Die Moderatorin und Camping-Liebhaberin Bettina Tietjen hat nicht nur ihre eigene Sendung zum Thema im NDR und einen Podcast, sie ist auch privat ein großer Camping-Fan. Im Interview mit Matti Gerstenlauer erklärt sie, warum Pingeligkeit nichts für Camper ist, ob sie Dosenravioli dabei hat und was für sie den Reiz beim Campen ausmacht.
Moderatorin Bettina TietjenBeim Camping nicht pingelig sein

Moderatorin Bettina Tietjen liebt Camping
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Sie sind bekannt für Ihre Liebe zum Camping. Welches Erlebnis hat aus dieser Freizeitaktivität eine Leidenschaft und sogar einen Teil Ihres Berufs gemacht?
Meine Initialzündung war nach der Schule, mit 18. Ich war mit sechs Leuten – drei Jungs, drei Mädels – unterwegs. Wir haben uns einen alten VW-Bus gekauft, das älteste Modell, und die Jungs haben ihn ausgebaut. Unter großem Protest unserer Eltern sind wir an die Atlantikküste gefahren, drei Wochen lang. Das war 1978, Camping bedeutete damals pure Freiheit. Früher konnte man überall stehen, es war nichts los. Für mich war das revolutionär, weil ich vorher nie gecampt hatte. Wegen Studium und Auslandsaufenthalten blieb es zunächst auch bei diesem einen Mal. Erst als ich meinen Mann kennengelernt habe, natürlich ein Camper und Surfer, habe ich es wiederentdeckt. Seitdem campen wir in jedem längeren Urlaub.
Machen Sie gar keinen anderen Urlaub?
Doch, wir machen auch Skiurlaube, Städtetrips oder besuchen Freunde. Aber die richtig langen Urlaube im Herbst und Sommer sind immer Campingurlaube. In Australien und Kanada haben wir Camper gemietet, weil wir unseren eigenen nicht mitnehmen konnten. Aber vier Räder sollte das Gefährt haben.
Unterwegs sein macht vielen Spaß, bereitet anderen aber auch Angst. Wie sehen Sie das?
Manche planen ihren Urlaub exakt; auch Camper, die Plätze reservieren oder Dauercamper. Das ist nicht meine Art. Wir planen nichts. Nächste Woche wollen wir los, ursprünglich nach Norditalien, aber wegen schlechten Wetters fahren wir jetzt Richtung Norden, vielleicht Schweden. Das Schöne ist, spontan zu entscheiden, worauf man Lust hat. Wir reservieren nicht, machen Roadtrips und bleiben nie lange an einem Ort.
Sie haben einmal gesagt, Camping sei bodenständig und einfach. Ist das ein Reiz, den Komfort des eigenen Zuhauses zurückzulassen?
Genau das! Wir haben zu viel Luxus und Gewohnheiten, die man nicht mehr hinterfragt. Beim Camping reduzieren wir auf das Nötigste. Unser Fiat Ducato ist 26 Jahre alt, spartanisch und selbst ausgebaut. Das Bett klappen wir aus, es gibt nur ein paar Schränke. Man überlegt, was man wirklich braucht, und merkt, wie wenig das in Wirklichkeit ist. Wir haben zwei Fahrräder, eine Dachbox. Alles muss da hereinpassen. Komischerweise nehme ich trotzdem immer noch zu viel mit und merke hinterher, dass man die Hälfte überhaupt nicht braucht. Man ist sowieso draußen in der Natur. Für mich ist wichtig, dass wir schön stehen, mit Blick auf Meer oder Landschaft. Mein Mann und ich diskutieren deswegen auch oft: Was ist wichtiger, praktisch oder schön stehen? Hauptsache, die Hochhäuser verdecken nicht die ganze Sicht.
Hochhäuser?
