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Corona-KriseEin Stresstest für das Grundgesetz - Contra Freiheitsbeschränkungen

Lesezeit 3 Minuten
Strafgesetzbuch

Symbolbild.

  1. Das räumliche Trennen von Menschen rettet Leben.
  2. Dennoch macht es stutzig, wie schnell und weitgehend widerspruchslos der Staat die Grundrechte aushebeln kann.
  3. Fast noch stutziger macht jedoch der Umgang vieler Bürger mit der drastischen Einschränkung ihrer Grundrechte.

Köln – Um es deutlich zu sagen: Dies ist kein glasklares „Contra“. Die Kontaktverbote und De-Facto-Ausgangssperren sind wohl unvermeidlich geworden, weil zu viele Menschen nicht freiwillig zu Hause bleiben wollten. Auf die mangelnde Rücksichtnahme hat der Staat mit Zwang reagieren müssen. Die rasante Ausbreitung des Coronavirus muss verlangsamt werden, um die Krankenhäuser funktionsfähig zu halten und viele Tote zu vermeiden.

Das räumliche Trennen von Menschen rettet Leben. Ich selbst habe Eltern, die zur Risikogruppe gehören und die durch die Zwangsmaßnahmen geschützt werden. Und die handelnden Politiker haben es sich sichtbar nicht leicht gemacht. Niemand, der bei Sinnen ist, würde Angela Merkel oder Armin Laschet unterstellen, sie wollten Deutschland in eine Diktatur verwandeln.

Was bleibt übrig von Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit  oder Gewerbefreiheit?

Dennoch macht es stutzig, wie schnell und weitgehend widerspruchslos der Staat die Grundrechte aushebeln kann. Freizügigkeit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gewerbefreiheit: Von all dem ist aktuell nicht mehr viel übrig. Zugleich wechselt der Staat in die Rolle des Gewährenden: Wenn ihr euch wohlverhaltet, ruft er den Bürgern entgegen, gestehe ich euch Freiheiten zu. Dabei ist es  genau umgekehrt: Der Staat muss diese Freiheiten garantieren, und alles staatliche Handeln ist daran jederzeit gebunden.

Fast noch stutziger macht der Umgang vieler Bürger mit der drastischen Einschränkung ihrer Grundrechte. Da wird nach Unfreiheit, in diesem Fall Ausgangssperren, regelrecht gerufen. Und wer auch nur darauf hinweist, dass hier gerade fundamentale Freiheiten genommen und Alltagshandlungen mit Bußgeldern und Strafen bedroht werden, stellt sich ins Abseits. Das sei gefährliches Gerede, heißt es dann, schließlich gehe es um Leben und Tod.

Bürger müssen genauer hinsehen

Tatsächlich geht es um Leben und Tod – und der Staat gewichtet den Schutz des Lebens höher als die anderen Freiheiten. Das ist auch richtig so. Jetzt muss alles getan werden, was erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist, um Leben zu retten. Doch es muss auch möglich sein, gleichzeitig über die staatlichen Maßnahmen zu diskutieren, ohne sich der Verharmlosung schuldig zu machen. Es braucht eine breite Debatte. Die Bürger müssen genau hinsehen, was ihnen der Staat nimmt und warum – und ob er es vollständig zurückgibt. Das ist ist keine lebensfremde Debatte fürs Proseminar Staatsrecht. Die Grundrechte gehen jeden etwas an.

Darf ich meine Freunde noch zu Hause zum Spieleabend besuchen? Darf ich mich mit einer Bekannten zum Spazieren gehen treffen? Was droht mir, etwa in Berlin, wenn mich die Polizei beim Lesen auf der Parkbank erwischt? Die meisten werden sich solche oder ähnliche Fragen gerade stellen. Fragen, bei denen mir als Bürger eines liberalen Rechtsstaats mulmig wird.