„Der Tote wurde vergessen“Sterbender am K2 von Bergsteigern ignoriert – Reinhold Messner äußert sich fassungslos

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Der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner verurteilt das Verhalten von zahlreichen Bergsteigerinnen und Bergsteigern am K2. (Archivbild)

Der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner verurteilt das Verhalten von zahlreichen Bergsteigerinnen und Bergsteigern am K2. (Archivbild)

Wie kann es sein, dass dutzende Bergsteiger einen lebensgefährlich verletzten Mann einfach liegen lassen? Reinhold Messner hat eine Erklärung.

Am 27. Juli stürzte der pakistanische Hochträger Mohammad Hassan infolge eines Lawinenabgangs auf dem K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, auf rund 8.200 Metern Höhe. Der lebensgefährliche Verletzte lag anschließend stundenlang an der Schlüsselstelle „Flaschenhals“, dutzende Bergsteigerinnen und Bergsteiger passierten diese Stelle – Hilfe holte offenbar niemand, das berichtet unter anderem „Der Standard“.

Unfassbarer Vorgang am K2: Bergsteiger lassen Sterbenden einfach liegen

Dort erhob der Tiroler Hotelier und Bergsteiger Wilhelm Steindl, der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls am K2 unterwegs war, schwere Vorwürfe und wirft mehreren Gipfelstürmern unterlassene Hilfeleistung vor. Er glaubt, der Mann könnte heute noch leben.

Inzwischen hat sich auch Bergsteiger-Legende Reinhold Messner zu dem Vorfall am K2 geäußert. Der italienische Extrembergsteiger, Abenteurer und Buchautor zeigt sich angesichts der Geschehnisse fassungslos und sieht sie als Beleg einer verkommenen Ethik im zunehmenden Tourismus auf den höchsten Bergen der Welt.

Reinhold Messner äußert sich zu Todesfall am K2

„Es gibt eine Selbstverständlichkeit und die heißt: abbrechen, wenn etwas passiert und dem oder der Verletzten runter helfen. Das ist immer so gehalten gewesen und meistens, wenn es Tote gab, hat man sowieso die Besteigungen abgebrochen“, sagte der Extrembergsteiger gegenüber dem WDR.

Seiner Meinung nach hat vor allem die enorme Zunahme an kommerziellen Touren dazu beigetragen, dass diese Grundsätze heute nicht mehr überall gelten. „Das stört mich am meisten, dass da ohne viel nachdenken, einfach weiter gipfelwärts gestiegen wurde. Der Tote wurde dann, mit jedem Meter nach oben, mehr vergessen. Und das ist natürlich die Folge, wenn es um Rekorde und Wettkämpfe geht.“

Messner sieht Kommerzialisierung und Bergtourismus äußerst kritisch

Damit spielt Messner darauf an, dass am Unglückstag mehrere Rekordjäger am Berg unterwegs waren, unter anderem die Norwegerin Kristin Harila. Berichten zufolge liefen am Unglückstag etliche Expeditionen, rund 200 Bergsportler sollen sich auf dem Weg zum Gipfel befunden haben, unter anderem auch Harila, die mit dem K2 eine umstrittene Rekordjagd (Besteigung aller 14 Achttausender binnen 92 Tagen) vollenden wollte.

Kristin Harila hat sich zu den Vorwürfen auf ihrer Website geäußert. Es mache sie wütend, dass viele sie und andere Bergsteiger für den Tod Hassans verantwortliche machten. „Das war niemandes Schuld“, so Harila. Sie habe dem abgestürzten Hochträger gemeinsam mit anderen versucht zu helfen, sei später – im Glauben, der Schwerverletzte würde weitere Hilfe bekommen – dann weitergestiegen. „Wir hatten unser Bestes gegeben“, beteuerte Harila und sprach von einer „Tragödie“.

Wilhelm Steindl hingegen ist sehr wohl der Meinung, dass dem Mann hätte geholfen werden können. „Er ist dort elendig verreckt“, wählt Steindl drastische Worte. „Was da passiert ist, ist eine Schande“, urteilt er.

Todesfall am K2 wird von Behörden untersucht

Der K2 gilt als der anspruchsvollste aller Achttausender. Bisher haben nur rund 300 Menschen den Gipfel bestiegen. Jeder vierte Bergsteiger überlebt den Aufstieg dort laut Statistik nicht. Hassan ist das 96. Todesopfer am K2.

In Pakistan sollen nach dem Tod des Bergträgers am K2 nun Zeugen gehört werden. „Die wichtigste Aussage wäre die des anderen Höhenträgers, der mit dem toten Träger das Seil befestigte und ihn fallen sah“, sagte Rahat Karim Baig, Mitglied einer Untersuchungskommission, der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag.

„Es ist bedauerlich, dass niemand anhielt, um dem sterbenden Mann zu helfen“, sagte Abu Zafar Sadiq, Präsident des pakistanischen Alpinclubs. (pst)

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