Mobilheime in Übergröße. Ich finde es nicht so schön. Die riesigen Wohnmobile versperren die Sicht und machen Plätze unattraktiv. Manche verkaufen alles, um damit zu reisen, und das ist okay, wenn es ihr Traum ist. Aber ich verstehe es nicht, wenn sich hingestellt und der laute Stromgenerator angeschmissen wird, nur um drinnen bleiben zu können, statt die Natur zu genießen. Das macht mich manchmal sogar leicht aggressiv. Bleibt es bei Ihnen stets beim Camper? Oder wird ab und zu auch mal ein Zelt auf- und wieder abgebaut? Für Zelte bin ich zu alt, ich kriege Rückenschmerzen. Auch ein Zelt bei Regen ist nichts für mich. Aber schön stehen, morgens Kaffee trinken und aufs Meer gucken oder in der Hängematte liegen – das ist das Beste. Draußen sein, unterwegs sein und Ballast abwerfen sind meine drei Lieblingsdinge am Camping.
Gibt es einen Ort, der Sie beim Camping besonders inspiriert oder beeindruckt hat?
Korsika ist meine Lieblingsinsel. Wir fahren regelmäßig hin, weil sie so abwechslungsreich ist. Es gibt naturbelassene Plätze mit Strand und tollem Sonnenuntergang. Australien war auch ein Traum, mit seinen Nationalparks und fantastischen Stränden. Ich bleibe aber trotzdem immer offen für Neues. Wenn man immer an dieselben Orte fährt, kann es enttäuschend sein, wenn etwas anders ist, als es zuvor war.
Sie haben einen durchgetakteten Job. Was nehmen Sie mit, was lassen Sie zurück – auch im übertragenen Sinne?
Termine lasse ich komplett weg! Deshalb reserviere ich auch nicht, weil ich nicht an einem bestimmten Ort sein will. Früher habe ich im Urlaub nicht einmal meine Mails gecheckt. Heute schaue ich alle paar Tage, falls etwas Wichtiges ist, aber ich finde es eher nervig. Ich will komplett abschalten. Beim Campen lese ich viel, frühstücke gemütlich und gehe an den Strand oder schreibe sogar ein wenig. Das ist Freiheit: Alles loslassen, was im Alltag wichtig scheint. Man merkt, die Welt dreht sich weiter, und wenn man zurück ist, hat man zu Hause meistens nichts verpasst.
Es gibt Dinge, die gehören für viele einfach zum Campen dazu. Zum Beispiel die obligatorische Dose Ravioli. Kann man die auch bei Ihnen im Camper finden?
Raviolidosen haben wir mit 18 am Strand gegessen – natürlich kalt! Das war herrlich. In meiner Campingsendung hatte Ingolf Lück auch Raviolidosen dabei, mit Chili oder anderen Geschmäckern, das war überraschend gut. Eigentlich ist das aber heute nichts mehr für mich. Wir haben immer Pesto, Spaghetti und Parmesan dabei. Das ist unser Standard, wenn es schnell gehen muss. Aus der Dosenzeit wächst man wohl raus – wenn man sich die Größe der Dosen anschaut, auch mengenmäßig.
Nutzen Sie öffentliche Duschen und Toiletten oder bevorzugen Sie die Privatsphäre Ihres Campers?
Ich nutze alles. Wir haben eine eigene Toilette für nachts oder wenn die öffentlichen nicht gut sind, aber ich habe kein Problem mit öffentlichen Duschen oder Toiletten. Wenn ich darauf achten würde, nicht erkannt zu werden, könnte ich nicht campen. Es ist mir egal. Ich färbe mir sogar die Haare im Waschhaus, wenn es sein muss. Wenn mich Leute ansprechen, machen wir ein Selfie oder plaudern kurz – kein Ding. Die Leute müssen nur verstehen, dass ich nicht ihre Freundin bin. Ich will nicht jeden Abend über meine Sendung reden. Es ist Urlaub, da lasse ich den Beruf hinter mir.
Was war das Unangenehmste, das Sie auf einer Campingtoilette erlebt haben?
