Was macht ein gutes Asia-Restaurant aus? Der aus dem Fernsehen bekannte Koch und Gastronom The Duc Ngo gibt Tipps und spricht über den Erfolg seiner Küche.
TV-Koch The Duc Ngo„Man muss die Geschichte einer Küche begreifen“

Was gehört im Asia-Restaurant auf den Teller und was nicht? The Duc Ngo hat klare Vorstellungen.
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Chinesisch, Vietnamesisch, Japanisch: Asiens Küchen sorgen für einen Trend nach dem anderen. Aber was davon ist wirklich authentisch und gut? Darüber hat Daniel Benedict mit The Duc Ngo gesprochen. Der 51-jährige Spitzenkoch betreibt 15 Restaurants von Berlin bis Baden-Baden. Gerade ist sein Kochbuch „The Duc Ngo: Neue asiatische Küche“ erschienen.
Herr Ngo, woran erkenne ich ein gutes Asia-Restaurant? Verschiedene Küchen Asiens auf ein und derselben Karte sind für Sie sicher kein Ausschlusskriterium.
Ich bin selbst mit verschiedenen Traditionen aufgewachsen. Mütterlicherseits kommt meine Familie aus Vietnam, väterlicherseits aus China. Was Sie nicht auf dem Teller sehen sollten, sind wilde Kreationen aus Weizennudeln, Sesam, Karotten, Pak Choi und Hühnchen mit Soja- und Fischsoße. Das ist keine Fusion-Küche, sondern Blödsinn. In einem japanischen Restaurant, bei dem weder der Dashi-Sud (eine Brühe auf Grundlage von Thunfisch und Seetang, Anm. d. Red.) noch die Teriyaki-Soße stimmen, taugen auch panasiatische Gerichte nichts. Kombinieren können Sie Küchen nur, wenn sie jede einzelne beherrschen. Man muss die Geschichte einer Küche begreifen. Dann kann man auch kombinieren und neben einer authentischen Bolognese auch mal dicke Bigoli-Nudeln mit Butter und Sojasoße anbieten. Ob ein Restaurant gut ist, erkennen Sie dann schon an den Gästen: Wenn die aus der entsprechenden Region kommen, stimmt alles.
Wir sitzen an der Berliner Kantstraße in ihrem Restaurant „Madame Ngo“. Was kriege ich hier auf den Tisch?
Hier bekommen sie eine nordvietnamesische Pho Nudelsuppe. Im Gegensatz zur südvietnamesischen Pho ist diese sehr leicht und knochenbasiert. Weniger Gewürze, Zucker und Kräuter. Noch ein Tipp von mir: wenn sie „chinesisch“ essen gehen wollen, gibt es auch hier riesige regionale Unterschiede, kantonesische Küche oder Sichuan-Küche unterscheiden sich stark.
In Asia-Läden gibt es alle erdenklichen Soßen zu kaufen. Mir schmeckt zum Beispiel Toban Djan, diese fermentierte Sojapaste. Ist das ein Gewürz, das ich guten Gewissens verwenden darf? Oder ist es Fertigkost, von der anspruchsvolle Köche die Finger lassen?
Die Chinesen haben starke Convenience-Produkte entwickelt, fertige Soßen, bei denen man nur noch Tofu, Fleisch oder Gemüse unterhebt und fertig. Das schmeckt, aber ursprünglich wurde das natürlich mal anders gemacht. Da wurde Tofu fermentiert, Chiliöl angesetzt, Zucker, Salz und Glutamat gemischt. Und dann schmeckt es viel besser. Die fertigen Soßen sind wie Bolognese aus dem Glas. Viele Restaurants kochen so. Aber man merkt den Unterschied.
Wenn ich meinen Fertigsoßen abschwören will – welche vier, fünf Gewürze sollte ich dann im Haus haben, um beispielsweise etwas nicht so geschmacksintensives wie Tofu abzuschmecken?
