In Saint-Quentin, Frankreich, stieg die Zahl der lebensmittelvergifteten Kinder stark an. Verantwortlich ist vermutlich Escherichia coli im Fleisch.
FleischskandalImmer mehr Lebensmittelvergiftungen in Frankreich verzeichnet

Fleisch in Nordfrankreich ist mit dem Bakterium Escherichia coli verunreinigt und sorgt für Krankheitsfälle.
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Die Zahl der Fälle von Kindern mit schwerer Lebensmittelvergiftung in Saint-Quentin nordöstlich von Paris hat sich zuletzt mit jedem Tag erhöht. 19 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen eineinhalb und 13 Jahren sind einer vorläufigen Bilanz vom Montag zufolge von schweren Durchfallerkrankungen betroffen und mussten zumindest zeitweise im Krankenhaus behandelt werden.
Vier von ihnen konnten inzwischen wieder nach Hause zurückkehren. Ein weiteres Mädchen, die elfjährige Élise, starb in der vergangenen Woche infolge eines akuten Nierenversagens. Der tragische Fall entsetzt viele in Frankreich, wo eine Spendensammlung für die Hinterbliebenen organisiert wurde. Ein Foto im Internet zeigt das Mädchen strahlend lächelnd in einem Turnkostüm und mit einer Medaille um den Hals.
Verdacht auf bakterielle Kontamination durch verunreinigtes Fleisch
Nachdem eine Vergiftung durch Leitungswasser ausgeschlossen werden konnte, gilt bakteriell verunreinigtes Fleisch als die wahrscheinlichste Ursache für die Lebensmittelvergiftungen, von denen nach bisherigen Erkenntnissen nur Minderjährige betroffen sind. Vorsorglich wurden vier Metzgereien sowie die Fleisch- und Wurstwarenabteilungen von mehreren Supermärkten der Kleinstadt geschlossen und Proben entnommen.
Deren Ergebnisse sollen im Laufe der Woche bekannt werden. Zumindest ist inzwischen klar, dass die Vergiftung der Kinder durch das Bakterium Escherichia coli hervorgerufen wurde. Es handle sich also weder um eine Epidemie noch um einen Virus, sagte der französische Gesundheitsminister Yannick Neuder bei einem Besuch vor Ort.
Umfangreiche Ermittlungen und Forderungen nach Wahrheit
Mehr als 30 Ermittler der örtlichen Gesundheitsbehörden würden eingesetzt, um allen Spuren nachzugehen und möglichst rasch Aufschluss über den Ursprung des Problems zu erhalten, versprach Neuder. Er habe sich auch mit der Familie der verstorbenen Élise unterhalten. „Wir schulden ihr die vollständige Wahrheit, damit so etwas nie wieder passiert.“
Sechs betroffene Kinder brauchen aufgrund von Nierenversagen eine Dialyse in den Krankenhäusern von Amiens, Lille und Reims. Alle Erkrankten entwickelten das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das in der Regel bei Kindern infolge einer Infektion des Darms auftritt und zur Bildung von Blutgerinnseln führt. Diese blockieren vor allem Gehirn, Herz und Nieren. Es handelt sich um ein seltenes Problem: Jährlich gibt es in Frankreich nur 100 bis 165 Erkrankungen von Kindern mit dem HUS-Syndrom.
Eltern zur Wachsamkeit aufgefordert
Die Betroffenen kennen einander nicht, besuchten nicht etwa dieselbe Schulkantine oder dasselbe Restaurant. Allerdings wohnen alle in Saint-Quentin oder der Umgebung. Die Bürgermeisterin der 53.000 Einwohner zählenden Stadt, Frédérique Macarez, rief alle Eltern dazu auf, „extrem wachsam“ zu sein, falls ihr Kind Symptome wie schweren Durchfall entwickele, Fleisch gut durchzukochen und saubere Küchenutensilien zu verwenden. Rückrufe für alle zwischen dem 1. und dem 20. Juni gekauften Fleisch- und Wurstwaren in Saint-Quentin und Umfeld wurden veröffentlicht, um weiteren Vergiftungen vorzubeugen. Die Stadt hat eine Krisen-Hotline eingerichtet.
Historie von Lebensmittelskandalen in Frankreich
In Frankreich hat der Fall bislang keine allgemeinere Debatte um Lebensmittelskandale entfacht; noch warten alle auf genauere Erkenntnisse über die Ursachen. In den vergangenen Jahren kam es allerdings immer wieder zu schwerwiegenden Vorfällen, die mit verunreinigten Lebensmitteln verknüpft waren.
2022 wurden rund 50 Erkrankungen und sogar zwei Todesfälle von Kindern aufgrund von E-Coli-Bakterien in Zusammengang mit Biotoni-Tiefkühlpizzen gebracht. Seit 2024 laufen Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung und Täuschung gegen den verantwortlichen Mutterkonzern Nestlé Frankreich. 2017 musste der Hersteller Lactalis zwölf Millionen Packungen Babymilch zurückziehen, nachdem rund 40 kleine Kinder erkrankt und Salmonellen in einem Werk entdeckt worden waren. Auch hier gab es eine Anzeige.