Interview mit Schützen-Chef„Natürlich ist das Schützenwesen noch sehr männerlastig“

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Freiwillige Feuerwehr, Sportverein, Schützenverein: In vielen deutschen Landstrichen ist das quasi die heilige Dreifaltigkeit des Dorflebens. Die Zusammenschlüsse prägen das Leben und den Alltag der Menschen auf dem Land. Aber das Idyll trügt, viele Vereine überlegen nach Corona und angesichts allgemein sinkenden ehrenamtlichen Engagements, wie es weitergehen kann. Hans-Heinrich von Schönfels, Präsident des Deutschen Schützenbundes, sprach mit Dirk Fisser über Gleichberechtigung in Vereinen, über das deutsche Waffenrecht und die Frage, ob Uniform und Gewehr in Kriegszeiten noch angemessen sind.
Herr von Schönfels, Corona legt gerade eine Pause ein, das Leben normalisiert sich. In vielen Dörfern findet jetzt erstmals seit Jahren wieder ein Schützenfest statt. Welche Spuren hat die Pandemie im Schützenwesen hinterlassen?
Das Herunterfahren zu Beginn der Pandemie, also Kontakte reduzieren, Veranstaltungen absagen und so weiter, das war relativ einfach. Jetzt wieder Leben hineinbringen ins Vereinsleben, ist schon schwierig. Wir hoffen da auf die Wiederaufnahme des Trainings- und Wettkampfbetriebs und auf die Schützenfestsaison. Das ist auch eine wichtige Einnahmequelle für die Vereine in den Orten.
Zur Person

Hans-Heinrich von Schönfels
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Hans-Heinrich von Schönfels ist seit 2017 Präsident des Deutschen Schützenbundes, des Dachverbandes der bundesweit 14000 Schützenvereine. Der 62-Jährige kommt aus Hessen und leitet beruflich eine psychosomatische Klinik. (EB)
Vereine klagen über massiven Mitgliederschwund. Wie sieht das bei den Schützen aus?
Wir sind da, oberflächlich betrachtet, noch relativ glimpflich davongekommen. Unser Verband hat rund 1,3 Millionen Mitglieder. Im Vergleich zum Vorjahr liegt der Rückgang bei uns bei 1,5 Prozent. Das klingt erst einmal nicht so schlimm. Aber wenn man genauer hinschaut, zeigen sich die Probleme: Im Schüler- und Jugendbereich liegt der Rückgang bei zehn Prozent. Und zusätzlich gab es in den Jahren 20 und 21 so gut wie keine Neuzugänge. Das wird sich absehbar in den Vereinen bemerkbar machen, dass da ganze Jahrgänge fehlen.
Vielleicht ist das für einige Beobachter archaisch anmutende Schützenwesen mit Uniformen und Schützenfesten auch jenseits einer Pandemie nicht mehr allzu attraktiv für junge Menschen?
Sie meinen getreu dem Motto „Was soll mich diese jahrhundertealte Tradition interessieren?“. Das nehme ich nicht so wahr. Entscheidend ist die Vereinsstruktur vor Ort. Bei motivierten Jugendbetreuern gibt es auch wenig Probleme im Nachwuchsbereich.
Aber ist das militaristisch anmutende Schützenwesen in Zeiten, in denen nur einige Hundert Kilometer weiter östlich ein Krieg tobt, nicht doch aus der Zeit gefallen?
Wir stehen in keiner militaristischen, sondern einer bürgerlichen Tradition! Wir betrachten unsere Gewehre nicht als Waffe, sondern als Sportgerät. Mit Militär hat das nichts zu tun. Wir vollziehen den Spagat zwischen Tradition und moderner olympischer Sportart.
Vor der Pandemie gab es einmal im Jahr die Diskussion um die gesellschaftliche Offenheit der Schützenvereine: Eine Schützenkönigin oder ein homosexuelles Paar auf dem Thron – für manche Vereine offenbar unvorstellbar …
Zunächst einmal: Natürlich ist das Schützenwesen noch sehr männerlastig, das ist natürlich historisch bedingt. Da müssen wir besser werden, auch wenn ich mich gegen eine Frauenquote in Vereinsvorständen ausspreche. Einigen Landesverbänden stehen bereits Präsidentinnen vor. Generell gilt: Die meisten der Mitgliedsvereine sind modern aufgestellt, da ist Benachteiligung kein Thema.
Den Debatten lagen aber ja tatsächliche Vorkommnisse zugrunde …
Ja, es gibt auch solche Vereine – vor allem im Bereich der Brauchtumspflege –, die sich an ihrer Satzung festklammern. Da steht dann eben seit mehr als hundert Jahren drin, dass der König ein Mann zu sein hat oder auf dem Thron eben nicht zwei Männer oder Frauen Platz nehmen können. Daran hält man sich dann fest, auch wenn es vielleicht nicht zeitgemäß ist. Als bundesweiter Dachverband haben wir da nur bedingt Einfluss. Wir werben aber für Offenheit: Jeder und jede ist in einem Schützenverein willkommen.
Es wird allgemein über das schwindende ehrenamtliche Engagement geklagt – unabhängig vom Alter. Ein Problem auch bei den Schützen?
Ja, diese Entwicklung gab es schon vor Corona. Aber seitdem hat es sich noch einmal verschärft. Viele haben es sich zu Hause bequem eingerichtet und denken gar nicht mehr daran, sich im Verein einzubringen. Die müssen wir irgendwie wieder aktivieren. Das ist schwierig. Hinzu kommt, dass die Baby-Boomer-Generation langsam in Rente geht und es im Verein auch ruhiger angehen lässt.
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Was macht das mit dem Dorfleben, wenn das Vereinsleben langsam dahinsiecht?
Man hat das in der Corona-Pandemie ja gesehen: Ohne das Vereinsleben findet auch kein gesellschaftliches Leben in vielen Dörfern statt. Unsere Vereine sind ja vor allem im ländlichen Raum vertreten. Dort gilt: Schützenverein, freiwillige Feuerwehr und Sportverein – die drei bilden die gesellschaftliche Grundausstattung eines jeden Dorfes. Mit unseren 14000 Schützenvereinen bundesweit sind wir fest im Land verwurzelt.
Merken Sie ein Stadt-Land-Gefälle, wenn man über das Schützenwesen spricht?
Das würde ich nicht so sagen. Wir bilden ja eine große Bandbreite an Schießsportarten ab: Pistolenschießen, Bogenschießen, Target Sprint und so weiter. Unsere erfolgreichsten Vereine sind häufig in Großstädten zu finden. Aber richtig ist auch: Der Part der Brauchtumspflege ist eher in ländlichen Regionen zu finden.


