König Charles III. zieht die Reißleine: Prinz Andrew verliert seine königlichen Würden. Während die Unterstützung für die Monarchie schwindet, diskutiert Großbritannien erstmals offen über eine Republik.
Finanzen im FokusBritische Royals kämpfen nach jüngsten Skandalen um ihre Zukunft

Vor schwierigen Aufgaben: König Charles III. und Prinz William sollen die Glaubwürdigkeit des britischen Königshauses retten.
Copyright: Henry Nicholls/PA Wire/dpa
Von dem jahrzehntelang gepflegten Motto „Never complain, never explain“ („Niemals beschweren, niemals erklären“), mit dem die im September 2022 verstorbene Königin Elizabeth II. Krisen zu überstehen pflegte, war in der vergangenen Woche nicht mehr viel zu spüren. Der britische Palast griff durch und gab bekannt, dass Prinz Andrew künftig nicht mehr „Prinz Andrew“ sein wird und er aus der Royal Lodge, dem großzügigen Anwesen in Windsor, ausziehen muss.
König Charles zeigt Entschlossenheit
Es war eine untypisch offene Reaktion, fast schon modern in ihrer Wirkung. König Charles III. und seine Frau, Königin Camilla, verzichteten auf die gewohnte königliche Zurückhaltung und stellten sich der öffentlichen Erwartung nach Konsequenz. Doch so sehr die Entscheidung Ausdruck von Entschlossenheit ist, so sehr folgt sie auch einem Instinkt des Überlebens. Der Palast weiß, dass es um mehr geht als um den Ruf eines einzelnen Familienmitglieds. Es geht um das Vertrauen in die Institution, in die „Firma“ selbst.
Der Druck war in den vergangenen Wochen stetig gewachsen, nachdem Virginia Giuffre in ihren posthum veröffentlichten Memoiren ihre Vorwürfe wiederholt hatte, Andrew habe sie im Jahr 2001 als Minderjährige dreimal missbraucht – in London, in New York und auf einer Privatinsel des inzwischen verstorbenen, wegen Sexualdelikten verurteilten US-Finanziers Jeffrey Epstein.
Biografie enthüllt Andrews privilegiertes Leben
Hinzu kamen Details aus Andrew Lownies Buch „Entitled: The Rise and Fall of the House of York“ („Priviligiert: Der Aufstieg und der Fall des Hauses York“), das detailliert beschreibt, wie sich der einstige Herzog über Jahre hinweg auf die finanzielle Unterstützung fragwürdiger, wohlhabender Gönner stützte. Es zeichnet das Bild eines Mannes, der seinen Status als selbstverständlich verstand und keine Einsicht in eigenes Fehlverhalten zeigte. Die Summe dieser Enthüllungen ließ die Stimmung kippen. Der König musste reagieren.
Debatte über Monarchie und Krise
Zur Ruhe gekommen ist die Debatte um Andrew jedoch weiterhin nicht. Die Frage, warum der Palast nicht früher gehandelt hat, steht nach wie vor im Raum – ebenso wie die Erkenntnis, dass die Aufarbeitung in dem Fall des gestürzten Prinzen noch längst nicht abgeschlossen ist. In Talkshows und Leitartikeln wird weiterhin ungewöhnlich offen sogar über eine mögliche Abschaffung der Monarchie diskutiert. Wie groß ist die Krise also tatsächlich?
Sinkende Unterstützung für das Königshaus
Fakt ist: Die Unterstützung für das Königshaus sinkt. Laut der British Social Attitudes Survey, einer landesweiten Meinungsumfrage, halten es nur noch 51 Prozent der Briten für wichtig, 1983 waren es 86 Prozent. Besonders bei Jüngeren bröckelt die Zustimmung: Während drei Viertel der über 55-Jährigen am Königshaus festhalten, wünschen sich 59 Prozent der 16- bis 34-Jährigen eine Republik. „Vor allem die nachrückende Generation ist weniger tolerant gegenüber einem System, das auf Privilegien beruht“, sagt Pauline Maclaran, Königshaus-Expertin an der Royal Holloway University of London.
Was einst Ehrfurcht auslöste, ruft heute immer häufiger Kopfschütteln hervor; und kaum jemand verkörpert das aufkeimende Misstrauen so deutlich wie Andrew. Auch wenn dieser nun nach Sandringham zieht, ist es immer noch kein vollständiger Bruch mit seinem alten Leben. Das Anwesen in Norfolk, einer Grafschaft im Osten Englands, gehört zum Privatbesitz des Königs und umfasst rund 8000 Hektar, das entspricht mehr als 11.000 Fußballfeldern.
Dort soll Andrew in eines der kleineren Häuser ziehen, weiterhin mit Personal, Sicherheit und einem komfortablen Unterhalt aus den privaten Mitteln seines Bruders. Von Entbehrung kann also keine Rede sein. In der Region stößt der Umzug überdies auf wenig Begeisterung. Viele Anwohner möchten den in Ungnade gefallenen Royal nicht in ihrer Nachbarschaft haben.
Fortdauernde Skandale und Forderungen
Der Skandal um Andrews Verbindungen zu Epstein und die Missbrauchsvorwürfe sind außerdem keineswegs erledigt. In den USA mehren sich Forderungen, der 65-Jährige solle vor einem Kongressausschuss aussagen, der die Verflechtungen des Finanziers und seines Netzwerks untersucht. In Großbritannien wiederum wird darüber diskutiert, dass Andrew zwar seine Titel und Würden verloren hat, aber weiterhin an achter Stelle der Thronfolge steht. Um dies zu ändern, wäre ein Gesetzesbeschluss des Parlaments erforderlich.
Palast vermeidet politische Debatten
Der Palast will eine politische Debatte offensichtlich unbedingt vermeiden. Er fürchtet einen Dominoeffekt, bei dem vonseiten der Abgeordneten immer mehr Fragen gestellt werden könnten. Der Royal-Autor Nigel Cawthorne warnt: „Sobald Westminster diese Tabuzone betritt, ist der weitere Verlauf kaum absehbar.“ Denn fast zwangsläufig würde dabei auch ein weiterer wunder Punkt zur Sprache kommen: die Finanzen der Royals.
Insbesondere Prinz William gilt als Verfechter einer verschlankten Monarchie. Maclaran sieht in diesem Kurs einen notwendigen Schritt. „In finanzieller Hinsicht muss jedoch noch mehr geschehen“, sagt sie. „Die Royals werden ihre Finanzen transparenter machen und zeigen müssen, dass sie denselben Steuerpflichten unterliegen wie alle anderen.“

