Wie starb Emanuela Orlandi?Graböffnung soll den Vatikan-Krimi endlich lösen

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Orlandi

Pietro Orlandi, der Bruder der vermissten Emanuela Orlandi, hält am 27.05.2012 auf dem Petersplatz in Vatikanstadt ein Foto seiner auf mysteriöse Weise verschwundenen Schwester in den Händen.

Rom – Der deutsche Pilgerfriedhof ist eine Oase der Ruhe hinter dicken Vatikanmauern. Hier wachsen Zypressen, Palmen schwingen sachte im Wind, Vögel zwitschern. Ansonsten Stille. Vom Touristenrummel am Petersplatz ist kaum etwas zu hören. Am Donnerstag wird der Campo Santo Teutonico zum Schauplatz eines Ereignisses, das einen der mysteriösesten Vermisstenfälle in der Geschichte des Vatikans lösen soll.

Zwei Gräber sollen geöffnet werden. Darin könnten möglicherweise die Gebeine von Emanuela Orlandi liegen. Die Tochter eines Vatikan-Hofdieners verschwand vor 36 Jahren – und niemand weiß bis heute, wieso und warum. Die wildesten Spekulationen ranken sich um den Fall. Es sei ein „langer, schmerzhafter und komplexer Fall“, sagte Papstsprecher Alessandro Gisotti zuletzt.

Emmanuela

Ein undatiertes und am 05.07.2010 veröffentlichtes Handout zeigt ein Poster, auf dem in Rom um Informationen zur entführten Emanuela Orlandi gebeten wird.

Es war der 22. Juni 1983, als die 15-jährige Emanuela nach einer Musikstunde nicht nach Hause kam. Sie war die Tochter eines Dieners von Papst Johannes Paul II. Die Erklärungsversuche waren so zahlreich wie abstrus. Einmal sollte Emanuela Opfer Krimineller geworden sein, die den Papst-Attentäter Ali Agca freipressen wollten. Dann wieder hieß es, Emanuela sei von Vatikandiplomaten entführt und auf Sexpartys ausgebeutet worden.

Grab eines Mafia-Bosses geöffnet

Auch die römische Unterwelt kam ins Spiel. Auf der Suche nach Spuren wurde das Grab des Mafiabosses Enrico De Pedis in der Kirche Sant'Apollinare in Rom geöffnet. Ergebnislos. Im Herbst 2018 wurden dann Knochen bei einer vatikanischen Botschaft in Rom entdeckt und untersucht. Wieder Fehlanzeige. Sie stammten aus der Antike. Vor zwei Jahren veröffentlichte ein italienischer Journalist ein vermutlich gefälschtes Dokument, das nahelegen sollte, dass der Vatikan Emanuela verschwinden lassen wollte.

Falschmeldungen, falsche Fährten und unzählige enttäuschte Hoffnungen: Die Graböffnung auf dem Campo Santo Teutonico soll nun Licht ins Dunkel bringen. „Es ist ein neues Kapitel“, sagte Emanuelas Bruder, Pietro Orlandi. Er ist es, der seit Jahren unermüdlich für die Wahrheit kämpft. „36 Jahre lang gab es im Vatikan keinerlei Kooperation.“ Mit der Einwilligung zur Graböffnung habe der Vatikan eingeräumt, dass es eine „interne Verantwortung“ oder Mitwisser im Kirchenstaat gegeben habe oder gebe.

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Grab mit einem Marmorengel

Es habe mehrere Hinweise auf den Pilgerfriedhof gegeben, der hinter Vatikanmauern liegt, aber italienisches Staatsgebiet ist. Hier liegen Geistliche und Fürsten aus dem deutschsprachigen und flämischen Raum begraben. Vor allem auf das Grab mit einem Marmorengel richtet sich das Augenmerk. Dort ist Sophie von Hohenlohe bestattet (gestorben 1836). Die Familie Orlandi will einen Hinweis bekommen haben: „Sucht, wohin der Engel schaut.“ In dem zweiten Grab liegt Herzogin Charlotte Friederike zu Mecklenburg, die 1840 gestorben ist. Dass der Vatikan nun auch dieses angrenzende Grab öffnen lässt, bedeutet für Pietro Orlandi, dass die Ermittlungen dieses Mal gründlich sind.

Er meint, dass es der Willen von Papst Franziskus sei, die Sache aufzuklären. „Ich habe ihn kurz nach seinem Amtsantritt getroffen. Er hat gesagt, Emanuela ist im Himmel.“ Nun also der nächste Schritt in der Familientragödie: Die fraglichen Gräber seien zuletzt 2010 bei einer Renovierung durch Steinmetze geöffnet worden, sagte der Friedhofsleiter Hans-Peter Fischer der Plattform Vaticannews. Der Friedhof habe vor einiger Zeit in die Öffnung der Gräber eingewilligt.

Bei der Graböffnung werden Familienangehörige von Emanuela sowie von den Bestatteten dabei sein. Daneben Kriminaltechniker und Ermittler. Erste Informationen könnte es schon nach ein paar Stunden geben, sagte der beauftragte Forensiker Giovanni Arcudi. „Wir können unterscheiden, ob das ein Knochen ist, der zehn Jahre alt ist, oder einer, der dort schon seit fünfzig oder 150 Jahren liegt. Auch das Geschlecht können wir gleich bestimmen, wenn die Knochengerüste alle gut erhalten sind. Wir können nach der ersten Untersuchung auch gegebenenfalls ausschließen, dass die Skelettreste zu anderen Personen gehören als den beiden dort bestatteten.“ (dpa)

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