Schwyz mit den gefährlichen Listerien.
Genf – Der Kanton Schwyz zählt sich stolz zu der mythenumrankten Urschweiz. Hier, im Herzen der Eidgenossenschaft, gelten die Menschen als geradeheraus, knorrig, bodenständig. Brauchtümer wie Fahnenschwingen und lukullische Gerichte erfüllen die Bewohner mit Liebe zu ihrer Heimat. Zumal die regionalen Käsesorten genießen unter Kennern einen guten Ruf. „Die Käsereien beeindrucken mit ganz individuellen Spezialitäten und klassischen Sorten wie Sbrinz und Emmentaler AOP“, heißt es in dem Buch „Chäsereie Zentralschweiz“.
Listerien-Bakterien entdeckt
Jetzt aber zieht ein Skandal um verseuchte Käsesorten und zehn Todesfälle auf, der nicht nur den Kanton Schwyz, sondern die ganze Schweiz zu erschüttern droht. Die Reputation der Käseproduzenten, dieser typisch helvetischen Branche, mit ihren weltweit bekannten Leckereien könnte stark leiden.
Brennpunkt ist die inzwischen geschlossen Käserei Vogel in dem beschaulichen Schwyzer Dorf Steinerberg; sie erzeugte Sorten wie „Chnobli Chäs“, „Rauch-Chäsli“ oder „Steinerberger Mutschli“. Bei einer internen Inspektion früher in diesem Jahr wurden auf Vogel-Produkten die gefährlichen Listerien-Bakterien entdeckt.
Nach Eingang einer Strafanzeige ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Innerschwyz gegen den Betriebsinhaber. Es besteht der Verdacht auf fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und Widerhandlung gegen das Lebensmittelgesetz.
Wie gefährlich sind Listerien?
"Gemäß der Strafanzeige seien seit 2018 mutmaßlich 34 Erkrankungen auf denselben Listerien-Stamm zurückzuführen, wie er im Brie der Käserei nachgewiesen werden konnte", heißt es von der Behörde. "Zehn der 34 erkrankten Personen seien gemäß der Strafanzeige verstorben."
Nähere Angaben über die Toten und zur Dauer des Verfahrens machte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage dieser Zeitung nicht.
Wie gefährlich sind Listerien? Zwar ist im Vergleich zu anderen lebensmittelbedingten Infektionskrankheiten die Zahl der Opfer gering, schrieb das Universitätsklinikum Freiburg vor knapp einem Jahr. „Jedoch können Listeriose-Erkrankungen einen besonders schweren Verlauf nehmen und tödlich enden“, warnte der Ärztliche Leiter der Abteilung Infektiologie, Winfried V. Kern. „Besonders gefährdet sind Schwangere, Neugeborenen und Personen mit einem geschwächtem Immunsystem.“ Bei schweren Verläufen könne es zu Blutvergiftungen und Gehirn- und Gehirnhautentzündungen kommen.
Ist von dem Skandal um die Käserei Vogel nur die Schweiz betroffen? Oder hat Vogel seine Produkte auch ins Ausland geliefert? „Nach unserem Kenntnisstand wurden keine betroffenen Käse exportiert“, versichert Stefan Truttmann vom Branchenverband der Käseerzeuger, Fromarte, gegenüber dieser Zeitung.
Export auch nach Deutschland?
Medien der Zürcher Tamedia hingegen schreiben, dass zu den Abnehmern der Käserei Vogel auch „Geschäfte in Deutschland“ zählten. Und: „Diverse Fluggesellschaften tischten ihren Passagieren Käse aus Steinerberg auf.“ Ob die deutschen Geschäfte und die Airlines aber tatsächlich verseuchte Käsesorten offerierten, bleibt unklar.
„Der aktuelle Fall ist eine absolute Ausnahme“, übt sich der Branchenverband Fromarte weiter in Schadensbegrenzung. „Unser Qualitätsmanagementsystem beinhaltet sehr strenge Hygienevorschriften und Prüfmechanismen, aber eine absolute Sicherheit gibt es nirgends, da der Mensch ein Risikofaktor bleibt.“ Nach Feststellung der Kontamination seien alle Käse des Betriebs zurückgerufen und vernichtet worden.
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Der letzte vergleichbare Fall schockierte die Schweiz vor mehr als 30 Jahren. Listerien in Käse aus dem westlichen Kanton Waadt führten in den 80er Jahren zu mehr als 120 Erkrankungen, mehr als 30 Patienten überlebten die Vergiftung nicht. Die Schweiz sah sich seinerzeit sogar gezwungen, die Weltgesundheitsorganisation zu unterrichten. Die WHO sollte die anderen Mitgliedsländer vor Import und Verzehr des gefährlichen Milcherzeugnisses aus Helvetien warnen.