„Es kann jeden treffen“Warum immer mehr Promis über ihre Depressionen sprechen

Machte ihre Depressionen öffentlich: Schauspielerin Nora Tschirner.
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Berlin – Kurt Krömer stockt kurz: „Ick hab ein bisschen Schiss darüber zu sprechen“, sagt er zu Torsten Sträter. Wenige Sekunden zuvor hatte Krömer in seiner Show angekündigt, mit Sträter über eine Gemeinsamkeit reden zu wollen: Die Komiker hatten beide schwere Depressionen.
Was folgt ist ein schnörkelloser Austausch der beiden, über eine Krankheit, die viele betrifft: 8 bis 10 Prozent aller Menschen leiden ein Mal im Leben an einer depressiven Episode. „Es ist eine Volkskrankheit“, sagt Peter Zwanzger, Ärztlicher Direktor und Chefarzt für Allgemeinpsychiatrie und Psychosomatik am KBO-Inn-Salzach-Klinikum in Wasserburg.
Sträter macht seit Jahren seine Depressionen öffentlich, unter denen er vor allem in den 1990er Jahren litt. Der Komiker bindet das Thema in seine Auftritte ein, äußert sich in Interviews und ist seit Januar 2018 Schirmherr der Deutschen Depressionshilfe. Auch die Schauspielerin Nora Tschirner äußert sich über ihre Depressionen, wie im April 2021 im Magazin der Süddeutschen Zeitung. Dort führte sie ihre Erkrankung unter anderem auf den Umgang mit Künstlern in der Medienwelt zurück.
Depressionen können ausnahmslos jeden treffen
Der Vater der Moderatorin Nova Meierhenrich war an Depression erkrankt und hatte sich 2011 das Leben genommen. Meierheinrich erlitt als Hauptbezugsperson ihres Vaters eine Kodepression – wie viele Angehörige. In einer Therapie lernte sie, sich abzugrenzen und zu schützen.
Auch wenn in jüngster Zeit Künstler wie diese mit dem Thema an die Öffentlichkeit gehen – es leiden nicht nur kreative Menschen an Depressionen: „Es kann jeden treffen. Künstler, Professoren, Bauarbeiter“, zählt Zwanzger auf und: „Das geht von leichter Depression bis hin zu schwersten Verläufen, die sind aber eher selten. Die meisten leiden unter einer leichten Form und können auch noch arbeiten gehen.
Sträter und Krömer hatten schwere Depressionen. Sie sprechen darüber, dass sie sich schon allein vom alltäglichen Einkauf im Supermarkt überfordert fühlten. Krömer hatte seit wenigen Jahren das Gefühl, das mit ihm etwas nicht stimme. Dass es Depressionen sind, habe er nicht geahnt. Der Grund liegt auch darin, dass die Symptome oft nicht bekannt sind oder aber so unspezifisch, dass sie nicht direkt auf die Erkrankung hinweisen. Zu den Signalen von Depressionen zählen zudem: anhaltende Abgeschlagenheit, quälende Gedanken, Gefühle von Wertlosigkeit und weitere Faktoren. Bei Depression treten diese Gefühle über einen längeren Zeitraum auf.
Nicht jeder kann die Symptome erkennen
Trotzdem merkt aber nicht jeder Betroffene, dass er eine Depression hat. Weil nicht jeder in der Lage sei, sich selbst zu reflektieren und die Symptome auch ernst zu nehmen, sagt Peter Zwanzger: „Manch einer geht ja auch mit Grippesymptomen weiter arbeiten und läuft Gefahr, sie zu verschleppen mit entsprechenden Folgen.“
Info-Telefon
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet Betroffenen und Angehörigen eine kostenfreie Anlaufstelle für Informationen rund um die Krankheit. Montags, dienstags und donnerstags ist die Hotline von 13 bis 17 Uhr besetzt, am Mittwoch und Freitag von 08.30 bis 12.30 Uhr. Die Mitarbeiter sind erreichbar unter der Rufnummer 0800 3344533.
Eine Behandlung der Depression sei aber wichtig, betont der Arzt. Dies sei möglich über eine individuell angepasste Behandlung mit Psychotherapie und/oder Medikamenten: „Eine kognitive Verhaltenstherapie ist die beste Methode.“ Über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten informieren Einrichtungen wie die Deutsche Depressionsliga (www.depressionsliga.de) oder die Deutsche Depressionshilfe. Deren Schirmherr ist der Entertainer Harald Schmidt, der kürzlich im NDR den Wissenschafts-Podcast „Raus aus der Depression“ gestartet hat. Für Erkrankte sei es wichtig, anzuerkennen, dass sie eine Krankheit haben: „Es handelt sich dabei nicht um eine Schwäche“, betont Zwanzger. Es sei für diese Anerkennung hilfreich, vor allem im privaten Umfeld darüber zu sprechen.
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Kurt Krömer ist zum Arzt gegangen, hat die Diagnose Depression erhalten und sich im Herbst 2020 acht Wochen in einer Tagesklinik behandeln lassen. Inzwischen gehe es ihm besser. Er geht mit seiner Krankheit an die Öffentlichkeit, um sie bekannter zu machen und aus dem Tabu herauszuholen. Und weil er keine Lust habe, sich zu verstecken.