Das Ekligste war tatsächlich in einer Dusche, nicht auf einer Toilette. Da lag eine riesige Kackwurst – und die stammte offensichtlich nicht von einem Hund – ich war so geschockt, dass ich von da an das Duschhaus gemieden habe und nur noch im Meer gebadet oder unsere Solardusche benutzt habe. Schlangen oder Frösche hatte ich auch, aber dreckige Toiletten gibt's überall, nicht nur beim Campen. Ich mache sie notfalls einfach sauber, ich nehme das nicht zu ernst. In Bewertungen von Campingplätzen geht es sowieso immer um saubere Toiletten und Duschen, wie viele Klos es gibt und ob sie nach Geschlechtern getrennt sind oder nicht. Für mich ist wichtiger, dass der Platz schön liegt, am besten ohne feste Parzellen und mit Weitblick, nicht ob die Dusche super sauber ist. Diese Wurst war mir aber dann doch zu viel.
Würden Sie Deutschen raten, über den hygienischen Tellerrand zu schauen?
Auf jeden Fall! Man verpasst so viel, wenn man nur auf saubere Toiletten achtet oder immer reserviert. In den Camping-Apps fehlen oft unsere Lieblingsplätze, weil sie die sehr hohen Standards nicht erfüllen. Letztes Jahr in Montenegro hatten wir einen Platz mit selbstgebauten Toiletten, die kein Bewerter durchgehen lassen würde. Genau das finde ich aber spannend. Wir hatten einen wunderschönen Urlaub dort.
Und wie ist das bei „Tietjen campt“? Dort teilen Sie Ihre Leidenschaft mit anderen Menschen und arbeiten sogar.
Das ist schön, weil es Arbeitszeit ist, die sich wie Urlaub anfühlt. Die meisten Mitreisenden haben keine Campingerfahrung, und es ist spannend, sie zu beobachten – wie sie abspülen oder die Toilette leeren. Schön ist, wie eine Gruppe, die sich nicht kennt, zusammenwächst. Am Ende sind meistens auch alle traurig, wenn es vorbei ist – wie eine Familie. Das liegt an der ungewohnten Situation, man improvisiert und kommt sich näher als im Studio.
Nervt man einander manchmal auch in so intimen Situationen?
Ja, manchmal denkt man: „Oh, fängt der schon wieder an?“ Es gibt schon Diskussionen, warum zum Beispiel jemand im größeren Wohnmobil schläft, wer abspülen muss oder wer zu laut schnarcht, aber nichts Schlimmes. Als Moderatorin sehe ich es als meine Aufgabe, die Gruppe harmonisch zu halten. Ich will kein Drama wie im Dschungelcamp.
Sie sind wohl die bekannteste Camperin Deutschlands. Gibt es noch etwas zu erreichen für Sie?
Auf jeden Fall! Einen Wunsch habe ich mir jetzt auch schon erfüllen können: Es ist ein Camping-Podcast, den ich schon lange machen wollte. Ich rede etwa eine Stunde mit Prominenten, die campen. Oder mit Leuten mit spannenden Reise- und Campinggeschichten. Ich hatte schon Johannes Oerding zu Gast, Zora Klipp und Joja Wendt, Mirja Boes und Jörg Pilawa. Auch junge Influencerinnen wie Yvonne Pferrer, die mit ihrem Freund durch Südamerika gereist ist, oder Ann-Kathrin Bendixen, die mit dem Motorrad die Welt erkundet, sind dabei. Ich will auch Leute befragen, die Campingführer schreiben oder Plätze betreiben. Zweimal im Monat möchte ich mit ,Ins Blaue‘ noch tiefer in die Welt des Campings eintauchen und natürlich viel dazu lernen.
Gelernt haben Sie in einigen Jahrzehnten Camping bestimmt viel: Welchen Tipp würden Sie anderen Campern gerne mitgeben?
Auf jeden Fall sollte man eine Kopflampe und ein Multitool wie ein Leatherman mitnehmen! Das kann man immer gebrauchen. Wer, wie ich auch, nicht gerne reserviert und sich von der Sonne treiben lässt, kann sich einen Trick zunutze machen: Mittags ankommen, so zwischen 12 und 13 Uhr, wenn die meisten abreisen. Da findet man fast immer etwas. Gute Laune mitzubringen und nicht zu pingelig zu sein, ist natürlich auch wichtig. Wenn du dich über eine schmutzige Toilettenbrille aufregst, ist Camping nichts für dich.