Corona-ÜberblickSo bedrohlich ist die Lage in anderen Ländern

Eine Mitarbeiterin der Pflege in Schutzausrüstung betreut einen Corona-Patienten.
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Weltweit haben sich mehr als 92 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert. An oder mit dem Virus gestorben sind knapp zwei Millionen. Das ergibt eine Erhebung der Nachrichtenagentur Reuters auf Basis offizieller Daten. Derzeit haben viele Länder mit einer heftigen Winter-Infektionswelle zu kämpfen. Was konkret hinter der zweiten Welle mit ihren hohen Infizierten- und Totenzahlen steckt, weiß niemand, auch wenn die Thesen dazu plausibel sind – etwa, dass die mutierten Virus-Varianten englischer und südafrikanischer Herkunft die Ursache sind. Oder mehr individuelle Mobilität – trotz Lockdown – gegenüber dem Frühjahr herrscht.
Möglicherweise ist es noch simpler: Die Jahreszeit, der Winter ist „schuld“. Auf den Faktor der temperatursensiblen Virus-Proteinhülle wurde schon früh hingewiesen, nun aber lägen, so Virologie-Professorin Helga Rübsamen-Schaeffer, Daten vor. Demnach können Sars-CoV-2-Partikel bei vier Grad Celsius bis zu 14 Tage überleben, bei 20 Grad sei aber schon nach sieben Tagen nichts mehr nachweisbar. „Das allein kann schon der Grund sein“, so Rübsamen-Schaeffer, „dass wir Schwierigkeiten haben, die Zahlen zu drücken.“
Ein Überblick über das Infektionsgeschehen und die Maßnahmen dagegen in ausgewählten Ländern:
Niederlande
Angesichts der hohen Zahl an Corona-Infektionen hat die Regierung in den Niederlanden den Lockdown bis zum 9. Februar verlängert. Eigentlich hätten die strikten Maßnahmen am 19. Januar aufgehoben werden sollen. „So gut wie jeder wird verstehen, dass es keine andere Wahl gibt“, sagte Ministerpräsident Mark Rutte vor Journalisten. Die Verbreitung einer mutierten Virus version in England und Irland bedrohe auch die Niederlanden und sei „alarmierend, um es gelinde auszudrücken“, sagte Rutte. Die niederländische Regierung erwägt demnach auch die Verhängung einer nächtlichen Ausgangssperre und lässt diese Maßnahme von den Gesundheitsbehörden prüfen.
Die derzeit geltenden strikten Maßnahmen sehen eine Schließung der Schulen und aller Geschäfte vor, die nicht der Grundversorgung dienen. Es ist untersagt, mehr als zwei Menschen in seiner Wohnung zu empfangen. Die niederländische Parlamentswahl, die für Mitte März geplant ist, sollten laut Rutte trotz der Beschränkungen stattfinden. „Wir werden wirklich tun, was wir können, um die Wahlen am 17. März stattfinden zu lassen, und um sie sicher stattfinden zu lassen“, versprach der Ministerpräsident. Anfang der Woche wurden in dem Nachbarland Deutschlands rund 5400 Neuansteckungen (17,2 Millionen Einwohner) verzeichnet. Die Zahl der Todesfälle liegt mittl erweile bei mehr als 12.400.
Schweiz
Nach wochenlangem Zögern verschärft die Schweiz ihre Corona-Maßnahmen deutlich: Von Montag an bleiben alle Geschäfte geschlossen, die keine Güter des täglichen Bedarfs verkaufen. Zudem müssen Arbeitgeber Homeoffice anordnen, wo immer dies möglich ist. An privaten Veranstaltungen dürfen nur noch maximal fünf Personen teilnehmen. Grund sei die Ausbreitung der neuen Virusvarianten, die deutlich ansteckender sind als die früheren Varianten, sagte Präsident Guy Parmelin diese Woche in Bern.
