An diesem Freitag beginnt in Hamburg der Prozess gegen die Steakhausketten-Erbin Christina Block. Sie soll die Entführung ihrer eigenen Kinder veranlasst haben. Der Fall ist hochbrisant und sensationell.
Prozess um Block-EntführungFamiliendrama mit Details wie aus dem Hollywood-Drehbuch

Nicht nur in Hamburgs besserer Gesellschaft ist Restaurantketten-Erbin Christina Block gut vernetzt.
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Das Verfahren gilt bereits jetzt als „Prozess des Jahres“ in Deutschland: Ab diesem Freitag verhandelt das Hamburger Landgericht gegen Christina Block, die Erbin der Restaurantkette Block House. Die Anklage wirft ihr Freiheitsberaubung, Misshandlung und das Quälen von Schutzbefohlenen vor. Sie soll ihre eigenen Kinder entführt haben. Wir beleuchten zum Auftakt die Hintergründe dieses Falls.
Was wird Christina Block vorgeworfen?
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat am 17. April 2025 Anklage gegen Christina Block (52) sowie sechs weitere Personen erhoben. Der Erbin, einem Israeli sowie einem Vertrauten von Firmenpatriarch Eugen Block (84) wird vorgeworfen, zwei der Block-Kinder mit Gewalt aus der Obhut ihres Vaters, Stephan Hensel (51), entzogen zu haben. Laut Staatsanwaltschaft soll die Tat gegen Bezahlung erfolgt sein und die seelische Entwicklung der Kinder erheblich geschädigt haben. Zudem werden sie wegen gemeinschaftlicher körperlicher Misshandlung und Freiheitsberaubung angeklagt. Christina Block und dem Israeli werden zusätzlich das Quälen und die rohe Misshandlung von Schutzbefohlenen zur Last gelegt.
Was wird Gerhard Delling zur Last gelegt?
Gerhard Delling (66), dem Lebensgefährten von Christina Block, wird Beihilfe vorgeworfen. Der ehemalige ARD-Sportmoderator bestreitet jegliche Mitschuld. Ein ehemaliger Kriminalbeamter des LKA Hamburg, der eine Sicherheitsfirma betreibt, sowie zwei Verwandte von Christina Block sind ebenfalls wegen des Verdachts der Beihilfe angeklagt.
Was für eine Rolle spielte Eugen Block?
Gegen den Firmenpatriarchen wurde ermittelt, aber keine Anklage erhoben. Eugen Block hatte stets seine Unschuld beteuert. Nicht nur in Hamburg gilt er als Unternehmerlegende. Seine Block-Gruppe umfasst 18 Firmen, mehrere Hotels und fast 70 Restaurants. Angeklagt ist aber ein enger Vertrauter von Eugen Block. Auch spielte sein Hotel Grand Elysée eine zentrale Rolle in dem Entführungsfall. In dem Hamburger Fünf-Sterne-Hotel sollen laut Staatsanwaltschaft die Entführer über Monate gewohnt haben.
Laut Anklage sollen Christina Block und Blocks Vertrauter 2023 eine israelische Firma beauftragt haben, die Kinder gewaltsam aus Dänemark zurückzuholen. Die Kosten für den Aufenthalt im Hotel beliefen sich demnach auf über 221.000 Euro, die unbeglichen blieben. Der Tatplan soll in Konferenzräumen des Hotels erarbeitet worden sein.
Was passierte in der Silvesternacht 2023/2024?
Am 28. Dezember 2023 reiste die Gruppe Israelis aus Tel Aviv an und mietete in Hamburg die Tatfahrzeuge an, einen Citroën DS7 Crossback und eine Mercedes A-Klasse. Erkundungsfahrten nach Dänemark fanden laut Staatsanwaltschaft am 29. und 30. Dezember statt. In der Silvesternacht, am 1. Januar 2024 gegen 0.15 Uhr, lauerten die maskierten Täter Stephan Hensel und den Kindern im Hafenbereich des dänischen Ortes Gråsten auf. Sie stießen den Vater laut Polizei gewaltsam zu Boden, schlugen und traten ihn und versuchten, ihn zu fesseln, wobei er Verletzungen erlitt.

16.05.2024, Hamburg: Die Polizei in Hamburg sucht am 16. Mai 2024 mit Flyern und einem Foto nach einem Wohnmobil. Das Fahrzeug sei am 1. Januar dazu genutzt worden, zwei Kinder unrechtmäßig aus Dänemark nach Deutschland zu verbringen, hieß es in einem Aufruf mit der Überschrift „Wir bitten um Mithilfe“.
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Die verängstigten Kinder wurden gewaltsam in den Citroën gezerrt und in den Fußraum gedrückt. Dem damals 13-jährigen Mädchen wurde das Handy weggenommen und aus dem Fenster geworfen, als sie versuchte, sich zu wehren. Die Kinder riefen, nicht zur Mutter zu wollen, da diese ihnen wehtue. Die Täter drohten den Kindern. Mehrfach drückte der damals Zehnjährige einen Notknopf, den er an einer Kette um den Hals trug. Mit dem GPS-Sender, der auch den Ton aufzeichnet, hatte die dänische Polizei die Familie wegen vorheriger Vorfälle ausgestattet.
