Ein Projekt in Indonesien, das gegen Unterernährung helfen sollte, entpuppt sich als Gesundheitsproblem. Oft landet Fragwürdiges wie frittierter Hai auf dem Speiseplan.
Kritik an RegierungsprojektSchüler in Indonesien klagen über Scherben und Maden im Essen

Symbolbild
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Was als ehrgeiziges Sozialprojekt gegen Unterernährung begann, entwickelt sich für Indonesiens Regierung zu einer handfesten Krise: Tausende Schulkinder wurden in den vergangenen Wochen nach dem Verzehr kostenloser Mahlzeiten krank – manche fanden Maden im Essen, andere aßen sogar frittierten Hai.
Die 16-jährige Neng Laras aus Westjava ist eines von vielen betroffenen Kindern. Ihr sei nach der Mahlzeit übel geworden, erzählte sie dem australischen Sender ABC. „Ich habe mich nicht übergeben, aber andere Schüler schon.“ Mehr als 1000 Kinder in ihrer Region mussten wegen schwerer Magenschmerzen, Schwindel oder Atemnot behandelt werden.
In anderen Landesteilen war es nicht besser: In Mamuju (Westsulawesi) wurden Dutzende Schüler durch abgelaufene Soße vergiftet, in Ketapang (Westkalimantan) erkrankten mindestens 25 Schüler und Lehrer nach einem Schulessen, das im Rahmen des Regierungsprogramms Makan Bergizi Gratis (MBG, „Kostenlose nahrhafte Mahlzeiten“) ausgegeben wurde.
Hai mit Risiko von Quecksilberbelastung
Ein Gericht stach dabei besonders heraus – frittierter Hai. Der regionale MBG-Leiter Agus Kurniawi räumte gegenüber lokalen Medien ein, dass die Verwendung von Haifleisch ein schwerwiegender Fehler gewesen sei. Neben Lagerungsproblemen besteht auch das Risiko einer Quecksilberbelastung bei Haien.
In anderen Schulen entdeckten Kinder Maden im Reis oder sogar Glasscherben in den Mahlzeiten. Nach Angaben der Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachungsbehörde BPOM haben bis Ende September über 9000 Kinder im ganzen Land Symptome von Lebensmittelvergiftungen gezeigt.
In Yogyakarta gingen Hunderte Mütter auf die Straße, schlugen mit Töpfen und Pfannen und forderten ein sofortiges Ende des Programms. „Im Dorf ist das laute Schlagen von Töpfen ein Symbol für einen Notfall“, erklärte Kalis Mardiasih, eine Frauenrechtsaktivistin, dem Sender ABC. „Wir tun dies, damit unsere Stimmen die Ohren der Entscheidungsträger erreichen.“
Dabei hatte der neue Präsident Prabowo Subianto das MBG-Programm als visionäres Programm gestartet. Anfang des Jahres hatte er angekündigt, über 80 Millionen Schulkinder und schwangere Frauen regelmäßig mit kostenlosen Mahlzeiten zu versorgen – um Unterernährung und Wachstumsstörungen durch Mangelernährung zu bekämpfen.
Vision: eine gesündere, leistungsfähigere junge Generation
Rund 28 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollte das Programm kosten, wenn es vollständig umgesetzt ist. Laut dem australischen Thinktank Lowy Institute wären dafür jedes Jahr 6,7 Millionen Tonnen Reis, 1,2 Millionen Tonnen Hühnchen, 500.000 Tonnen Rindfleisch und vier Millionen Kiloliter Milch nötig. Die Vision: eine gesündere, leistungsfähigere junge Generation – und neue Impulse für Landwirtschaft und lokale Wirtschaft. Millionen von Jobs sollten entstehen, insbesondere für Frauen in Küche und Catering.
Doch schon kurz nach dem Start im Januar regte sich Kritik. Eltern und Lehrer beschwerten sich in sozialen Medien über die Qualität des Essens – „das Gemüse nicht frisch, das Fleisch vergammelt“ sei, wie Denis Suarsana von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta damals berichtete. Bereits in den ersten Tagen habe es erste Fälle von Lebensmittelvergiftung gegeben. Zudem wurde die Kostenkürzung pro Mahlzeit von 90 auf 60 Euro-Cent heftig kritisiert. Nun zeigt sich, wie berechtigt die Skepsis war.
Strengere Kontrollen angekündigt
Die Nationale Ernährungsbehörde Badan Gizi Nasional (BGN), die das Programm beaufsichtigt, musste in der vergangenen Woche in einer Parlamentsanhörung einräumen, dass 18 der 19 betroffenen Küchen neu gebaut und erst seit weniger als einem Monat in Betrieb waren. Die Ursachen für die Erkrankungen: schlechte Auswahl und Lagerung der Zutaten, mangelhafte Reinigung der Küchengeräte, Transportzeiten, die die Sicherheitsstandards überschritten.
BGN-Chef Dadan Hindayana versprach strengere Kontrollen – weigerte sich jedoch, von Lebensmittelvergiftung zu sprechen. „Ich würde es nicht Vergiftung nennen, sondern eher Verdauungsstörung, weil die Qualität der servierten Mahlzeiten nicht mehr frisch war“, sagte er der Wochenzeitung Tempo. „Es gab mehrere beitragende Faktoren, und wir geben Fahrlässigkeit zu. Dafür entschuldigen wir uns aufrichtig.“
Präsident Prabowo Subianto selbst hält an seinem Programm fest. Er erinnerte daran, dass bislang über eine Milliarde Mahlzeiten an rund 30 Millionen Menschen verteilt worden seien. Angesichts dessen sei die Zahl der Krankheitsfälle „relativ gering“. „Diese Abweichung beträgt nur 0,0017 Prozent – eine ziemlich stolze Leistung“, sagte er laut lokaler Medien. Verbesserungen seien bereits eingeleitet.
Während Regierungsstellen beschwichtigen, mehren sich jedoch auch Berichte über mangelnde Transparenz. Laut Human Rights Watch wurden zwei Journalisten in Jakarta gewaltsam aus einer MBG-Küche gedrängt, als sie dort mit Angestellten sprechen wollten. Auch die Finanzierung des Programms bleibt umstritten. Schon zu Jahresbeginn war unklar, wie Jakarta das Mammutprojekt langfristig stemmen will.