Dass Deutsche aber auch immer Geschmack am Tofu brauchen! Wir löffeln den auch pur, frisch, gedämpft, gestockt. Morgens gibt es nichts Schöneres. Wenn ich klassisch nordvietnamesisch koche, nehme ich einen mittelharten Tofu, trockne ihn ab und frittiere ihn in heißem Öl, bis er goldbraun und knusprig ist. In Asien geht’s nicht nur um den Geschmack, sondern auch um die Konsistenz. Dann mische ich Fischsoße, Chili, vielleicht noch ein bisschen Zitrone und dippe den Tofu rein. Dazu Reis oder eine Suppe. Fertig. Wenn Sie es noch aromatischer wollen, mischen Sie Austern-, Fisch- und Sojasoße mit Knoblauch, Ingwer und Chili und marinieren den noch heißen Tofu darin. Ein paar Stunden ziehen lassen und dann noch mal kurz anwärmen. Und wenn Sie das so gern mögen, können Sie auch Toban-Djan-Paste dazugeben. Das ist ja nicht verboten.
Ich habe nach einem Rezept gesucht, mit dem ich Ihr Kochbuch ausprobieren könnte. Was mich anspricht, ist der Sellerie Dengaku. Kriege ich das hin?
Ja, das ist einfach und so lecker, dass Sie jeden damit beeindrucken. Der TV-Koch Frank Rosin fand es sogar so geil, dass es mich gefragt hat, ob er es klauen darf. (lacht). Man packt eine Sellerieknolle drei bis vier Stunden in den Ofen, bis sie richtig schön weich und süß ist. Dann wird sie in Scheiben geschnitten und in Butter angebraten – was zwar nicht mehr japanisch ist, aber wir machen es trotzdem. Dann wird Miso-Soße drauf drapiert und alles noch mal unter Oberhitze karamellisiert. Wenn Sie dann mit dem Löffel reinstechen und diese Süße schmecken, am besten mit ein paar Sesamkörnern drauf, dann jubeln Sie.
Keines Ihrer aktuellen Lokale bedient das Asia-Klischee. Wie finden Sie den Look für Ihre Restaurants?
Es geht nicht nur fürs Essen, sondern um eine Atmosphäre. Wenn ich ein neues Restaurant plane, arbeite ich mit einer koreanischen Künstlerin, die das Design konzipiert. Ich mag es, wenn man das Lokal nicht gleich einordnen kann. Einen Vietnamesen mit Bambusdekoration oder einen Japaner, bei dem alles nur rot und schwarz ist, finde ich kitschig. Wir wollten nie Klischees. Mein Restaurant „893 Ryotei“ zum Beispiel ist eine alte Drogeriefiliale mit verspiegelten Fenstern, die voller Graffiti sind. Von außen sieht es nicht wie ein Restaurant aus, sondern wie eine Gangsterhöhle. Auf Altjapanisch bedeutet 893 dann auch „Ya“, „ku“, „za“.(Yakuza ist der Begriff für das organisierte Verbrechen in Japan, Anm. d. Red.)
Sie haben schon 22 Restaurants eröffnet. Nicht alle davon gibt es noch. Was hat nicht funktioniert?
Angefangen habe ich mit einem japanischen Restaurant. Als das ein Erfolg war, habe ich einen großen Gourmet-Tempel, das Shiro i Shiro, aufgemacht, 140 Plätze, auf Sterne-Niveau. Ich war 29 Jahre alt, ein bisschen naiv, hatte aber einen sehr guten Küchenchef und auch einen sehr guten Restaurantleiter. Anfangs hat es gut funktioniert, die oberen Zehntausend waren da, sogar Stars. Wir haben Talent bewiesen und sind schnell aufgeblüht, aber für die Champions League braucht man Erfahrung und Geld. Wir konnten das Niveau nicht halten. Vier Jahre habe ich gekämpft, dann habe ich es geschlossen – und ich hatte was gelernt. Mein zweiter Fehltritt war ein veganes Café-Restaurant, das vor allem auf Frühstück spezialisiert war.