Auf der Flucht stoppten die Täter nahe der Grenze. Dem Mädchen wurden eigener Aussage die Hände gefesselt und der Mund mit Tape zugeklebt, um weitere Hilfeschreie zu verhindern. Zu Fuß durchquerten die Entführer mit ihren Opfern einen Grenzwald. Ein Täter brachte die Kinder schließlich in einem Wohnmobil nach Baden-Württemberg – auf einen Bauernhof. Christina Block feierte derweil offiziell den Silvesterball im Grand Elysée.
Was geschah in Christina Blocks Haus?
Christina Block soll laut Staatsanwaltschaft an Neujahr mit dem Zug nach Süddeutschland gereist sein. Mit einem Pkw ging es zurück nach Hamburg. Die Kinder, so die Ermittler, hätten ihrer Mutter sehr deutlich gemacht, dass sie zu ihrem Vater zurückkehren wollten. Der Ex-LKA-Beamte sollte laut Anklage am Wohnsitz von Christina Block sicherstellen, dass Fenster und Türen gesichert waren, um eine Flucht der Kinder zu verhindern.
Am 5. Januar 2024 übertrug schließlich das Hanseatische Oberlandesgericht das Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht auf Stephan Hensel und verpflichtete Christina Block zur Herausgabe der Kinder. Ihr Verteidiger brachte die Kinder daraufhin zur Polizei. Die beiden Kinder machen dem Jugendamt schwere Vorwürfe, ihnen trotz mehrfacher Bitte nicht geholfen zu haben.
Was sagt die Verteidigung von Christina Block?
Die Erbin hat kurz vor dem Prozess zusätzlich zu ihrem bisherigen Strafverteidiger Otmar Kury den Düsseldorfer Staranwalt Ingo Bott engagiert. „Frau Block ist unschuldig. Sie hat das, was man ihr vorwirft, nicht getan“, teilt Bott unserer Redaktion mit. Er bezichtigt die Sicherheitsfirma der Entführung der Kinder, die die Not der Mutter ausgenutzt haben soll. Die Unternehmerin soll weder einen Auftrag erteilt noch von den Entführungsplänen gewusst oder dafür Geld gezahlt haben.

Polizeifahrzeugen stehen am Elysee-Hotel. Die Hamburger Polizei vollstreckte am 16. Mai 2024 einen Durchsuchungsbeschluss bei der Unternehmerfamilie Block und am Hotel Grand Elysée in Hamburg. Neben dem Hotel in der Nähe des Dammtorbahnhofs seien auch die Wohn- und Geschäftsräume der Block-Gruppe durchsucht worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit.
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Anwalt Kury hatte Wochen zuvor erklärt, dass Christina Block ihre Mutter beschuldige, die Entführung in Auftrag gegeben zu haben. Die Oma der Entführungsopfer war gut ein halbes Jahr vor der Tat verstorben. Nach Informationen unserer Redaktion wertet die Anklage diese Theorie als Schutzbehauptung.
Stehen in Hamburg alle Verdächtigen vor Gericht?
Nein, es befinden sich wohl mehrere Entführer weiter auf der Flucht, darunter ehemalige Angehörige israelischer Sicherheitskräfte. Sie werden in Israel vermutet. Die Sicherheitsfirma soll auch Verbindungen zu ehemaligen deutschen Sicherheitskreisen unterhalten haben. Der jetzt in Hamburg vor Gericht stehende Israeli war am 27. September 2024 in Zypern verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert worden. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Er streitet alles ab und behauptet, in Hamburg Urlaub gemacht zu haben.
Wie gefährlich war die Entführungsaktion?
Der mitangeklagte Ex-LKA-Beamte hatte laut Ermittlern vor Silvester im Auftrag eine Risikoanalyse „des bereits entschiedenen Vorgehens der Rückholung der Kinder aus Dänemark“ verfasst. Als Risiken führte er dabei aus: „Unfallgefahr mit gegebenenfalls Todesfolge bei versuchter Flucht der Kinder im Rahmen des Zugriffs, Haft, Erpressung, Traumatisierung der Kinder. Flucht der Kinder und Kinder wenden sich dauerhaft von ihrer Mutter und der Familie aus Hamburg ab.“ Für die Staatsanwaltschaft dürfte die Risikoanalyse ein wichtiges Beweismittel sein.
Gibt es weitere Verfahren im Fall Block?
Ja. Es besteht der Verdacht, dass Christina Block bereits am 9. November 2022 eine gewaltsame Rückholaktion geplant haben könnte. Laut Ermittlern beauftragte sie dafür eine Sicherheitsfirma gegen eine Zahlung von 44.000 Euro. Dieser Versuch schlug fehl, da die sechs beteiligten Mitarbeiter der Firma am Haus der Familie Hensel von der dänischen Polizei festgenommen wurden. Ein Ermittlungsverfahren gegen Christina Block und weitere Mitbeschuldigte wird bei der Staatsanwaltschaft Hamburg geführt. Sie beteuert jedoch ihre Unschuld.
