800 Jahre WipperfürthErst vor 100 Jahren wuchs die Stadt über die Altstadt hinaus

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1906 entstand das neue Postamt an der Bahnstraße.

1906 entstand das neue Postamt an der Bahnstraße.

Wipperfürth – Zur 800-Jahr-Feier stellen wir in einer Serie Orte vor, die für die Geschichte Wipperfürths von  Bedeutung waren. Ausgewählt wurden die Orte vom Heimat- und Geschichtsverein. In der heutigen Folge geht um den Bauboom zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Große Städte wie Köln besaßen schon im Mittelalter Vorstädte, die sich entlang der Ausfallstraßen entwickelten und dann in die Stadtbefestigung einbezogen wurden. Im kleinen Wipperfürth, in dem es offenbar mehr Stagnation als Wandel gab, wuchs die Stadt erst spät über die Grenzen des ehemaligen Mauerrings hinaus. Zwar gab es verschiedene Anwesen außerhalb der Altstadt, aber keine dichtere oder gar geschlossene Bebauung. Das änderte sich erst im frühen 20. Jahrhundert, und zwar besonders deutlich am Mühlenweg, der jetzt Kaiserstraße hieß. Hier entstand eine ganze Reihe von stattlichen Wohnhäusern; man sprach von einem „Villenviertel“.

Trotz mancher Veränderung haben die Sander-Häuser ihren Charakter bewahrt.

Trotz mancher Veränderung haben die Sander-Häuser ihren Charakter bewahrt.

Entworfen hat diese Bauten der junge Architekt Fritz Sander, der 1903 von Remscheid nach Wipperfürth gekommen war und dort auch eine Bauunternehmung und eine Ziegelei betrieb. Als Polier hatte er Ferdinand Hermann mitgebracht, der sich 1911 als Bauunternehmer selbständig machte. Sander arbeitete eng mit der Kunstschreinerei J.W. Schnepper zusammen, die auf geschnitzte Haustüren und die Innenausstattung von Häusern spezialisiert war.

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entstehen auch mehrere öffentliche Gebäude mit deutlich erkennbarem repräsentativen Anspruch. 1897 wird das Landratsamt an der Gaulstraße eröffnet, einige Jahre später die benachbarte Landratsvilla. 1906 erhält Wipperfürth an der Bahnstraße ein neues Postamt und 1910/11 nach rund 115 Jahren wieder ein eigenes Rathaus. Gleichzeitig wird an der Lüdenscheider Straße der Neubau des Lehrerseminars hochgezogen, der das 1906/07 errichtete Provisorium am Kölner Tor-Platz ablöst; Fritz Sander liefert sämtliche Ziegel, J.W. Schnepper gestaltet die Wandverkleidungen und den Orgelprospekt in der Aula.

Repräsentative Gebäude: So sah das „Villenviertel“ an der Kaiserstraße kurz nach 1900 aus.

Repräsentative Gebäude: So sah das „Villenviertel“ an der Kaiserstraße kurz nach 1900 aus.

1913 verzieht Sander nach Ostpreußen, gemeinsam mit dem Bauunternehmer Kern, der das Rathaus gebaut hat – ein deutliches Indiz dafür, dass der Bauboom abgeebbt ist.

Das Rathaus wurde 1945 zerstört, vom ehemaligen Landratsamt existieren nur noch der Turm und ein Architektur-fragment im Neubau des Amtsgerichts. Das „Villenviertel“ an der Kaiserstraße hat sich mit einigen Veränderungen bis heute erhalten; Fritz Sanders Haus (später Formhals“) musste allerdings einem Brückenbauwerk weichen. Geblieben ist der Name „Sander Höhe“ für das Gelände nördlich der Wupper.

In der nächsten Folge der historischen Serie geht es um ein Haus, das vor über 100 Jahren auf die Reise ging und nicht abgerissen, sondern verschoben wurde.

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