Stephanie von Bismarck engagiert sich gegen Kindesmissbrauch und die Defizite bei der digitalen Bildung.
Stephanie von Bismarck„Das Internet hat das Tor zur Hölle geöffnet“

„Unabhängigkeit war mir schon immer ein hohes Gut“, sagt Stephanie von Bismarck, die Ex-Ehefrau von Karl-Theodor zu Guttenberg. (hier auf einer Aufnahme von 2010)
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Zur Schule ging sie in München. Dort wurde sie 1976 geboren als Stephanie Anna Charlotte Gräfin von Bismarck-Schönhausen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erinnert sie sich: „Im Winter lag in München immer viel Schnee – mit dem Klimawandel hat sich dies leider geändert.“ Sie wuchs zweisprachig auf – Deutsch und Schwedisch. Heute spricht sie mit Englisch, Französisch und Italienisch fünf Sprachen. Das erklärt mithin, dass sie eine Kosmopolitin ist, stets offen für neue Gedanken und Kulturen. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass sie früh selbstständig wurde. „Meine Eltern sagten nur: Komm’ nach Hause, wenn es dunkel wird.“ So lernte sie früh, „sich jung viel zuzutrauen und eigene Wege zu entdecken.“
Weg zur unabhängigen Frau
Nach dem Abitur ging die Gräfin für ein Jahr an die Sorbonne. Sie kehrte nach Deutschland zurück und absolvierte an der Textil-Fachakademie in Nagold eine Ausbildung zur Textilbetriebswirtin. Danach arbeitete sie unter anderem in Pariser Modeagenturen. Ihr Studium finanzierte sie selbst: „Unabhängigkeit war mir schon immer ein hohes Gut.“
Im Jahr 2000 heiratete sie Karl-Theodor zu Guttenberg, einen hoffnungsvollen CSU-Politiker. Zwei Töchter wurden geboren. Nun hieß sie Stephanie Anna Charlotte Buhl-Freifrau von und zu Guttenberg, und das glamouröse Paar rückte verstärkt ins öffentliche Scheinwerferlicht. Ende 2022 trennte sich das Paar. Mittlerweile ist ihr Ex-Mann mit der zukünftigen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche liiert.
Engagement gegen Kindesmissbrauch
Stephanie zu Guttenberg engagierte sich früh gegen Kindesmissbrauch, beginnend 2004. Ab 2006 war sie bei der NGO „Innocence in Danger“ aktiv und wurde 2009 Präsidentin der deutschen Sektion.
„Durch eine ehemalige Mitarbeiterin des internationalen Roten Kreuzes wurde ich auf die schockierenden Verbrechen an Kindern aufmerksam gemacht“, erinnert sie sich. „Material von sexuellem Missbrauch an Kindern war damals weder in der breiten Öffentlichkeit noch in der Politik ein großes Thema. Es wurde immer als Randthema abgetan.“ Die rasante Entwicklung des Internets katapultierte sexuelle Gewalt gegen Kinder in völlig neue globale Dimensionen.
Die Adlige wurde eine bekannte Stimme, die sich unter anderem für die konsequente Sperrung von Inhalten zu Kindesmissbrauch aussprach. Sie meinte dezidiert: „Unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit wird gegen eine solche Sperrung polemisiert, dabei nehmen diese ,Liberalen’ das unendliche Leid der Kinder offenbar nicht ernst genug.“
In ihrem Buch „Schaut nicht weg! Was wir gegen sexuellen Missbrauch tun müssen“, gemeinsam verfasst mit Anne-Ev Ustorf, schrieb sie, dass Pornos im Internet, Popsängerinnen im Bondage-Outfit und Topmodel-Shows „Kindern und Jugendlichen die Entwicklung eines positiven Körperbilds und einer ichbezogenen Sexualität erschweren.“ Fest steht für die Freifrau: „Das Internet hat in diesen Bereichen das Tor zur Hölle geöffnet.“
Herausforderungen der Bekanntheit
Wie schafft sie es mental, sich dauerhaft mit diesem Thema auseinanderzusetzen? „Ich habe für mich einen emotionalen Mechanismus entwickelt, dass ich damit sehr rational umgehen kann, um missbrauchten Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben.“
Als ihr Mann von Angela Merkel zum jüngsten deutschen Verteidigungsminister (2009 bis 2011) ernannt wurde, erhob die Presse das Ehepaar Guttenberg in den Stand „Deutschlands Kennedys“. „Die extreme Exponiertheit in Presse, TV und im Internet habe ich als belastend empfunden“, betont sie.