Was lief da schief?
Wir waren superstreng und haben nichts zugelassen: keinen raffinierten Zucker, keine fertigen Soßen. Wir haben alles selbstgekocht, aus Bohnen, Sojasoße und so weiter. Ich kannte das aus New York und London und ich fand es toll. Wenn man streng vegan kocht, muss man viel kreativer werden. Aber wir waren im falschen Stadtteil und haben auf das falsche Zeitfenster gesetzt. Morgens geben die Leute kein Geld für aufwendiges Essen aus. Nach acht Monaten haben wir es gecancelt.
Unterscheiden sich unangenehme Gäste je nach dem Land? Oder sind unhöfliche Leute überall gleich?
Asiaten sind als Gäste meisten sehr höflich. Wenn sie unzufrieden sind, gehen sie einfach und kommen nicht wieder. Deutsche bestehen auf ihrem Recht. Die gucken, ob der Gast am Nebentisch besser bedient wurde. Und die wollen für ihr Geld eine große Portion. Es herrscht ein starkes Preis-Leistung-Denken und da geht’s mehr um Quantität als um Qualität. Alles andere wird übersehen: die Handwerkskunst, die Erfahrung des Kochs, das Design und auch die Frage, wie gut die Kellner bezahlt werden. Aber solche Gäste sind die Ausnahme. Ich sage jedem meiner Kellner, dass er die Leute am Empfang so gut wie möglich abholen muss. Dann gehen die Gäste gar nicht erst in den Widerstand und verzeihen auch mal einen Fehler.
Ein Streitfall zwischen den Restaurant-Kulturen dieser Welt: Gibt es Leitungswasser gratis dazu oder nicht?
Wenn bei mir jemand reinkommt, eine Suppe isst und ein Glas Leitungswasser haben möchte, dann kriegt er es. Wenn vier Personen zum Abendessen kommen und der ganze Tisch nur Leitungswasser verlangt, stimmt meine Kalkulation nicht mehr. Mit den Getränken verdient die Gastronomie das Geld. Ein Menü für 200 Euro, an dem acht Köche arbeiten, bringt mir genauso viel ein wie eine Flasche Champagner, die der Kellner einfach nur aufmachen muss. Es ist eine Mischkalkulation.
Auch in Asien wird mit wachsendem Wohlstand immer mehr Fleisch gegessen. Geht damit auch was verloren?
Das ist ein großes Thema. In Südostasien geht‘s immer weiter voran mit der Verwestlichung. Vor 20 Jahren gab’s in Vietnam noch keine McDonald’s-Filiale. Inzwischen kommen immer mehr Fastfood-Lokale und all die kleinen Garküchen gehen ein.
Ihre erste Arbeit in der Gastronomie soll ein Schülerjob bei McDonald’s gewesen sein. Wie war es da?
Damals fand ich es toll. Als Jugendlicher isst man gerne bei McDonald‘s und wenn man viel Sport macht, steckt man das weg. Ich habe mir drei Cheeseburger mit Pommes und Cola reingezogen und musste nichts bereuen. Damals habe ich auch gelernt, wie man schnell und systematisch arbeitet. Und, wie man sauber arbeitet. Das hat mir später geholfen. Die System-Gastronomie war eine gute Schule.
Wenn ich heute an einem McDonald’s vorbeigehe, finde ich den Geruch immer noch appetitlich – obwohl ich genau weiß: Wenn ich zuschlage, werde ich mich nach dem Burger elend fühlen. Wie kommt es zu dieser Dissonanz?
Das sind die Tricksereien der Lebensmittelindustrie. Durch Aromen und Geschmacksverstärker kriegen sie es hin, dass man nach Burgern süchtig wird. Das geht aber auch mit gutem Essen. Wer einmal eine gut gemachte Hühnerbrühe mit Nudeln gegessen hat, der will sie immer wieder essen.