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Nicht betroffen von den Schließungen sind Dienstleister wie Friseure oder Reparaturbetriebe, Blumenläden, Bau- und Gartengeschäfte. Zugleich verlängerte die Regierung die bestehenden Maßnahmen um fünf Wochen. Damit bleiben Restaurants, Kulturbetriebe, Sportanlagen und Freizeiteinrichtungen bis Ende Februar zu. Parmelin mahnte: „Dieses Leid führt manchmal auch zu Wut, das ist menschlich. Doch wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren.“ Schulen und Skigebiete bleiben weitgehend geöffnet.
Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit meldete am Mittwoch 3001 neue Infektionen. Das waren 477,5 pro 100 000 Einwohner innerhalb von 14 Tagen. In Deutschland lag die Zahl der binnen sieben Tagen an die Gesundheitsämter gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) bei 155,0. Gesundheitsminister Alain Berset sagte, die Fälle der neuen Virusmutation verdoppelten sich jede Woche. Die Schweizer Situation sei mit der Lage in Großbritannien Anfang Dezember zu vergleichen. Ohne neue Maßnahmen drohe im Februar eine schwere dritte Welle.
USA
In den USA hat die Zahl der an einem Tag erfassten Toten mit einer bestätigten Corona-Infektion einen neuen Höchststand erreicht. Am vergangenen Dienstag meldeten die Behörden 4327 Tote, wie aus Daten der Johns-Hop kins-Universität (JHU) in Baltimore vom Mittwochmorgen (MEZ) hervorging. Der bisherige Höchstwert war mit 4194 Toten am 7. Januar registriert worden. Die Zahl der Neuinfektionen war am selben Tag mit 215 805 vergleichsweise niedrig. Der bisherige Tagesrekord wurde am 2. Januar mit 302 506 neuen Fällen verzeichnet.
Irland
Das bisherige Vorzeigeland Irland hat sich innerhalb weniger Wochen zum Corona-Sorgenkind entwickelt. Der EU-Staat meldet umgerechnet auf die Bevölkerung derzeit hohe Infektionszahlen. Experten machen die Regierung verantwortlich. Der zweite Lockdown sei zu früh beendet worden, außerdem habe es über die Weihnachtsfeiertage zu viele Kontakte gegeben, sagte Tomás Ryan vom Trinity College Dublin der Deutschen Presse-Agentur. „Die Regierung ist vor kurzfristigen Interessen von Unternehmen eingeknickt.“
Irland hatte noch Anfang Dezember EU-weit die niedrigste Infektionsrate, kürzlich aber weltweit mit die höchste. Die Anzahl war von gut 150 neuen Fällen Anfang Dezember zum Jahreswechsel sprunghaft gestiegen und hatte am 8. Januar über 8000 gelegen. Die Behörden machen dafür auch die rasche Ausbreitung der in Großbritannien entdeckten Virus-Mutation verantwortlich.
Portugal
Nach einer Lockerung der Corona-Auflagen während der Weihnachtsfeiertage verhängt Portugal wieder einen strikten Lockdown. Die Pandemie sei „an ihrem gefährlichsten Punkt“, gab Regierungschef António Costa am Mittwoch als Grund an. Die ab Freitag geltenden Sperrmaßnahmen würden mindestens um einen Monat verlängert. Doch werde es Ausnahmen geben, damit die für den 24. Januar geplante Präsidentschaftswahl abgehalten werden könne.
Die Auflagen sehen vor, dass Bürger zwingend zu Hause bleiben müssen. Auch das Arbeiten von Zuhause aus wird Pflicht. Bußgelder für Verstöße gegen die Maskenpflicht auf den Straßen wü rden zudem verdoppelt, hieß es. Die Schulen bleiben offen, genauso systemrelevante Unternehmen. Für Geschäfte, Restaurants, Kinos und Friseursalons, die schließen müssen, gebe es finanzielle Unterstützung.
Am Mittwoch meldeten die Gesundheitsbehörden mehr als 10 500 neue Corona-Neuinfektionen und 156 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus binnen 24 Stunden – beides Rekordwerte. Bisher hat Portugal mehr als 8200 Tote gezählt.
