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Maddie-VerdächtigerChristian B. wird nach Freilassung „verfolgt“ und bittet um Hilfe

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Auch im Falle Maddie verdächtig: Christian B. vor Gericht.

Auch im Falle Maddie verdächtig: Christian B. vor Gericht. 

Nach seiner Haftentlassung wurde der Maddie-Verdächtige Christian B. aus seiner Wohnung in Neumünster geholt – unter massivem Polizeischutz und verfolgt von britischen Medien.

Die britische Boulevardpresse verfolgte den Maddie-Verdächtigen seit seiner Freilassung und in den sozialen Medien gründeten sich WhatsApp-Gruppen mit Namen wie „Sichtungen von Christian B.“ – was am Ende dazu führte, dass bekannt wurde, wo in Neumünster der aus der Haft entlassene Sexualstraftäter wohnt und die Polizei fürchtete, dass ihm etwas zustoßen könnte.

Unter massivem Polizeischutz ist Christian B. (48) am Samstag aus seiner Zwei-Zimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus geholt worden, begleitet von Beleidigungen durch Anwohner und fotografiert von Reportern der britischen „Sun“, die sich in einem Haus gegenüber auf dem Dachboden einquartiert hatten.

„Wir haben vorhergesagt, dass genau das so passieren wird“, sagt der Kieler Rechtsanwalt Philipp Marquort, der zum Strafverteidiger-Trio gehört, das Christian B. zuletzt vor dem Landgericht Braunschweig vertreten hat. Es seien daher verschiedene Anträge gestellt worden, um dem Mandanten eine Freilassung ohne mediale Hetzjagd zu ermöglichen, unter anderem beim niedersächsischen Justizministerium und der Strafvollstreckungsbehörde.

Um Entlassung im Geheimen gebeten

Nun wirft Philipp Marquort den Behörden Versagen vor. „Wir haben um eine Entlassung im Geheimen und die Möglichkeit gebeten, unseren Mandanten vergleichbar mit einem Vorgehen beim Zeugenschutzprogramm zunächst irgendwo anonymunterzubringen.“ Doch reagiert worden sei auf die Vorschläge nicht.

Eine Antwort auf einen Antrag vom 2. September sei am 29. September in der Kanzlei eingegangen, zwölf Tage nach der Freilassung. „Der Staat hat sich um nichts gekümmert, am Ende habe ich Christian B. Lebensmittel gekauft, weil er sich nicht mehr aus der Wohnung getraut hat“, berichtet Marquort.

Christian B. hatte in der JVA Sehnde eine siebenjährige Haftstrafe für die Vergewaltigung einer US-Amerikanerin 2005 in Portugal verbüßt. Im Fall fünf weiterer Sexualstraftaten wurde er im Oktober 2024 vom Landgericht Braunschweig freigesprochen.

Die dortige Staatsanwaltschaft hält ihn aber für den Hauptverdächtigen im Fall Maddie. Das drei Jahre alte britische Mädchen war 2007 aus einem Ferienappartement in Praia da Luz (Portugal) verschwunden. Das Handy von B. war zur Tatzeit bei einem Funkmast in der Nähe eingeloggt. Doch für einen Haftbefehl reichen die Erkenntnisse der Ermittlungen gegen ihn, die vor fünf Jahren begannen, nicht.

Der Rechtsanwalt betont: „Seine Haftstrafe im Fall der Vergewaltigung hat unser Mandant abgesessen und im Fall Maddie gilt die Unschuldsvermutung.“ Doch gerade gegen die habe insbesondere die Staatsanwaltschaft Braunschweig in zahlreichen Interviews verstoßen, weshalb sein Mandant „weltweit verbrannt“ sei.

Am Montag tauchte Christian B. vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in Braunschweig auf, um Oberstaatsanwalt Christian Wolters, Sprecher der Behörde, wegen der Vorverurteilung zur Rede zu stellen. Dem Sender „Sky News“ berichtete B. danach: „Der Staatsanwalt weigerte sich, mich zu treffen. Ich sagte seinem Vertreter, dass ich seine Hilfe wolle, um mein Leben zurückzubekommen.“

Er werde von den Medien gejagt, und das sei Wolters Schuld. „Ich möchte, dass er Verantwortung übernimmt, doch mir wurde gesagt, dass sie nichts tun könnten, um mir zu helfen. Ich sei verurteilt und freigelassen worden und obliege daher nicht ihrer Verantwortung.“

„Unser Mandant hat kein Leben mehr“

Marquort warnt: „Was in Neumünster passiert ist, wird überall wieder passieren, wenn der Staat keine angemessene Lösung findet, was seine Aufgabe ist. Das Tragische an der Situation ist doch, dass unser Mandant kein Leben mehr hat. Theoretisch müsste er für sechs Monate in eine abgelegene Gegend im Ausland, doch das ist ihm verwehrt.“ An die Menschen könne er nur appellieren, Christian B. „zur Ruhe kommen zu lassen“.

B. muss für mindestens fünf Jahre eine elektronische Fußfessel tragen – weil die Strafvollstreckungskammer davon ausgeht, dass es zu weiteren Sexualstraftaten „zum Nachteil weiblicher Personen jeglichen Alters“ kommen könnte. Doch die Fußfessel, nach Informationen unserer Redaktion ein Produkt mit Technik aus Israel, soll unzuverlässig arbeiten, unter anderem nur geladen werden können, wenn Christian B. sein Bein in einer bestimmten Position still hält, Indiz für einen bestehenden Wackelkontakt.

Weil der Akku deswegen nicht geladen wurde und das Signal zur „Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder“ (GÜL) in Hessen abgerissen ist, gab es Alarme. In mindestens zwei Fällen soll die GÜL, die bundesweit alle Fußfesseln überwacht, die Polizei Neumünster benachrichtigt haben, die dann ausrückte, weil B. über sein Handy nicht zu erreichen war. Auch hier soll der Akku schlapp gemacht haben.