Als ihr Mann 2011 wegen einer Plagiats-Affäre zurücktrat, ging es im gläsernen Promi-Fahrtstuhl ebenso rasch wieder runter. Hat sie daraus eine Lehre gezogen? „Du bist nie so gut wie sie schreiben und nie so schlecht.“
Rückkehr aus den USA und Bildungskritik
Die Guttenbergs kehrten Deutschland den Rücken und lebten in den USA, zuerst in Connecticut, später in Florida. Der allmähliche wirtschaftliche Abstieg Deutschlands (das Paar kehrte 2020 zurück) blieb auch in den USA nicht unbemerkt. Gleichzeitig schrumpfte Europas Einfluss auf der weltpolitischen Bühne.
Was der Bildungsaktivistin jedoch positiv auffiel: In den USA war digitale Bildung damals bereits ein viel größeres Thema. Nicht zuletzt durch den Einfluss der dortigen Techriesen wie Apple und Google. Europa hinkte dieser Entwicklung deutlich hinterher. Auf der Schattenseite dieses technologischen Fortschritts stand jedoch der „Goldrausch“ im Silicon Valley. Dieser führte dazu, dass sich vor allem Social Media zunehmend unkontrollierbar entwickelte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war sie schockiert, festzustellen, dass hierzulande vielerorts noch „Kreidezeit“ herrschte. Schüler mussten nach wie vor zur Tafel vortreten.
Hinzu kam, dass Stephanie zu Guttenberg erschüttert war von „der maroden Infrastruktur deutscher Schulen und der ignoranten Haltung der Politik, die laut nach Bildung schreit, aber viel zu wenig in unser Bildungssystem investiert. Deshalb engagiert sie sich seit 2019 intensiv für digitale Bildung, die Modernisierung des deutschen Bildungswesens und eine überfällige Vermittlung von Medienkompetenz von Anfang an. Sie investiert als Unternehmerin in Bildungs-Startups. Sie tritt das ganze Jahr über oft kreuz und quer in Europa als Referentin für digitale Bildung auf.
Leben in der Schweiz und Gedanken zu Social Media
Heute lebt Stephanie von Bismarck in der Schweiz. Sie ist in jeder Hinsicht unabhängig. Da die Töchter erwachsen sind, reist die Mutter privat wie beruflich für ihr Leben gern. Eine Initiative, die jüngst in Australien in Gesetzesform gegossen wurde, findet sie für Deutschland zumindest diskussionswürdig: „Zugang zu Social Media könnte auch in Deutschland erst mit 16 Jahren umfänglich gestattet sein.“ Dabei betont sie jedoch: „Verbote allein dürfen nie als Allheilmittel verstanden werden – entscheidend ist die richtige Aufklärung und Auseinandersetzung mit den Themen. Bereits heute gilt bei den großen Plattformen eine Altersbeschränkung ab 13 Jahren – nur das wissen viele nicht.“ Außerdem, so sagt sie, „nicht nur Kinder und Jugendliche sind von Social Media überfordert, es sind oft die Eltern, die inhaltlich wie technisch nicht up to date agieren.“
Hat sie Ambitionen, einmal in die Politik zu gehen? „Um Gottes willen, nein, ganz bestimmt nicht.“