Italien
Italiens Regierung will den Corona-Notstand bis zum 30. April verlängern. Das kündigte Gesundheitsminister Roberto Speranza am Mittwoch vor dem Parlament in Rom an. „Die Epidemie ist erneut in einer expansiven Phase“, sagte er. Bislang war der Ausnahmezustand bis Ende Januar befristet. Rom hatte den Corona-Notstand erstmals Ende Januar 2020 ausgerufen. Seither wurde er mehrmals verlängert.
Die Maßnahme gibt der Regierung besondere Rechte. Der Staat kann Einsatzkräfte besser koordinieren und bürokratische Hürden vermeiden. Die rechte Opposition kritisiert das Vorgehen seit langem. Aus ihrer Sicht wird durch die Machtfülle der Regierung das Parlament geschwächt.Außerdem kündigte Speranza neue, zum Teil verschärfte Regeln zum Corona-Schutz an. Die Bewegungsfreiheit zwischen 20 Regionen und die persönlichen Kontakte der Bürger sollen stark eingeschränkt bleiben. Das Land soll weiter in verschiedene Corona-Risikozonen mit unterschiedlich strengen Regeln eingeteilt sein. Für die seit Monaten geschlossenen Museen gibt es einen kleinen Lichtblick: Sie können in Regionen mit niedrigem Ansteckungsrisiko wieder öffnen.
In dem 60-Millionen-Einwohner-Land starben seit Februar 2020 offiziell etwa 80 000 Menschen im Zusammenhang mit Corona.
Schweden
In Schweden sind mittlerweile mehr als eine halbe Million Coronavirus -Infektionen nachgewiesen worden. Seit dem Beginn der Pandemie wurden mehr als 518 000 Corona-Fälle sowie bis Donnerstag 10 185 damit in Verbindung stehende Todesfälle registriert, wie aus aktualisierten Zahlen der schwedischen Gesundheitsbehörde Folkhälsomyndigheten hervorging. Das entspricht etwa jedem 20. Einwohner des skandinavischen EU-Landes. Seit Ende Oktober stiegen die täglichen Neuinfektionszahlen bei den Schweden wieder stark an.
Schweden befinde sich in einer kritischen Phase, in der die Zahl der verfügbaren Plätze in den Krankenhäusern beinahe erreicht worden sei, sagte Staatsepidemiologe Anders Tegnell diese Woche in Stockholm. Das Land ist in der Corona-Krise lange einen vielbeachteten Sonderweg mit vergleichsweise gemäßigten Einschränkungen des öffentlichen Lebens sowie Appellen an die Vernunft der Bürger gegangen. Inzwischen hat die schwedische Regierung Vollmachten, mit denen Lockdown-Maßnahmen wie die Zwangsschließung von Geschäften, Einkaufszentren und öffentlicher Verkehrsmittel durchgesetzt werden können. Die Regierung kann künftig auch in bestimmten Fällen für Versammlungen auf öffentlichen Plätzen Höchstzahlen der Teilnehmer festschreiben. Wer gegen die Anordnungen verstößt, muss mit Geldbußen und anderen Strafen rechnen.
Großbritannien
Die Gesundheitsbehörden in Großbritannien haben am Mittwoch einen neuen Höchststand von 1564 Corona-Toten innerhalb von 24 Stunden registriert. Es ist das erste Mal, dass die Zahl der täglich gemeldeten Todesfälle die Marke von 1500 überschreitet. Die Gesamtzahl der Corona-Toten erhöhte sich damit auf 84 767, wie die Behörden in London mitteilten. Großbritannien zählt zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern in Europa.
Großbritannien verhängt Einreiseverbote gegen mehrere südamerikanische Länder um die Einschleppung einer ansteckenderen Viru s-Variante zu verhindern, die zuerst in Brasilien nachgewiesen wurde. Betroffen seien neben Brasilien selbst unter anderem Argentinien, Peru, Panama und Venezuela, gibt Verkehrsminister Grant Shapps bekannt. Auch Einreisen aus Portugal würden Angesichts der engen Verbindungen des Landes zu Brasilien untersagt.



