Ein Jahr nach dem Tod von LuiseTrauer, tiefe Narben und offene Fragen – Vater von geständigem Mädchen äußert sich

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Ein Holzkreuz, zahlreiche Blumen, Kuscheltiere und Kerzen liegen an dem Ort, an dem Luise getötet wurde. Zwei Mädchen hatten die Tat eingeräumt. (Archivbild)

Ein Holzkreuz, zahlreiche Blumen, Kuscheltiere und Kerzen liegen an dem Ort, an dem Luise getötet wurde. Zwei Mädchen hatten die Tat eingeräumt. (Archivbild)

Luise aus Freudenberg wurde im März 2023 erstochen. Zwei Kinder gestanden die Tat. Wie sieht es ein Jahr danach aus?

Gut ein Jahr nach dem bis heute unfassbaren Tod von Luise aus Freudenberg, den zwei Mädchen im Alter von damals 12 und 13 Jahren gestanden haben, sitzt der Schock in der Kleinstadt immer noch tief.

Am 11. März 2023 wurde die Schülerin brutal getötet, mit vielen Messerstichen. Sie verblutete nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Zuhause in der Kleinstadt Freudenberg nahe Siegen, wurde dort in einem Waldgebiet in Rheinland-Pfalz direkt an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen gefunden. 

Ein Jahr nach dem Tod von Luise aus Freudenberg: „Das Entsetzen bleibt“

„Das Entsetzen bleibt“, sagt Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD). Das Leid der Hinterbliebenen sei unermesslich. „Der Weg in die Normalität ist kein einfacher.“ Die Bedürfnisse von Luises Familie stehen Reschke zufolge an oberster Stelle.

Ob die Familie noch in Freudenberg wohnt oder weggezogen ist, lässt der evangelische Pfarrer Thomas Ijewski zu deren Schutz unbeantwortet. Er richtet deren Wunsch aus, man solle sich dem Grab des Mädchens nicht nähern, Privatsphäre respektieren. Auch Blumen und Plüschtiere helfen der Familie nicht mehr, wie er sagt. Am einige Kilometer entfernten Fundort der Leiche des Kindes ist kurz vor dem Jahrestag aber noch immer ein Meer von Blüten, Kerzen und Erinnerungsstücken zu sehen.

Luise aus Freudenberg: Familie helfen weder Blumen, Plüschtiere noch eine Gedenkstätte

Auf Fragen nach Errichtung eines zentralen Gedenkorts, meint der Pfarrer, man solle Luise im Herzen behalten, statt das grausame Geschehen „in Stein zu meißeln“. Mit der Tötung des Mädchens seien zwei „Grundannahmen vom Leben“ erschüttert worden: „Dass Kinder gut sind und dass Freundinnen zusammenhalten.“ Zwar hatten die Ermittler fast nichts über die Täterinnen verlauten lassen, dass die Drei sich kannten, steht aber fest.

Ob Luises Familie noch in Freudenberg lebt, darüber gibt der örtliche Pfarrer keine Auskunft.

Ob Luises Familie noch in Freudenberg lebt, darüber gibt der örtliche Pfarrer keine Auskunft.

Es sei schwer zu ertragen, dass die „Frage nach dem Warum“ offenbleiben werde, sagt Bürgermeisterin Reschke. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen können strafrechtlich nicht belangt werden. Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig. Die Ermittlungen waren im Herbst eingestellt worden.

Mädchen gestanden Messerangriff auf Luise aus Freudenberg – Vater äußert sich

Dennoch ist auch in ihrem Leben nichts mehr so, wie es vor der Tat war. Die geständigen Kinder waren mit ihren Familien aus Freudenberg weggezogen, unter Obhut des Jugendamts gestellt und in einer therapeutischen Einrichtung untergebracht worden. Haben sie schwere Schuldgefühle? Dazu könne er sich nicht äußern, sagt Jugenddezernent Thomas Wüst. Allerdings: „Die Belastung empfinden sie als immens.“

Der Vater der mutmaßlichen Komplizin bei dem tödlichen Messerangriff erzählt, wie es mit seiner Tochter nach der Tat weitergegangen sei. Sie habe zehn Monaten in der Kinderpsychiatrie gelebt und sei nun in einer Wohngruppe, berichtet der Vater laut „Bild“-Zeitung. Außerdem besuche sie inzwischen wieder eine Regelschule, die sich in Nordrhein-Westfalen befinden soll.

Jugendamt hat Sorgerecht und entscheidet mit Gericht über Zukunft

Jedes zweite Wochenende dürfe sie mit ihrer Familie verbringen, das Sorgerecht ist an das Jugendamt übergegangen. Ein Thema sei während der Familientreffen allerdings tabu: „Über die Tat spricht meine Tochter nicht. Dafür hat sie die Therapeutin“, zitiert die Bild den Vater, dessen Tochter an der Tat beteiligt gewesen sein soll. „Wenn Luises Eltern mir eines Tages ins Gesicht sehen wollen, werde ich bereitstehen“, sagt der Vater. Er wisse, dass er das Verbrechen nicht entschuldigen könne. 

Die mutmaßliche Haupttäterin sei weiterhin in klinischer Behandlung, so Jugenddezernent Wüst. Den beiden sei als „einziger Anker“ ihr familiäres Umfeld geblieben, sagt er.

Kein Strafprozess, aber Zivilklage im Fall Luise aus Freudenberg zulässig

Welche Rolle sie beim Mord am 11. März 2023 genau gespielt haben, wird die Öffentlichkeit nie erfahren. Einen Strafprozess, geschweige denn ein Urteil, wird es nie geben. Womöglich könnte eine Aufarbeitung des Falls aber auf einem anderen juristischen Weg in Gang kommen. Die Hinterbliebenen haben die minderjährigen Täterinnen unter anderem auf Schmerzensgeld verklagt. Die Zivilklage wurde vor dem Landgericht Koblenz eingereicht. Für die erlittenen Qualen des zwölfjährigen Mädchens hält Luises Familie demnach ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro für angemessen sowie je 30.000 Euro für die nächsten Angehörigen.

Es geht einem Gerichtssprecher zufolge um einen Streitwert von insgesamt rund 160.000 Euro. Anders als im Strafrecht könnten Kinder, die älter als sieben Jahre sind, für unerlaubte Handlungen haftbar gemacht werden. Das Verfahren läuft laut Gericht. Einen Termin für eine mögliche Verhandlung gibt es bisher nicht.

Was macht der Fall Luise mit dem Gerechtigkeitsempfinden?

Landrat Andreas Müller (SPD) spricht von einem „grausamen Spannungsfeld.“ Ihrer Familie sei Luise für immer gewaltsam entrissen, für die geständigen Mädchen werde es aber „im klassischen Sinne keine Strafe“ geben. Es sei verpflichtend, den Täterinnen einen Weg zurück ins Leben zu ebnen. Für manche sei das sehr unbefriedigend, empöre, verletze das subjektive Gerechtigkeitsempfinden. Aber: „Damit müssen wir leben und umgehen.“

Kurz nach Luises Tod war auch eine Debatte über eine frühere Strafmündigkeit aufgekommen, von den allermeisten aber als falsch zurückgewiesen worden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte versprochen, Luises Tod werde nicht ohne Folgen bleiben.

Der Landtag beauftragte die NRW-Regierung im Mai, die Ursachen der steigenden Kinder- und Jugendkriminalität erforschen zu lassen. Aus dem Innenministerium heißt es dazu auf Anfrage, man habe das Landeskriminalamt mit der Umsetzung der Studie beauftragt, Ergebnisse gebe es noch nicht. (mit dpa)

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