Zudem gibt es ein Verfahren wegen des Verdachts, dass die Block-House-Erbin eine Verleumdungskampagne gegen ihren Ex-Mann Hensel und dessen Anwalt Gerd Uecker initiiert hätte. Dabei soll ein fingierter Pädophilieverdacht bei Polizei und Medien gestreut worden sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Auch hier weist Block jede Schuld von sich.
Was kann Christina Block im Prozess drohen?
Der Fall mündet eineinhalb Jahre nach der Entführung in einen Mammutprozess vor dem Hamburger Landgericht. Er beginnt am Freitag um 9.30 Uhr vor den Augen dutzender Prozessbeobachter. 37 Verhandlungstage sind angesetzt – bis kurz vor Weihnachten. Im Falle eines Schuldspruches drohen den Angeklagten Haftstrafen, den Hauptangeklagten sogar bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Für Christina Block steht viel auf dem Spiel, auch gesellschaftlich. Bislang hatte sie sich als Opfer präsentiert, als Löwin, die um ihre angeblich von ihrem Ex entführten Kinder kämpft. Sie hatte im Sorgerechtsstreit prominente Unterstützer – von Ex-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) bis hin zum Ex-Bundesnachrichtendienstchef August Hanning. Die Blocks sind gut vernetzt. Im Grand Elysée, das zweimal von den Ermittlern durchsucht worden war, feiert sogar die Polizeigewerkschaft ihren Ball. Christina Block ist zudem Mitglied des Bundesvorstandes des CDU-Wirtschaftsrates. Sie und ihr Lebensgefährte Gerhard Delling sind auch bei Galas gerne gesehen, so auch beim Promi-Event „Ein Herz für Kinder“.
Wie fing der Sorgerechtsstreit eigentlich an?
Christina Block und Stephan Hensel ließen sich 2018 scheiden. Der Konflikt um die vier gemeinsamen Kinder eskalierte im August 2021, als Hensel die beiden jüngsten gemeinsamen Kinder nicht wie üblich nach einem Besuchswochenende in Dänemark zu Block zurückbrachte. Dort hatte Hensel inzwischen eine neue Familie gegründet. Nur eins der vier Kinder blieb bei der Mutter. Der Junge und das Mädchen hätten wie ihre älteste Schwester bei ihm bleiben wollen, sagte der Vater. Hensel erhob Vorwürfe gegen seine Ex-Frau beim Hamburger Jugendamt, den Kindern psychische und körperliche Gewalt angetan zu haben. Block bestritt diese Anschuldigungen und warf Hensel vor, die Kinder manipuliert und von ihr entfremdet zu haben.
Bekam Hensel zunächst vor dem Amtsgericht recht, sprach das Hanseatische Oberlandesgericht im Oktober 2021 Christina Block vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Hensel war zur Herausgabe der Kinder verpflichtet, kam dieser Aufforderung aber nicht nach. Die dänischen Behörden vollstreckten das deutsche Urteil nicht, da die Kinder in etlichen Prozessen und Anhörungen angaben, nicht zur Mutter zurückkehren zu wollen, weil sie Angst vor ihr hätten.
Droht auch Stephan Hensel ein Prozess?
Ja. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat Stephan Hensel und seine dänische Ehefrau wegen Entziehung Minderjähriger angeklagt. Weil das Amtsgericht die Prozesseröffnung zunächst ablehnte, legte die Staatsanwaltschaft erfolgreich Beschwerde ein.
Hensels Anwalt Philip von der Meden argumentiert, sein Mandant habe die Kinder lediglich vor Gewalt geschützt. Daher halte er einen Freispruch für zwingend, da der Schutz der Kinder nicht strafbar sein dürfe. Christina Blocks Anwalt Kury erklärte zu den Vorwürfen gegen seine Mandantin, diese seien in familiengerichtlichen Verfahren Gegenstand, und Block habe das Schlagen stets bestritten, zumal es keine Beweise gebe.
Die deutschen und dänischen Gerichte stellen das Kindeswohl in den Vordergrund. Sowohl Sohn als auch Tochter äußerten zudem, nicht zur Mutter zurückkehren zu wollen. Ein dänisches Gericht sprach dem Vater bereits Anfang Mai das alleinige Sorgerecht zu. Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Beschwerde von Christina Block ab.
Wie geht es den Block-Kindern heute?
Nach der Entführung und ihrer Rückkehr nach Dänemark wurden die beiden Kinder in ein Kinderschutzhaus zur Traumatherapie gebracht. Die beiden leiden nach Informationen unserer Redaktion an erheblichen psychischen Beeinträchtigungen durch das Trauma der Entführung. Sie leben mit ihrer Familie und Vater Hensel im Zuge eines dänischen Zeugen- und Opferschutzprogrammes der Polizei nach mehrfachen Umzügen an einem geheimen Ort in Dänemark. Beide besuchen unter falschem Namen dänische Schulen. Die 14-jährige Tochter fühlt sich aber stark genug, gegen ihre eigene Mutter auszusagen.